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Re: Aus der 10. Sitzung des Standardisierungsausschusses (Teil 2)



Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

im Folgenden nun noch einige grundsaetzliche Anmerkungen zu AACR3 (soweit man dazu auf der Basis allgemeiner Verlautbarungen wie z.B.
<http://www.collectionscanada.ca/jsc/docs/aacr3pptjan2005.pdf>http://www.collectionscanada.ca/jsc/docs/aacr3pptjan2005.pdf
ueberhaupt schon etwas sagen kann).


1. Zweifelsohne werden die AACR3 moderner sein als die AACR2 - alles andere waere ja auch erschreckend. Wie gross die Fortschritte am Ende tatsaechlich sein werden, bleibt freilich abzuwarten. Im Detail kommt einem uebrigens manches sehr bekannt vor: Zu den explizit formulierten Zielen gehoert (wie in RAK2) eine Vereinfachung der Regeln sowie eine Anpassung an die Online-Welt. Das am Zettelkatalog orientierte Prinzip von Haupt- und Nebeneintragungen wird aufgegeben zugunsten von Sucheinstiegen (access points) - auch das konnte man schon vor Jahren in den RAK2-Entwuerfen (Stand April 2000) lesen.

2. Bei der Weiterentwicklung sollen die FRBR (Functional requirements for bibliographic records) beruecksichtigt werden. Ein wichtiger Aspekt dabei ist das Erstellen einer Hierarchie vom (abstrakt gedachten) Werk bis hin zum Exemplar einer bestimmten Ausgabe (mit den Abstufungen: work / expression / manifestation / item). Ich finde das bemerkenswert: Seit Jahren erzaehlt man uns, dass unsere hierarchischen Verknuepfungen Teufelszeug sind und die Datensaetze unbedingt 'flachgeklopft' werden muessen. In der AACR-Welt hingegen scheint das Pendel gerade umzuschwingen...!

Die Vorstellung, dass beispielsweise ein Benutzer im Katalog zunaechst einen einzigen Eintrag "Hamlet" vorfaende, ueber den er zu allen Ausgaben, Verfilmungen etc. gefuehrt wuerde, ist natuerlich durchaus attraktiv. Allerdings gilt: Von nichts kommt nichts, d.h. entsprechende komplexe Verknuepfungen muessen erst einmal in den Katalogisaten angelegt werden. Fuer die Katalogisierung bedeutet die Integration der FRBR also sicher nicht weniger, sondern eher mehr Arbeit.

3. Auch das Konzept der Virtuellen Internationalen Normdatei, bei der unterschiedliche nationale Ansetzungsformen fuer die Recherche zusammengefuehrt werden, spielt eine wichtige Rolle in den AACR3-Ueberlegungen. Umso mehr fragt man sich, warum nun mit riesigem Aufwand unsere GKD-Ansetzungen an AACR angeglichen werden sollen. Eine Uebereinstimmung bei den Entitaeten (die freilich auch schon eine knifflige Sache ist) wuerde - wie schon haeufig ausgefuehrt wurde - vollauf genuegen.

4. Die AACR-Anwender tun genau das, was uns versagt bleiben soll: Sie entwickeln ihr bestehendes Regelwerk weiter, um dieses den modernen Anforderungen anzupassen und zugleich die Konsistenz ihrer Kataloge zu erhalten. Es wird also trotz aller Neuerungen eine betraechtliche Kontinuitaet zu AACR2 geben; die neuen Datensaetze sollen "abwaertskompatibel" ein.

Fuer das Szenario eines Umstiegs auf AACR3-Deutsch bedeutet das nach meiner Einschaetzung, dass der Umstellungsaufwand kein Deut geringer waere als bei dem frueher favorisierten Umstieg auf AACR2-Deutsch. Auch das Problem des Katalogbruchs stellt sich unveraendert. Die Projektstudie hat die praktischen Fragen eines Umstiegs nicht befriedigend erhellen koennen (vgl. dazu meinen Beitrag in BuB 3/2005:
<http://www2.bibliothek.uni-augsburg.de/kfe/mat/Wiesenmueller_BuB_57_3.pdf>http://www2.bibliothek.uni-augsburg.de/kfe/mat/Wiesenmueller_BuB_57_3.pdf).
Es waere deshalb gut, wenn der Standardisierungsausschuss nun bald konkrete Planungen fuer die Umsetzung seiner juengsten Beschluesse vorlegen wuerde - inkl. einer Aufwandsabschaetzung, welche auf realistischen Voraussetzungen, belastbaren Zahlen und einer soliden Methodik basiert.


Mit freundlichen Gruessen
Heidrun Wiesenmueller
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Heidrun Wiesenmueller M.A.
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