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Re: [InetBib] Nutzungsrechte an Diplom-, Master- und Bachelor-Arbeiten



Lieber Herr Graf, lieber Herr Dietz, liebe Liste,

für die ?verschraubten? Gedankengänge kann ich nichts, das ist bei Juristen 
systembedingt. Ich bitte um Nachsicht.

Dennoch bleibe ich dabei, dass es zwischen Doktordissertationen und 
studentischen Abschlussarbeiten den einen, prüfungsrechtlich bedeutenden 
Unterschied gibt, dass die Prüfungsarbeiten in rechtlicher Sicht keine 
wissenschaftlichen Arbeiten sein müssen. Ich sage ?sein müssen?. Das heißt, sie 
können selbstverständlich von ihrer Anlage her eine wissenschaftlich relevante 
Arbeit darstellen. 

In diesem Fall sollten diese Arbeiten auch publiziert werden, denn nur so 
können sie im Kommunikationssystem Wissenschaft überhaupt wahrgenommen werden. 

Da diese Wissenschaftlichkeit aber eine prüfungsrechtlich irrelevante 
?Draufgabe? darstellt, kann die Publikation dieser Arbeiten im Gegensatz zu den 
Doktordissertationen nicht Gegenstand des Prüfungsrechts sein und dort auch 
nicht gefordert werden.

Eine Publikationspflicht beurteilt sich hier einzig und allein nach dem 
Urheberrecht. Da, wie Herr Dietz richtig anmerkt, dem Urheberrechtsgesetz eine 
gesetzliche Publikationspflicht fremd ist, wäre hier nur der Weg einer 
Nutzungsrechtsübertragung auf die Hochschule zu beschreiten. Entsprechende 
Nutzungsrechte könnten ähnlich wie beim beschäftigten Urheber nach § 43 UrhG 
eingeräumt werden. 

Da sich aus der Hochschulmitgliedschaft als Studierender wohl keine 
Rechtsgrundlage für eine Nutzungsrechtsübertragung herleiten lässt, wäre in 
einem gesonderten Absatz eine entsprechende Pflicht im UrhG zu begründen. Eine 
Regelung im Hochschulgesetz reicht nicht, da dies Landesrecht ist und als 
solches keine Änderung des Bundesrechts bewirken kann. Die freie Entscheidung, 
ein Werk zu publizieren, wird eben in § 12 Abs. 1 UrhG bundesrechtlich 
gewährleistet.

Der von Herrn Graf angesprochene und vollkommen zugegebene Umstand, dass 
studentische Abschlussarbeiten mitunter hohen wissenschaftlichen Ansprüchen 
genügen, ist für mich kein Anlass, über eine Änderung des Prüfungsrechts 
nachzudenken und die Publikation der studentischen Arbeit als Prüfungsleistung 
zu normieren mit der Konsequenz, dass ohne Publikation keine Graduierung 
erfolgt. 

Die breite Masse der Prüfungsarbeiten sind eben nicht mehr als 
berufsqualifizierende Prüfungspapiere. Dass sie genau dies sein dürfen und 
damit ihrem Zweck voll gerecht werden, ist opinio communis im Hochschulrecht, 
vgl. Karpen, in: Hailbronner/Geis, HRG, § 18, Rn. 14 [Stand: 11. Erg.-Lfg. 
Oktober 1992].

Ich finde die Frage nach der Publikations?pflicht? von Abschlussarbeiten falsch 
gestellt. Warum dieses ?alles oder nichts?? Erst kümmern sich die Hochschulen 
gar nicht um ihre studentischen Abschlussarbeiten, dann sollen gleich alle 
Arbeiten der Welt zur Verfügung gestellt werden. 

Ich plädiere für den Mittelweg. Das Angebot einer durchdachten 
Publikationsinfrastruktur (hybrides Publizieren etc.) für die guten Arbeiten 
reicht eigentlich aus, um die lohnenswerten Werke in das wissenschaftliche 
Gespräch zu heben. Aber auch dies sollte der Entscheidung der Absolventen 
überlassen sein. Gerade in den Geisteswissenschaften ist es nicht unüblich, 
dass Abschlussarbeiten zu Dissertationen ausgebaut werden. Warum sollte man 
diesen, auch zeitökonomisch sinnvollen Weg durch Publikationspflichten stören?

Ein Wort zu Österreich. Hier bin ich kein Fachmann. Im einschlägigen 
Wikipedia-Artikel habe ich aber dies gefunden: 

§ 86 Abs. 1. UG (Universitätsgesetz) 2002: "Die Absolventin oder der Absolvent 
hat die positiv beurteilte Diplom- oder Masterarbeit, Dissertation oder 
künstlerische Diplom- oder Masterarbeit oder die Dokumentation der 
künstlerischen Diplom- oder Masterarbeit durch Übergabe an die Bibliothek der 
Universität, an welcher der akademische Grad verliehen wird, zu 
veröffentlichen. ..."

Ist das für eine 2002(!) ergangene Regelung nicht merkwürdig antiquiert: 
Übergabe eines Werkstückes (was sonst soll ?Übergabe? sein) an die Bibliothek? 
Die hier geforderte Publikation auf unikalem Handschriftenniveau spricht 
eigentlich für meine These, dass Abschlussarbeiten nicht in der vollen Breite 
zu publizieren sind. Soweit ich sehe, sind BA-Arbeiten selbst in Österreich 
nicht ablieferungspflichtig.

Eric Steinhauer





Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.