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Re: [InetBib] Warum gelingt keine ernsthafte Konkurrenz zu Google



Lieber Herr Sander-Beuermann,

Dann zu erwarten, dass dieses Forschungsprojekten wie
forschungsportal.net mit 2 wissenschaftlichen Mitarbeitern
nur rein hypothetisch. Könnten Sie da wirklich den Kern des Kernes getroffen haben?

Ich weiss, dass das folgende primär der sogenannten europäischen "Forschungsförderung" anzulasten ist. Das dort nachdrücklich vetrtetene Prinzip, das "Forschung" definiert, sickert m.E. in den letzten Jahren aber mehr und mehr auch in die Bundesrepublik - und ganz besonders in die im weitesten Sinne bibliothekarischen Entwicklungen ein.

Darum: Es gibt eine in einschlägigen Kreisen weit verbreitete Meinung, "wenn es funktioniert, kann es gar nicht Forschung sein".

Deswegen schreiben zwei amerikanische Studenten eine Masterarbeit, ignorieren dabei großzügig sämtliche Sackgassen, die die Information Retrieval Branche in den letzten dreißig Jahren ausgelotet hat, basteln einen cleveren Algorithmus, der extrem einfach ist, allerdings - horribilissime dictu! - praktische Kenntnisse im Softwareengineering erfordert, und siehe da ...

Den EU Projektantrag sehe ich schon vor mir:

(1) "Wir erfinden das Rad nicht neu".
20 Personenjahre zur Dokumentation sämtlicher nicht funktionierender Suchmaschinen.

(2) "Einhaltung internationaler Standards."
20 Personenjahre zur Definition eines europäischen Standards für Suchmaschinen, unter Berücksichtigung aller bereits existierenden Stamdards. 14 von den 20 Personenjahren sind frei von jeder Kenntnis des Softwareengineering, haben aber schon viele Standards gelesen. 5 von den Personenjahren wissen nicht wirklich, was Suchmaschinen sind, müssen aus Gründen des Länderproporzes aber eingebunden werden.

... OK, ich sehe ein, dass ich mir da einen Frust von der Seele zu schreiben beginne, der hier nicht hingehört (und wir wissen natürlich, dass keinerlei Ähnlichkeit mit deutschen Projekten oder deren Förderung gegeben ist)!

Aber, ernsthaft: Google hat JETZT 10.000 Mitarbeiter. Am Anfang war es "lean and mean" und bestand aus einer extrem kleinen Gruppe von Leuten, die dieses Projekt realisieren wollten, weil sie sich ernsthaft und auf einer persönlichen Ebene damit identifiziert haben.

Solche kleinen Teams, die selbstbewusst genug sind um nicht 90 % der Projektzeit damit zu verbringen, papierlastige Case Studies gegen nachweisbare Formalfehler abzusichern, sondern ihre eigenen Ideen durchzudrücken versuchen (und das technisch auch KÖNNEN! - "können" heisst übrigens nicht, ein Pflichtenheft zu schreiben und dann einen Auftrag an einen externen Techniker administrativ richtig abzuzeichnen), brauchen wir.

Zwei Entschuldigungen:

(1)
Ich entschuldige mich ausdrücklich für jede Kränkung, die ich den Mitarbeitern von forschungsportal.net damit zugefügt haben könnte. Ich kenne die internen Strukturen dieses Projekt nicht. Meime Äußerungen beziehen sich in keiner Weise darauf.

Sie beziehen sich allerdings auf die m.E. völlig falsche Tendenz in Europa und Deutschland, zu glauben, dass man bei Projekten ähnlicher Durschlagskraft wie Google Erfolge damit erzielen kann, dass man möglichst große und demzufolge unweigerlich bürokratische Projekte anlegt, in denen Techniker hoffnungslos unterrepräsentiert sind. Die These

2 wissenschaftlichen Mitarbeitern gegenueber
10.000 von Google

eben.

(2)
Zu meinem Bedauern kann ich auf Repliken eine Woche lang nicht reagieren.
Die nächste Woche bin auf Reisen, um über europäische Standards, Use Cases und Best Practises zu diskutieren.
(Sollte die ungewöhnlich schlechte Sonntagabendlaune ...)

Einen guten Wochenbeginn,
Manfred Thaller




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