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Re: [InetBib] "Vermieten" von Bestsellern



On Wed, 11 Jan 2006 16:33:20 +0100 (CET)
 Eric Steinhauer <eric.steinhauer@xxxxxxxxx> wrote:
Liebe Liste,

Fazit: Das Gutachten von Schulze weist nach der
öffentlich-rechtlichen Seite der Zweckbestimmung von
Bibliotheken eine offene Flanke auf, die argumentativ zu
vertiefen wäre. Ebenso lohnend wäre eine
haushaltrechtliche Betrachtung von Vormerk- und
Mahngebühren mit Blick auf die Erwerbung. Im Ergebnis
dürften sich die Bestsellergebühren ziemlich unaufgeregt
als "Sondernutzungsgebühren" halten lassen. Allerdings
gibt es hier Grenzen. Wenn eine Bibliothek mit hohem
Nachdruck immense Stückzahlen von Bestsellern einstellt,
um sie zu "verwerten", treten die hier angestellten
Überlegungen in den Hintergrund und der wirtschaftliche
Zweck in den Vordergrund. Das wäre in der Tat
problematisch.

Wir sollten aus Gruenden der Dogmatik bei der
Anstaltsbenutzung nie von Sondernutzung sprechen, sondern
von SonderBEnutzung. Sodann habe ich keinerlei Fundstelle
bei Herrn Steinhauer entdeckt, die seine These, eine
Saeumnisgebuehr sei eine Sonder(be)nutzungsgebuehr,
stuetzen koennte. Saeumnisgebuehren sind normale
Benutzungsgebuehren im Rahmen oeffentlichrechtlicher
Gebuehrenordnungen
http://deposit.ddb.de/ep/netpub/89/96/96/967969689/_data_stat/www.dbi-berlin.de/dbi_pub/einzelth/rechtpub/mahnung.htm

Herr Steinhauer argumentiert hier in unangenehmer Weise pro
domo. Jegliche Benutzungsgebuehr ist aus Benutzersicht und
aus Sicht der Foerderung von Lesefaehigkeit (PISA) und
Medienkompetenz von Uebel. Dass oeffentliche Bibliotheken
und leider zunehmend auch wissenschaftliche Bibliotheken
sich gezwungen sehen, Gebuehrenbarrieren zu errichten,
sollte man wirklich nicht mit abwegiger Rechtsdogmatik
rechtfertigen.

Zuur privatwirtschaftlichen Betaetigung immer noch
lesenswert Rasche 1993:
http://deposit.ddb.de/ep/netpub/89/96/96/967969689/_data_stat/www.dbi-berlin.de/dbi_pub/einzelth/rechtpub/privatwi.htm

Die offene gebuehrenrechtliche Flanke der Ausfuehrungen von
Herrn Steinhauer kann man sich leicht klarmachen, wenn man
ueber Mindestkenntnisse des oeffentlichen Abgabenrechts
verfuegt. Wenn man die "Flucht ins Privatrecht" nicht als
wirkungsvolle Strategie ansieht, oeffentlichrechtlichen
Beschraenkungen zu entkommen, wird man sich die Frage zu
stellen haben, ob eine Bestsellergebuehr ueberhaupt eine
Gebuehr im Sinne des Gebuehrenrechts sein kann. Fuer
Benutzungsgebuehren kommunaler Bibliotheken gelten die
Kommunalabgabengesetze, die anders als bei Landesgebuehren
  (und sog. Beitraegen) strikte Anforderungen an die
Kostendeckung enthalten. Indem auf die Attraktivitaet des
Buchs Bezug genommen wird, wird das Interesse des Benutzers
in den Blick genommen und nicht der Aufwand der Bibliothek,
der bei Benutzungsgebuehren typisiert abzugelten ist. Man
kann es natuerlich so hindrehen wie Herr Steinhauer und
einen erhoehten Verwaltungsaufwand bei der
Bestsellerbenutzung behaupten, aber das hat mit
sachgerechter Argumentation nur wenig zu tun.

Bestsellergebuehren gehen in die Richtung Bibliothek als
Kommerztempel - ich erinnere nur an die ekelhafte Praxis
der sog. Reproduktionsgebuehren - und da sehe ich aus
urheberrechtlicher Sicht nicht den geringsten Grund,
hergebrachte Privilegien einzuraeumen, wenn man sich von
seinem Bildungsauftrag, auch den Armen und finanziell
Schwachen den Zugang zu Literatur (und sei es auch zu
Bestsellern) zu ermoeglichen, durch Geldschneiderei
entfernt. In meiner kommerziellen Videothek zahle ich
uebrigens auch keine erhoehten Preise fuer
Video-Bestseller.

Klaus Graf
http://archiv.twoday.net

 

    



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