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AW: Subventions- und Bildungsbegriff des Instituts für Weltwirtschaft



Hierzu ein Artikel aus der Süddeutschen Zeitung:

 SÜDDEUTSCHE ZEITUNG 20.8.2005:


Die Feigen;
Kultur braucht Subventionen. Was denn sonst?


Gleich zwei hochrangige Kulturfunktionäre warfen sich am vergangenen
Donnerstag in die Brust und verwiesen das ökonomische Denken streng in die
Schranken. Mit scharfen Worten griffen sie das Institut für Weltwirtschaft in
Kiel an, das in seinem jüngsten "Bericht" wieder einmal behauptet haben soll,
bei der staatlichen Kulturförderung handele es sich um "Subventionen".
Christina Weiss, die Staatsministerin für Kultur, und Olaf Zimmermann, der
Geschäftsführer des Kulturrates, erkannten dabei gleich den Wiederholungstäter
in seiner ganzen Verstocktheit: "In dem jetzt vorgelegten Bericht des
Instituts zu Finanzhilfen der Bundesländer werden die Hilfen für Kunst und
Kultur erneut fälschlicherweise unter Subventionen gefasst", schimpfte Olaf
Zimmermann, und Christina Weiss stimmte zu: "Eine solche Logik verkennt
wiederholt bewusst die Bedeutung von Kultur in der Gesellschaft." Der
Auffassung, Investitionen in Theater, Museen und Bibliotheken als Subventionen
zu betrachten, müsse man immer wieder nachdrücklich entgegentreten. Der
"Vorwurf" des Instituts für Weltwirtschaft gefährde die Kulturfinanzierung in
Deutschland "massiv".
Das Problem ist nur: Es gibt diesen "Vorwurf" nicht. Schlimmer noch: Es gibt
auch den "Bericht" nicht. Was es hingegen gibt, ist eine vor einigen Tagen im
Rahmen der "Kieler Diskussionsbeiträge" veröffentlichte Schrift mit dem Titel
"Finanzhilfen der Bundesländer in den Jahren 2000 - 2004: Eine empirische
Analyse". Deren Autorin, Astrid Rosenschon, legt Wert auf die Feststellung,
dass es sich bei diesem Aufsatz um eine Forschungsarbeit handele, in der sie
nicht für das gesamte Institut spreche. Auch der Inhalt der Schrift selbst
wird von Christina Weiss und Rolf Zimmermann auch nicht annähernd angemessen
wiedergegeben. Denn die Autorin des Traktats setzt sich ausführlich mit dem
Begriff der Subvention auseinander, erklärt deren Wirkung "Verzerrung der
Allokation" - das ist ein Eingriff in den freien Lauf von Waren und
Dienstleistungen -, um dann ganze Bereiche des Kulturlebens auszuschließen:
Die Förderung des "nationalen Kulturerbes", etwa der Stiftung Preußischer
Kulturbesitz oder der Wiederaufbau der Dresdner Frauenkirche, gehöre ebenso
wenig unter die Kategorie der "Subvention" wie die staatlichen Unterstützungen
für Hochschulen oder Bibliotheken.
Unter Wiederholungstätern
Warum lesen diese Kulturfunktionäre so ungenau? Warum ihr hysterischer
Widerstand gegen die Rede von der "Subvention"? Sie fürchten, dass die Kultur
beim allfälligen Streichen von Subventionen und Privilegien das vornehms-te
Opfer sein wird. Einmal wäre es sogar beinahe soweit gewesen: Als vor zwei
Jahren die Ministerpräsidenten Roland Koch und Peer Steinbrück ihr Papier zur
Rettung der Staatsfinanzen vorstellten, war die Kulturförderung definitiv dem
Bereich der "Subventionen" zugeschlagen, und eine Weile sah es so aus, als
ginge es großen Institutionen wie dem Goethe-Institut schon an den Kragen -
bis die Kultur dann durch ein politisches Dekret von der "Subvention"
freige-sprochen wurde.
Das mag pragmatisch richtig gewesen sein. Sachlich aber ist es falsch. Leider
wurde damals versäumt, sich über den Tag hinaus Gedanken über das Verhältnis
von Kultur und Subvention zu machen. Und ganz gewiss kann der alte Sieg der
Kulturfunktionäre über die Propagandisten der freien Marktwirtschaft kein
Grund dafür sein, entsprechende Überlegungen mit dem Hinweis "wiederholt" oder
"erneut" wegzuwischen.
Denn selbstverständlich wird Kultur subventioniert. "Kulturförderung ist keine
Subvention", sagt Olaf Zimmermann, "Kulturförderung ist eine Investition." Das
klingt selbstsicher und entscheidungsstark, aber es ist Unsinn. Denn wird etwa
eine große Oper nicht auch deshalb subventioniert, um die klassische Musik
lebendig zu erhalten, um das historische und ästhetische Bewusstsein zu bilden
oder, nicht zuletzt, um eine Stadt für eine Klientel von Mächtigen und
Zahlungskräftigen attraktiv zu machen - lauter Engagements also, die man ohne
weiteres als "Investition" bezeichnen könnte? Wer subventioniert, der
investiert. Was denn sonst?
Nur mit der zu erwartenden Rendite ist es bei Investitionen in die Kultur eher
unsicher bestellt. An diesem Punkt aber, beim Kalkül mit den späteren
Erträgen, ist Olaf Zimmermanns These feige und schwach. Denn wer Kultur als
"Investition" behandelt wissen möchte, der verspricht etwas. Er tut so, als
dächte auch er betriebswirtschaftlich, als könne er mit fernen, leider noch
nicht genau benennbaren Gewinnen winken. Er begibt sich auf das Terrain seines
Gegners - und hat, weil er aus der Defensive argumentieren muss, von
vornherein verloren.
Dass der Staat den größten Teil der Kultur und ihres Betriebs wenn nicht ganz
und gar bezahlt, so doch substantiell fördert, ist ein Erbe des Absolutismus.
Der demokratische Staat hat diese feudale Tradition übernommen. Doch verfügt
er dabei nicht über Entscheidungsgewalt eines Fürsten oder Hofes. Daher
überlässt er die Auswahl und Gestaltung der zu fördernden kulturellen
Unternehmungen einer Gruppe von Fachleuten, Funktionären, Lobbyisten, und
deren Geschäfte werden um so diffuser, ausgreifender und undurchschaubarer, je
mehr sich, was zu feudalen Zeiten noch ein mehr oder minder erkennbarer
ästhetischer Kanon war, in ein unendlich vielgestaltiges Ensemble der Künste,
Genres, Stile und Moden verwandelt.
All diese Partikularitäten verlangen gleichermaßen nach Förderung, und
unterstützt werden sie dabei von eben jenen Fachleuten und Funktionären, die
einander als "peers", als Mitglieder einer Gemeinschaft von gleichermaßen
Berufenen, gegenübertreten. Was dabei entsteht, ist Syndikalisierung,
Kartellbildung, Klüngel. Und dieser Verein hat, schon aus Gründen der eigenen
Reproduktion, ein lebendiges Interesse daran, dass sich beim Verteilen der
staatlichen Förderung für Kultur nicht Gründe, sondern Ansprüche
gegenüberstehen.
Gründe aber gäbe es genug, und sie alle haben eine Befreiung von
marktwirtschaftlichen Zielen, von Verwertung und Verwertbarkeit zum Inhalt.
Mit vielen Angelegenheiten des bürgerlichen Lebens kann man nicht anders
umgehen, nicht nur, weil sie allgemeine Voraussetzung für dessen Funktionieren
sind, sondern auch, weil sie mit Marktwirtschaft prinzipiell nichts zu tun
haben, weil sie ein hohes Maß an Freiheit voraussetzen. Sogar eine
Betriebswirtschaft gibt es, die nicht betriebswirtschaftlich sein will, es
auch nicht sein kann, sondern auf ihrem Platz in der alten, kulturell
definierten, noch nicht unmittelbar der Berufsausbildung verpflichteten
Universität beharrt, eine theoretische, oft sehr mathema-tische, manchmal
spielerische Betriebswirtschaft, die ohne große Freiheit nicht existieren
kann. Es mag sein, dass auch hier Gedanken entstehen, die später einmal, unter
anderen Bedingungen ertragreich sein können - aber danach zu fra-gen, sie zu
erwarten, wäre nicht nur sinnlos, sondern schädlich. Diese Freiheit zu
gewähren, in den Wissenschaften wie in Künsten, gehört zu den ersten Aufgaben
des Staates.
Das heißt nicht, dass man den Klüngel finanzieren muss, diese zahllosen,
widerwärtig sich aufspreizenden, hoffär-tigen Spartenfürsten und ihre
Höflinge. In Gegenteil: Zur subventionierten Kultur gehört ein hohes Maß an
Transparenz und Durchschaubarkeit, ein offenes, nachvollziehbares Abwägen,
warum eine Institution, warum ein Vorhaben geför-dert werden soll. Das Problem
an der Subvention von Kultur besteht nicht darin, dass es sie gibt, sondern
darin, dass ihre Funktionäre wie ihre Nutznießer nicht einmal eine Vorstellung
davon haben, warum sie vorhanden sind.
THOMAS STEINFELD


-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: owner-inetbib@xxxxxxxxxxxxxxxxxx
[mailto:owner-inetbib@xxxxxxxxxxxxxxxxxx] Im Auftrag von Manfred Hartmann
Gesendet: Donnerstag, 25. August 2005 09:33
An: INETBIB@xxxxxxxxxxxxxxxxxx
Betreff: Subventions- und Bildungsbegriff des Instituts für Weltwirtschaft

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

im folgenden ein Zitat. aus einer Pressemitteilung des Deutschen Kulturrates,
in der es um einen äußerst problematischen Subventions- und Bildungsbegriff
geht, den uns das Institut für Weltwirtschaft beschert:

"Das Institut für Weltwirtschaft versteht unter Subventionen, Güter und
Dienstleistungen, die vom Staat oder von Organisationen ohne Erwerbszweck
erstellt werden, eigentlich aber auch privat angeboten werden können. Von den
Subventionen werden jene Zahlungen abgegrenzt, bei denen es sich um die
Erstellung eines öffentlichen Gutes handelt, die u.a. zu Bildungs- und
Forschungszwecken dienen können. Ganz konkret bedeutet dies, dass das Institut
für Weltwirtschaft Zuschüsse zu Stadtbibliotheken zu den Subventionen zählt,
Zuschüsse zu Hochschulbibliotheken aber nicht. "

Der ganze Text steht auf:

http://www.kulturrat.de/detail.php?detail=536&rubrik=2

Mit freundlichen Grüßen
Manfred Hartmann


________
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Dokumentation/Bibliothek
Manfred Hartmann
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