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[InetBib] Newsletter Urheberrecht, T.1.2



Hier Teil 1.2 des ?Newsletters Urheberrecht? vom Justiziar des
Börsenvereins.
Frauke Mahrt-Thomsen
 
3.      Subito: EU-Kommission erteilt schriftlichen Bescheid 
In die Auseinandersetzung um den Dokumentversanddienst der deutschen
Bibliotheken, Subito, ist erneut Bewegung gekommen. Während der neue
Referentenentwurf die dafür geplante, für die Verlage mit
Einschränkungen akzeptable Regelung (§ 53a UrhGE) gegenüber dem
Vorschlag vom Herbst 2004 unverändert gelassen hat, hat sich jetzt die
EU-Kommission zu Wort gemeldet. Diese beabsichtigt, das bei ihr in der
Subito-Sache anhängige Beschwerdeverfahren gegen die Bundesrepublik
Deutschland, das vom Börsenverein und nationalen und internationalen
Wissenschaftsverlagen und Verlegerverbänden in Gang gebracht worden war,
einzustellen. Dabei hat sie ihr Einstellungsschreiben - s. Anlage -
allerdings so abgefasst, dass dieses den Rechtsstandpunkt von
Börsenverein und Verlagen hundertprozentig teilt. Die Kommission hält
nämlich eine Eröffnung eines Vertragsverletzungsverfahrens gegen die
Bundesrepublik deswegen nicht für geboten, weil das deutsche
Urheberrecht - insbesondere die Privatkopieschranke des § 53 Abs. 1 UrhG
- bei verständiger Betrachtung nicht zulasse, dass Dritte Digitalkopien
geschützter Werke erstellen und elektronisch versenden.
Offensichtlich möchte die Kommission also dem Anliegen der
Beschwerdeführer, das sie inhaltlich für begründet hält, entsprechen,
ohne sich zugleich in die unangenehme Situation zu bringen, auf dem
heiklen Gebiet der Rahmenbedingungen wissenschaftlicher
Literaturversorgung gegen die Praktiken eines wichtigen Mitgliedsstaats
vorzugehen. Indes ist es aus folgenden Gründen fraglich, ob diese Taktik
tatsächlich aufgeht:
*       Das Landgericht München hat in seinem Urteil vom 15. Dezember
den § 53 Abs. 1 UrhG bereits in eben der Weise ausgelegt, die die
Kommission jetzt als richtlinienwidrig einstuft. Die Äußerung der
Kommission hat für die deutschen Gerichte keine bindende Wirkung. Sie
führt also nicht automatisch dazu, dass die landgerichtliche
Entscheidung aufgehoben und der laufende Prozess nun von den
Folgeinstanzen zugunsten von Börsenverein und Verlagen entschieden
werden muss. Allenfalls erhöht sie die Bereitschaft der Berufungsinstanz
(Oberlandesgericht München), den Fall dem Europäischen Gerichtshof
vorzulegen. Zu einer schnellen rechtlichen Klärung führt das Schreiben
jedenfalls nicht. 
*       Es ist abzuwarten, wie der Gesetzgeber auf das Brüsseler
Schreiben reagiert. In der derzeitigen Fassung des Referentenentwurfs (§
53a UrhGE) hat das BMJ noch vorgesehen, den Bibliotheken den
Dokumentversand per Fax zu gestatten. Dies ist mit dem Standpunkt der
Kommission unvereinbar. Zugleich setzt die oben bereits erwähnte
?Bildungsmafia? das Ministerium massiv unter Druck, in § 53a UrhGE auch
die eMail-Versendung geschützter Werke zu gestatten. Der Gesetzgeber ist
ebenfalls nicht an das im Schreiben der Kommission ausgedrückte
Verständnis der Vorgaben der Richtlinie gebunden. Obwohl die Brüsseler
Haltung durchaus ein gewisses Präjudiz schafft, ist mit ihr ein
vernünftiger Rechtsrahmen für das Kerngeschäft der Wissenschaftsverlage
noch keinesfalls gesichert. 
*       Überhaupt nicht angesprochen wird in dem kurzen Schreiben der
Kommission, dass die Beschwerde gegen die Bundesrepublik Deutschland
auch gegen den umstrittenen § 52a UrhG gerichtet war. Eine Äußerung der
Brüsseler Beamten zu diesem Punkt begehren Börsenverein und Verlage aber
weiterhin. Zudem besteht die Option, die Beschwerde jetzt noch
hinsichtlich der Neufassung von § 52b UrhGE zu erweitern. 
*       Durchaus pikant wird es, wenn man den Brüsseler Rechtsstandpunkt
zur Auslegung der Privatkopieschranke des § 53 Abs. 1 UrhG nicht auf den
Dokumentversand von Bibliotheken anwendet, sondern verallgemeinert. Dann
könnte man nämlich auf den Gedanken kommen, dass die derzeitige
Gestattung der privaten Vervielfältigung von Tonträgern oder Filmen auf
?beliebige Träger? richtlinienwidrig ist. In ihrem Bemühen, das Fass
?digitaler Dokumentversand? geräuschlos zu schließen, macht die
Kommission mit ihrem Schreiben also womöglich ein viel größeres Fass
auf. 
In jedem Fall darf man gespannt erwarten, wie sich die
Auseinandersetzung um Subito weiter entwickelt. Dass sie mit dem
jetzigen Schreiben der EU-Kommission abgeschlossen ist, erscheint wenig
wahrscheinlich.
 
 


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