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Re: Aus der 10. Sitzung des Standardisierungsausschusses (Teil 1)



Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

liest man Frau Oehlschlaegers Bericht, so fuehlt man sich ein wenig ins AACR-Wonderland versetzt und moechte mit Alice ausrufen: "Curiouser and curiouser!" Muss man wirklich nur die Ziffer 2 gegen eine 3 austauschen, um einen Ausweg aus der verfahrenen Situation zu finden?

Blicken wir kurz zurueck: Im Mai 2004 sah der Standardisierungsausschuss "keine Moeglichkeit, einen Umstieg [auf AACR2] generell durchzusetzen" und sprach sich stattdessen "fuer eine schrittweise Internationalisierung des deutschen Regelwerks" aus. Damit war freilich - wie die letzten Monate gezeigt haben - keine Weiterentwicklung der RAK mit massvollen Angleichungen an die AACR gemeint, sondern vielmehr ein AACR2-Umstieg 'auf Raten'. Nun hat der Standardisierungsausschuss erneut seine Strategie geaendert und stellt uns ein gaenzlich neues deutsches Regelwerk auf der Basis der AACR3 in Aussicht, das nach deren Vorliegen "als Ganzes veroeffentlicht und in Kraft gesetzt werden soll".

Da die AACR3 noch nicht existieren, sind Details naturgemaess noch nicht bekannt. Womoeglich wird sich dies aber auch in naechster Zeit nicht aendern, denn die Entwuerfe werden ausschliesslich den Mitgliedern des Standardisierungsausschusses und der Expertengruppen zur Verfuegung gestellt, welche sich zu absoluter Geheimhaltung verpflichten muessen (bei Zuwiderhandlung droht der Ausschluss). Wenn ich diese Regelung richtig verstehe, dann duerfen die Mitglieder der Expertengruppen sich in AACR3-Fragen nicht einmal mit Katalogisierern in ihrer Region austauschen! Wird die Regelwerksentwicklung kuenftig also 'top secret' sein und in einer Art Konklave erfolgen? Dies waere m.E. ein hoher Preis, den das deutsche und oesterreichische Bibliothekswesen fuer die "aktive Teilnahme am Geneseprozess der AACR3" bezahlen muesste.

Schwer vorstellbar ist auch, wie sich die Arbeit in den Expertengruppen bis zum Vorliegen der AACR3 gestalten wird. Kann man (von einigen wenigen Teilbereichen abgesehen) wirklich "wichtige Vorarbeiten" fuer die Uebertragung eines Regelwerks leisten, solange dessen Text nicht endgueltig feststeht? M.E. waere dabei die Gefahr hoch, dass sich die Gremien mit Fragen beschaeftigen, die kurze Zeit spaeter schon wieder obsolet sind. Denn es erscheint keineswegs ausgemacht, dass das Joint Steering Committee (JSC) seine Vorstellungen zur AACR-Neuausgabe 1:1 wird umsetzen koennen. Gerade erst wurde von einer Kurskorrektur ("change of direction") berichtet, die sich aufgrund erster Rueckmeldungen ergeben hat. Sicher wird es auch im weiteren Verlauf des Prozesses noch Aenderungen geben: Da die Regelwerksentwicklung in der AACR-Welt tendenziell konservativer verlaeuft als bei uns, muss man etwa mit Bedenken gegen manche Modernisierung rechnen - vielleicht gerade gegen solche Neuregelungen, die ein modernes Regelwerk am dringendsten braeuchte. Und dass es da ohne Zugestaendnisse abgeht, kann ich mir kaum vorstellen.

Die erwaehnte Neuausrichtung hat uebrigens auch zu einer Aenderung des Zeitplans gefuehrt: Als Erscheinungstermin wird jetzt nicht mehr 2007, sondern 2008 genannt. Wenn ich mich nicht sehr taeusche, war vor einiger Zeit noch 2006 angepeilt worden - man darf gespannt sein, wann das Werk tatsaechlich erscheinen wird. Und wie lange wird es danach noch dauern, bis die deutschen AACR3 vorliegen? Der Nikolausbeschluss liegt nun schon dreieinhalb Jahre zurueck - koennen wir uns weitere Verzoegerungen leisten?

(Einige weitere Hinweise folgen in einer zweiten Mail.)

Mit freundlichen Gruessen
Heidrun Wiesenmueller
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Heidrun Wiesenmueller M.A.
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