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Re: [InetBib] Mehr Open Access in DigiZeitschriften!



On Fri, 11 Aug 2006 21:27:00 +0000 (GMT)
 bernd-christoph.kaemper@xxxxxxxxxxxxxxxxxxx wrote:
Lieber Herr Graf, 

ich unterstelle den am Verein DigiZeitschriften
beteiligten Bibliotheken
zunächst einmal die besten Absichten. Ich denke, die
meisten Ihrer Forderungen
sind in der Tat moderat und nicht unangemessen, und es
dürfte eher der
technische und organisatorische Aufwand sein, welcher der
Umsetzung bspw. Ihrer
Forderung nach allgemein freier Zugänglichmachung
gemeinfreier Beiträge
individueller Autoren bislang entgegensteht (das
Versenden einzelner solcher
offensichtlich gemeinfreier Beiträge auf Anforderung
eines Bestellers durch
lizenznehmende Bibliotheken halte ich wie Sie für
unproblematisch). Wenn ein
praktikables Verfahren gefunden wären könnte, zumindest
auf Anforderung hin
solche Beiträge allgemein open access zu machen, wäre das
sicherlich begrüßenswert. 

Meine erste Forderung lautete: Alle Beitraege vor 1900
sollten freigegeben werden. Sie stimmen mir sicher zu, dass
die Erfuellung dieser Forderung einfach zu bewerkstelligen
waere und wohl ueberwiegend gemeinfreie Werke betraefe. Bei
der zweiten Forderung ging es um den freien Zugang zu
nachweislich gemeinfreien Werken. Hier denke ich nicht im
mindesten daran, den Betreibern von DigiZeitschriften
zuzumuten, diesen Nachweis zu fuehren. Sicher sind viele
Faelle nicht so einfach gelagert wie von Below, aber
Freundinnen und Freunde freier Inhalte könnten versuchen,
peu a peu Autoren zu ermitteln, deren Aufsaetze gemeinfrei
sind. DigiZeitschriften haette nur eine
Missbrauchskontrolle durchzufuehren und koennte bei
vorliegender Glaubhaftmachung die Beitraege freigeben.

Ich habe im uebrigen nicht den Eindruck, dass die
Bibliotheken bei DigiZeitschriften remote access fuer
eingetragene Benutzer oder die Nutzung zu Fernleihzwecken
ohne weiteres erreichen koennten. Das letztere Problem ist
doch bereits in der bibliothekarischen Fachliteratur
angesprochen worden, ohne dass sich irgend etwas geaendert
haette. Hier haben die Mitgliedsbibliotheken nichts zu
sagen, weil die Verlage als angebliche Rechteinhaber (und
der Boersenverein) bestimmen.

Jeder Urheberrechtler weiss aber, dass die Digitalisierung
von DigiZeitschriften rechtlich auf Sand gebaut ist, weil
hinsichtlich der von 1966 bis ca. 1995 erschienenen
Aufsaetze die Rechte wohl ganz ueberwiegend bei den Autoren
liegen (Stichwort: unbekannte Nutzungsart, § 31 IV UrhG)
und auch fuer die Aufsaetze vor 1995 (und die nach 1995)
gilt die Zweckuebertragungslehre. Daher haben
Wissenschaftler, die freundlich um Verschiebung ihres
Beitrags in die OA-Sektion bitten, eine juristisch sehr
gute Position. Es muss ja nicht jeder von DigiZeitschriften
eine Unterlassungserklaerung erstreiten (was ich
erfolgreich getan habe).

Mitgliedsbibliotheken und Verlage machen ein Geschaeft auf
Kosten Dritter: der Autoren (und Erben), die nicht gefragt
werden, ob sie damit einverstanden sind, dass ihr geistiges
Eigentum gegen hohe Kosten vermarktet werden.

Auch bei den gemeinfreien Uralt-Zeitschriften ("Caecilia ,
1824 - 1847, Rechteinhaber: Schott") wird von
DigiZeitschriften ein fiktiver Rechteinhaber angegeben, was
lupenreiner Copyfraud ist. Oder auf Deutsch:
Urheberrechtsbetrug. Verlagsrechte erloeschen mit dem
Urheberrecht, auch Reprints koennen nicht verhindert
werden.

Die Misstaende sind bekannt. Die deutschen Bibliotheken
haben Zeit genug gehabt, mit DigiZeitschriften im Interesse
der Wissenschaft und ihrer Benutzer hinter den Kulissen
einen vernuenftigen Dialog zu fuehren. Sie haben auf ganzer
Linie versagt.

Klaus Graf   



Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.