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Benutzungsgebühren Staatsbibliothek zu Berlin



Liebe Liste,
mit großem Interesse habe ich die neue Benutzungs- und Gebührenordnung
der Staatsbibliothek zu Berlin zur Kenntnis genommen. Meine besondere
Aufmerksamkeit habe ich dabei dem Thema der Benutzungsgebühren
geschenkt.

Ich halte, um es kurz zu sagen, die Berliner Regelung in der
vorliegenden Form für rechtlich angreifbar. An dieser Stelle möchte ich
die Liste nicht mit einem ausformulierten Gutachten langweilen, wohl
aber in groben Zügen den Gedankengang darlegen:

Ausgangspunkt meiner Überlegungen ist das in Art. 5 Abs. 1 Satz 1, 2.
Fall GG normierte Grundrecht der Informationsfreiheit. Danach hat jeder
das "Recht, ...sich aus allgemein zugänglichen
Quellen ungehindert zu unterrichten."

Es ist allgemein anerkannt, daß öffentlich zugängliche Bibliotheken
(vgl. auch § 1 der Benutzungsordnung der Staatsbibliothek zu Berlin)
eine allgemein zugänglich Quelle der Informationsbeschaffung sind.

Durch die Erhebung von Benutzungsgebühren wird der Zugang
insoweit  "gehindert", als er an die Zahlung der in der
Gebührenordnung ausgewiesenen Gebühren geknüpft wird.

Insoweit liegt ein Eingriff in das Grundrecht vor.

Fraglich ist, ob dieser Eingriff rechtmäßig ist. Das ist der Fall, wenn
eine in formeller Hinsicht rechtmäßige Ermächtigungsgrundlage vorliegt
und der Eingriff im übrigen verhältnismäßig ist.

An der formellen Rechmäßigkeit der Gebührenordnung bestehen keine
Zweifel, wohl aber an der Verhältnismäßigkeit. Ohne hier auf
Einzelheiten einzugehen, bedeutet der bei Grundrechtseinschränkungen zu
beachtende Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, daß ein
Grundrechtseingriff nur insoweit möglich ist, als er zur Erreichung
eines legitimen Zieles unbedingt erforderlich ist.
Bei Gebühren im Zusammenhang mit der Informationsfreiheit wird die
Grenze gemeinhin dort gesehen, wo eine Gebühr prohibitiv wirkt.

Die Berliner Gebühr ist vor diesem Hintergrund in zwei Punkten problematisch:

1. Höhe der Gebühr:
Ein Maßstab zur Beurteilung einer angemessenen Gebührenhöhe wäre die
Rundfunkgebühr. Diese liegt zur Zeit bei 5,52 ? im Monat. Von daher
wäre der Monatssatz von 10 ? kritisch zu sehen. Die Höhe der
Jahresgebühr scheint aber vertretbar. Dennoch muß man bedenken, daß die
Rundfunkgebühr für alle Sender EINMAL erhoben wird, während bei
Bibliotheksgebühren jede Bibliothek EIGENE Gebühren erhebt, so daß eine
intensive Bibliotheksnutzung, die vielleicht bei fünf Einrichtungen
parallel zu sehen ist, hier schön bedenklich teuer wird. Hier macht
sich vor allem die fehlende Tages- oder Kurzzeitgebühr bemerkbar.
Diese ist aus Gründen der Verhältnismäßigkeit ZWINGEND wieder einzuführen,
wenn die Monatsgebühr nicht gesenkt wird.

2. Gebührenpflichtiger Personenkreis
Die Berliner Gebührenordnung differenziert nicht, wie etwa die
Rundfunkgebühren, nach der finanziellen Leistungsfähigkeit der Leser.
Dies wäre aus Gründen der Verhältnismäßigkeit aber geboten. Ein Blick
auf die Eintrittsgelder der Museen der Stiftung Preußischer
Kulturbesitz: Hier gibt es durchgängig Ermäßigungen für nicht so
finanzstarke Besucher. Da Bibliotheken  grundrechtlich erheblich
bedeutender sind als Museen, ist eine entsprechende Differenzierung bei
den Benutzungsbebühren ebenfalls ZWINGEND. Warum hier innerhalb der
Stiftung mit zwei Maßstäben gemessen wird, ist verwunderlich.

Ergebnis:
Die geltenden Gebührensätze für die Benutzug der Staatsbibliothek zu
Berlin sind in der vorliegenden Form rechtswidrig, da sie Grundrechte
in unverhältnismäßiger Form einschränken. Es ist der Staatsbibliothek
zu raten, die Tagesgebühr wieder einzuführen und im übrigen soziale
Belange bei der Gebührengestaltung zu berücksichtigen.

Eric Steinhauer
http://www.steinhauer-home.de


Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.