[Date Prev][Date Next][Thread Prev][Thread Next][Date Index][Thread Index]

Re: [InetBib] Eichstaett - ein GAU fuer das Bibliothekswesen



Ich befürchte auch, dass der tägliche Verlust an digitalen Publikationen
größer ist, als der beispielsweise in Eichstätt, weil die Bibliotheken
deren Bedeutung schon zu lange vernachlässigt haben und teilweise noch
immer nicht ernst nehmen.

Genau genommen wird unsere Nachwelt über unsere Zeit an vielen Stellen
weniger wissen, als über frühere Jahrhunderte, wenn man bedenkt,
was unsere Bibliotheken nachhaltig speichern, und dass schätzungsweise
90 % aller Wissenschaftler und ~50 % aller Menschen, die je gelebt haben,
unsere Zeitgenossen sind.

Das ist zwar sicher keine Entschuldigung dafür, falls es in Eichstätt
zu fahrlässiger Ausscheidung gekommen sein sollte (da brauchen wir aber
sicher erst genauere Erkenntnisse). Was aber täglich an digitalen
Publikationen
verschwindet, die eigentlich dringend digital archiviert werden müssten,
ist rasch zu untersuchen, und nicht erst abzuwarten.

Was Google allerdings mit seinem sog. Cache macht, ist ja bezüglich einer
Archivierung und seiner umstrittenen Wayback Machine fraglich.
Sollten wir dankbar sein, dass hier eine "Digitale Bibliothek" archiviert,
oder aus copyright Gründen die Rechtslage kritisieren?

Einen gewissen Zweifel an der anscheinend absurden Makulierung von wichtigem
Bibliotheksmaterial in Eichstätt habe ich im Moment noch, da es sicher
lukrativer gewesen wäre damit Geld zu verdienen, als in die
"Konfetti"-Produktion
zu gehen, wenn es wirklich wichtige Publikationen waren.

Siehe dazu auch:
http://archiv.twoday.net/stories/3143469/
http://www.donaukurier.de/news/eichstaett/art575,1574902.html?fCMS=0f1c80163
f961b3a124f91e72e81cd3d


MfG

W. Umstätter




-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: inetbib-bounces@xxxxxxxxxxxxxxxxxx
[mailto:inetbib-bounces@xxxxxxxxxxxxxxxxxx]Im Auftrag von Jakob Voss
Gesendet: Montag, 19. Februar 2007 10:44
An: Internet in Bibliotheken
Betreff: Re: [InetBib] Eichstaett - ein GAU fuer das Bibliothekswesen


Klaus Graf schrieb:

Auch wenn von den 80 Tonnen entsorgter Kapuzinerbuecher die
Haelfte wertloser theologisch-katholischer "Schrott" seit
dem Ende des 19. Jahrhunderts waeren, so scheint mir die
Vernichtung der aelteren Baende der groesste mir bekannte
Kulturgutverlust in Deutschland seit 1945.

Ich wäre mit solchen Superlativen und Vergleichen eher vorsichtig.

Zumindest vom subjektiven Standpunkt aus habe ich allerdings den
Eindruck, dass über die Angelegenheit in mehreren Medien berichtet
wurde, so dass ich mich gut vorstellen kann, dass sich bei dem einen
oder der Anderen die Assoziation "Bibliothek--Buchverlust" etabliert
(Anna Amalia ist ja vielleicht noch im Gedächtnis) - auf die
tatsächlichen Hintergründe und Details kommt es bei solchen
Assoziationen ja gar nicht an.

Bei der Gelegenheit möchte ich darauf hinweisen, dass der Begriff
"Deakzession" in der deutschsprachigen Wikipedia noch der Bearbeitung
durch eine kompetente Fachfrau oder Fachmann harrt:

http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Deakzession&action=edit
vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Erwerbung

Es ist ja nicht so, dass die Aussonderung von Büchern etwas
Unnatürliches oder Verwerfliches an sich ist. Eine emotionale Bindung an
die "schönen alten Bücher" mag für eine rationale und ausgewogene
Betrachtung auch nicht unbedingt förderlich sein. Die Rahmenbedingungen,
die eine Deakzession notwendig und sinnvoll machen, werden viel zu wenig
kommuniziert.

Mir blutet es übrigens eher das Herz wenn ich daran denke, wie viele
digitale Veröffentlichungen dem Digitalen Vergessen anheim fallen, weil
die Werkzeuge zur Sammlung und Archivierung nicht ausgereift genug sind
und/oder zu wenig benutzt werden - um die paar alten Schinken auf toten
Bäumen ist es doch nicht so schade, solange noch Digitalisate und
Einzelexemplare vorhanden sind, und sei es bei privaten Sammlern. Das
ist natürlich "POV" wie der Wikipedianer sagen sollte, also einseitig
subjektive Meinung ;-)

Schöne Grüße,
Jakob Voß



Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.