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Re: [InetBib] Nutzungsrechte an Diplom-, Master- und Bachelor-Arbeiten



Hallo Herr Steinhauer,

vorausgeschickt sei: Ihre Mail ist sehr lesenswert (wie alle von Ihnen)
Eine Frage zu Absatz 2: Wie sollte/könnte das UrhG dazu geändert werden?


Die Frage daher, da das UrhG doch regelt wie die Rechte von Urhebern
aussehen und so weiter (alles schon komplex genug). Aber soweit ich
das übersehe, steht da nirgendwo etwas, das jemand publizieren muss.
<smile-mode-ON: ...nicht mal wenn klaus das "ums verrecken gerne" hätte <off>
Falls doch bitte den/die § § einfach nennen.


Er/Sie kann es tun. s.a.

"
Nach dem Urheber- und Verlagsrechtrechtsgesetz (UrhG) erwirbt der
Verfasser einer Diplomarbeit, Magisterarbeit, Staatsexamensarbeit,
Dissertation oder anderen Hochschulstudie nämlich mit Anfertigung
seiner Arbeit das alleinige Urheberrecht im Sinne des geistigen
Eigentums und grundsätzlich auch die hieraus resultierenden
Nutzungsrechte: Veröffentlichung (§ 12 UrhG), Verbreitung (§ 17 UrhG),
Vervielfältigung (§ 16 UrhG)und öffentliche Zugänglichmachung, z. B.
im Internet (§19a UrhG) sowie nichtkommerzielle oder kommerzielle
Verwertung.
"
via lotse...


& auch hier steht lesenswertes:
http://bibliotheksrecht.blog.de/?s=publikationspflicht
http://www.ub.uni-dortmund.de/listen/inetbib/msg27617.html


MfG, Karl Dietz
Dipl.-Dok. (FH), ...
www.karldietz.de

+ bib-job in mettmann und siegen und ...
+ etliche museums-jobs. ebd.
.. Details im AKI-wiki


On 7/22/08, Eric Steinhauer <eric.steinhauer@xxxxxxxxx> wrote:
Liebe Liste, lieber Herr Graf, lieber Herr Kuhlen,

dass ich SEHR dafür bin, dass gute studentische Abschlussarbeiten publiziert
werden, möchte ich hier vorausschicken. Ich glaube aber nicht, dass es
möglich ist, die Publikation studentischer Abschlussarbeiten rechtlich
vorzuschreiben.

Hierzu gäbe es drei Möglichkeiten, nämlich die Bestimmung der
Publikationspflicht in einer Satzung der Hochschule (Prüfungsordnung), im
Hochschulgesetz des jeweiligen Bundeslandes oder im Urheberrechtsgesetz.

Bevor ich auf diese drei Möglichkeiten eingehe, zunächst ein Wort zur
Publikationspflicht bei Dissertationen. Dies deshalb, weil gerade die
Publikationspflicht bei Dissertationen in der aktuellen Diskussion als
vergleichbarer Sachverhalt genommen wird.

Dissertationen sind mit studentischen Abschlussarbeiten aber nicht
vergleichbar.

Dissertationen sind selbständige wissenschaftliche Arbeiten, die einen
Erkenntnisfortschritt in der Wissenschaft darstellen. Da Wissenschaft aber
ein notwendigerweise auf Kritik und Kommunikation aufgebautes System ist,
kann ein wissenschaftlicher Erkenntnisfortschritt nur dann ein
wissenschaftlicher sein, wenn er sich der Fachkommunikation stellt, mithin
publiziert wird.

Die Publikation ist hier dem Merkmal „wissenschaftlich" eigetümlich. Wer
nicht publiziert, hat eben keine wissenschaftliche Leistung vollbracht,
jedenfalls keine, die mit einem akaddemischen Titel, einem öffentlichen
Ausweis geleisteter wissenschaftlicher Arbeit honoriert zu werden verdient.

Daher geht das Prüfungsrecht davon aus, dass die Publikation der
Dissertation Teil der Prüfungsleistung ist. Das Prüfungsrecht kann auch
bestimmen, wie die Publikation für die jeweilige wissenschaftliche Community
angemessen zu erfolgen hat.

Dies wäre etwa die Grundlage, in bestimmten Fachkulturen schon heute eine
elektronische Publikation zwingend vorzuschreiben. Die Veröffentlichung auf
Mikroform, ein Relikt des ausgehenden analogen Bibliothekszeitalters, dürfte
meines Erachtens schon heute nicht mehr dem prüfungsrechtlichen Standard
entsprechen und gehört abgeschafft.

Die Pflicht zur Publikation der Dissertation besteht freilich nur mit Blick
auf das Ziel der Promotion. Sie ist KEINE urheberrechtliche Pflicht. Der
Doktorand wird durch die prüfungsrechtliche Publikationspflicht in seinem
Urheberrecht überhaupt nicht eingeschränkt.

Niemand kann ihn zwingen, seine Arbeit zu publizieren, weil nur er allein
Inhaber der Veröffentlichungsrechte ist. Publiziert er seine Arbeit nicht,
so wird er allein prüfungsrechtlich sanktioniert. Er bekommt eben keinen
Titel. Das ist wie beim Sportabzeichen: Niemand kann mich zwingen, in einer
bestimmten Zeit um den Sportplatz zu rennen. Nur, wenn ich das nicht tue,
bekomme ich eben kein Sportabzeichen.

Daraus wird deutlich, dass ich für die schlichte Publikation der
Dissertation keine gesetzliche Grundlage außerhalb des Prüfungsrechts
brauche. Eine andere Frage ist die Zahl abzuliefernder Werkstücke bei
gedruckten Arbeiten. Hier liegt ein Eingriff in das Eigentum vor, der
juristisch andes zu qualifizieren ist, inbesondere verhältnismäßig sein
muss. Ich lasse das Thema mal beiseite, obwohl hier einiges im argen liegt.
Für die elektronische Publikation ist es gleichgültig.

Kommen wir zur studentischen Abschlussarbeit. Diese ist von ihrem Anspruch
her keine eigenständige wissenschaftliche Leistung, sondern lediglich der
Ausweis, dass wissenschaftliche Methoden lege artis auf eine vorgegeben
Fragestellung angewendet werden können.

Ich zitiere hier § 2 des Allgemeinen Diplomprüfungsordnung der TU Ilmenau:

"Zweck der Diplomprüfung
Die Diplomprüfung bildet den berufsqualifizierenden Abschluss des
Diplomstudienganges, der insbesondere auf eine wissenschaftliche
Qualifizierung ausgerichtet ist. Durch sie wird festgestellt, ob der
Kandidat die Zusammenhänge des mit seinem Studiengang gewählten Fachgebietes
überblickt und die Fähigkeit besitzt, wissenschaftliche Methoden und
Erkennt-nisse anzuwenden sowie die für den Übergang in die Berufspraxis
notwendigen gründlichen Fachkenntnisse erworben hat."

Ist dieser Nachweis als schriftliche Leistung erbracht und von den
prüfungsrechtlich vorgesehenen Personen positiv begutachtet worden, sind die
Anforderungen der Prüfungsordnung erfüllt. Die Publikation dieser Arbeit
ist, da sie eben keinen wissenschaftlichen Beitrag darstellen muss, kein
Teil der Prüfungsleistung.

Von daher kann sie auch nicht Gegenstand des Prüfungsrechts sein. Schon gar
nicht darf die Graduierung von der Erfüllung einer Publikationspflicht
abhängig gemacht werden. Wäre dies anders, so wären technische
Diplomarbeiten, die aus Indusrieprojekten erwachsen, schlicht unzulässig,
weil diese Arbeiten aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung zwischen
Diplomand und Firma gar nicht veröffentlicht werden dürfen. Gleichwohl ist
es gängige Praxis, dass gerade an technischen Hochschulen derartige
Diplomarbeiten geschrieben werden und die prüfungsrechtlichen Anforderungen
fraglos erfüllen.

Wenn nun die Publikation als Mitteilung an die wissenschaftliche
Öffentlichkeit nicht Bestandteil der Prüfungsleistung ist, sondern als
weitere Pflicht hinzutritt, wäre im Unterscheid zur Promotion tatsächlich
ein Eingriff in das Veröffentlichungsrecht gegeben, denn dem Studenten wird
eine Handlung abgenötigt, die von der Sache her mit dem Prüfungsverfahren
nichts zu tun hat.

Vollkommen neben der Sache wäre eine Verknüpfung von Graduierung und
Publikation. Dadurch würde der hochschulrechtliche Unterscheid zur
Doktorprüfung verletzt. Eine andere Möglichkeit wäre, im Wege der
Prüfungsordnung ein Nutzungsrecht auf die Hochschule übergehen zu lassen.
Das aber wäre ein Eingriff in das Urheberrecht, der nur im
Urheberrechtsgesetz selbst vorgenommen werden könnte. Aus
verfassungsrechtlichen Gründen wäre hier aber eine
Verhältnismäßigkeitsprüfung vorzunehmen.

Ich habe große Zweifel, hier einen gesetzlich vorgeschriebenen Übergang von
Nutzungsrechten an die Hochschule für zulässig zu halten. Wenn es schon bei
den viel stärker auf Publikation hin angelegten Dissertationen kein
urheberrechtliches Nutzungsrecht der Hochschule an der Arbeit gibt, dann
kann ich nicht erkennen, wo das öffentliche Interesse liegen sollte, bei
studentischen Abschlussarbeiten anders zu verfahren.

Lange Rede, kurzer Sinn: Weil studentische Abschlussarbeiten eben keine
eigenständigen wissenschaftlichen Leistungen sein müssen, sondern allein die
handwerksmäßige Beherrschung wissenschaftlich-methodischen Arbeitens
belegen, sind sie nicht auf Publikation in der wissenschaftlichen
Öffentlichkeit angelegt. Hierin unterscheiden sie sich grundlegend von
Dissertationen.

Es gibt daher keine prüfungs- oder hochschulrechtliche Möglichkeit, die
Publikation von Abschlussarbeiten rechtlich zu erzwingen. Ein solcher Zwang
wäre allenfalls als urheberrechtlicher denkbar. Hier aber dürfte es kein das
Urheberrecht der Autoren überwiegendes öffentliches Interesse an einer
Publikation studentischer Abschlussarbeiten geben.

Die Publikation der wirklich guten Arbeiten kann man rechtlich also nicht
erzwingen. Man sollte aber an der Hochschule eine Publikationsmöglichkeit
gerade für diese Arbeiten eröffnen. Qualität muss nicht in der Schublade
verstauben oder in der grauen Masse der hinkenden Privatdrucke von
Diplomarbeitsverlagen untergehen.

Eric Steinhauer





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