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Re: [InetBib] Online-Bewerbung: Stellenausschreibung



Lieber Herr Steinhauer, liebe Kolleginnen und Kollegen,

1. Bei Bewerbungen / Bewerbungsunterlagen handelt es
sich um hochgradig personenbezogene Daten.
Ich habe meine Zweifel, ob der unverschluesselte
Versand von Bewerbungsunterlagen
von einer Behoerde auch nur angeregt werden
duerfte. Der Datenschutzbeauftragte wuerde
vermutlich dagegen einschreiten. Da sind schon
wesentlich harmlosere Dinge untersagt worden.

Die Verschluesselung von Emails ist weder
bei den Bewerbern noch bei den Behoerden
incl. Bibliotheken oder selbst Rechenzentren
ein Standard.

Die Unterlagen muessen zudem gerichtsfest
sein, das heisst fuer mich: der Bewerber
muss den Fingerprint der Dokumente
berechnen, diese duerfen nicht veraendert
werden.

Da es ja nicht nur EDV-Stellen gibt,
ist das meines Erachtens als Normalfall
nicht zumutbar.

2. Ein Medienbruch bei der Bearbeitung von
Bewerbungen findet bei der oeffentlichen Verwaltung
sowieso statt, da diese im Gegensatz
zu grossen Firmen in der Regel ueber kein
Dokumentenmanagement-System verfuegen,
mit dem der Zugriff gesichert erfolgen
kann.

Oder waeren Sie damit einverstanden, dass
Bewerbungsunterlagen per Email hin- und
hergeschickt werden (Auswahlgremium,
Personalabteilung, Personalrat?)?

Alternativ saehe es bei Bewerbungen
per Email wie folgt aus: die
Sekretariate haetten die Aufgabe,
bei (zumindest bei manchen Stellen)
100 Bewerbern die Attachments herunterzuladen,
zu drucken und Mappen anzulegen. Das
scheint mir nicht durchfuehrbar.

3. Die Einstellungskriterien muessen
nachvollziehbar sein. Das Kriterium
"Bewerbung per Email" kann da kaum
angefuehrt werden. Oder glauben Sie,
dass das bei einer Konkurrentenklage
vor Gericht eine Chance hat, als
Kriterium durchzugehen?
Hat jeder Hartz-IV-Empfaenger,
der sich bewirbt, einen Online-Anschluss
der genuegend schnell ist? Oder sollen
diese schlechtere Chancen haben?

4. Das Problem mit den Kosten sehe
ich auch. Die Absetzbarkeit bei der
Steuer ist ein Witz, da sie denjenigen,
die noch nichts verdienen, gar nichts
bringt.

Zumindest an einer Stelle koennte man
sparen: in den USA ist es mindestens
in einem der Bundesstaaten verboten,
Fotos bei Bewerbungen mitzuschicken,
um Diskriminierung zu vermeiden.
Warum nicht bei uns?

Insgesamt muss ich mich schon wundern,
wie lax die Einstellung zum Datenschutz
inzwischen geworden sind. In den 80er Jahren gab
es massive Proteste gegen die Volkszaehlung,
waehrend heute ein grosser Teil der
Bevoelkerung seine persoenlichen Daten Hinz
und Kunz zukommen laesst.

Viele Gruesse
Lothar Kalok

On Sun, 16 Oct 2005, Eric Steinhauer wrote:

Date: Sun, 16 Oct 2005 08:16:29 +0200 (MEST)
From: Eric Steinhauer <eric.steinhauer@xxxxxxxxx>
To: Lothar.Kalok@xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx
Subject: [InetBib]  Online-Bewerbung: Stellenausschreibung

Liebe Liste,

in der von Prof. Mittler übermittelten Stellenausschreibung findet sich 
folgende Formulierung:

"(von Bewerbungen per E-Mail bitten wir abzusehen)"

Das sind freilich Gepflogenheiten in der öffentlichen Verwaltung, die nicht 
unbedingt zur Disposition ausschreibender Bibliotheken stehen. Dennoch bietet die 
Ausschreibung in der vorliegenden Form Anlaß zu einer augenzwinkernden Bemerkung:

Laut einer Focus-Umfrage akzeptieren Siemens, DaimlerChrysler, Lufthansa und Bayer in der Regel nur noch 
Internet-Bewerbungen. Weitere 13 Dax-Konzerne erklären, daß Online-Bewerber bei ihnen 
größere Chancen hätten.
http://focus.msn.de/jobs/bewerbung/online-bewerbung

Bedenkt man, daß die ausgeschrieben Stelle die "Realisierung technischer Aufgaben im 
Rahmen des DFG-geförderten
Projektes ?Virtuelle Fachbibliothek Bibliotheks-, Buch- und Informationswissenschaften? 
(ViFa BBI)" zum Gegenstand hat, kann man überspitzt formulieren:

Für die Arbeit an einer virtuellen Fachbibliothek muß man sich
konventionell bewerben!!
:-)

Vielleicht habe ich aber auch die didaktische Seite dieses Verfahrens übersehen: Der potentielle 
Kandidat erfährt am eigenen Leib die Unzuträglichkeit von Medienbrüchen und ist dann umso 
motivierter, mit vollem Elan virtuelle Informationsräume zu modellieren.
;-))

Eric Steinhauer
http://www.steinhauer-home.de


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