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Re: [InetBib] mandate deposit



Wer sich fuer Open Access einsetzt, sollte sich von Harnads
Orthodoxie frei machen und vor allem seine ewig gleiche und
autoritaere Leier ignorieren. Harnad ist einer der
wichtigsten Maenner von OA, aber nicht wirklich
mehrheitsfaehig in der OA-Community.

Ich habe schon oft zu den von Herrn Kuhlen angesprochenen
Themen oeffentlich Stellung genommen (auch in Harnads
AMSCI-Mailingliste) und wuerde mir wuenschen, dass die von
mir vorgebrachten Argumente nicht ignoriert wuerden.

Falschaussage Nr. 1: "Das Fuellen der Repositorien
funktioniert nur mit Mandaten."

Das Angebot "Cream of Science" in den Niederlanden, das auf
freiwilliger Basis die Veroeffentlichungen der wichtigsten
Hochschullehrer zu grossen Teilen OA zugaenglich machte,
ist ein penetrant ignorierter Gegenbeweis.

Falschaussage Nr. 2: "Mandate sind ueberall moeglich"

Solange Hochschullehrer der Rechtswissenschaften das
deutsche Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit einer
Monstranz gleich vor sich her tragen, ist es schwierig, an
eine verpflichtende Abgabe der Uni-Wissenschaftler fuer das
Repositorium zu denken. Allerdings habe ich den Textentwurf
einer Hochschulsatzung vorgeschlagen unter

http://archiv.twoday.net/stories/4704017/

Falschaussage Nr. 3: "Die von Harnad propagierte sofortige
Einstellung eines Beitrags auf dem Repositorium ist
ueberall moeglich"

Harnads Patentrezept ist: Sofortiges Hochladen ohne
allgemeine Zugriffsmoeglichkeit; sobald das Embargo
abgelaufen ist, wird der Beitrag freigegeben. In der
Zwischenzeit soll der Request-Copy-Button die
Einzelanforderung ermoeglichen.

Ich habe gezeigt, dass bereits die Einstellung eines
Beitrags ohne Zugriffsmoeglichkeit nach deutschem
Urheberrecht illegal ist:

http://archiv.twoday.net/stories/5193609/

Hat der Verlag die ausschliesslichen Nutzungsrechte,
verstoesst das Einstellen einer Vervielfaeltigung gegen §
53 UrhG. Hat er sie nicht, kann der Beitrag sofort
freigegeben werden.

Falschaussage Nr. 4: "Der Request-Copy-Button"
funktioniert.

Es gibt nur wenige Repositorien, die diesen Button
erproben. Ich selbst habe einige Tests durchgefuehrt und
versucht, Eprints damit anzufordern:

http://archiv.twoday.net/stories/5193609/
http://archiv.twoday.net/stories/5247312/

Ergaenzend: U of Tasmania, 6 Eprints angefordert, 2
erhalten.

Fazit: Die meisten Wissenschaftler geben auf diesem Weg
Fremden keine Eprints ab. Der Button funktioniert als
Patentrezept nicht.

Ausserdem denke ich gezeigt zu haben, dass der Button nach
deutschem Recht ueberhaupt nicht legal ist:

http://archiv.twoday.net/stories/5193609/

Falschaussage Nr. 4: "Es ist alles eine Frage der
Embargo-Frist"

Aus statistischer Sicht mag es weltweit vertretbar zu sein,
bei der Zeitschriftenliteratur davon auszugehen, dass die
meisten Artikel einem Embargo von 6 Monaten bis 2 Jahren
unterliegen.

Die Einstellung ohne Zugriffsmoeglichkeit (closed access)
funktioniert aber nur dann, wenn absehbar ist, dass der
Beitrag mittelfristig verfuegbar ist. Verkannt wird, dass
je nach Disziplin und Land der Anteil der Verlage recht
hoch sein kann, die prinzipiell keine OA-Zugaenglichkeit
wuenschen. Viele deutsche Verlage setzen auf
Einzelfallentscheidungen ja/nein. Bei einem Nein werden
sich wenige Wissenschaftler nach einigen Jahren nochmals an
den Verlag wenden, ob der inzwischen seine Position
geaendert hat.

Ein allgemeines Archivprinzip, das auch auf E-Printarchive
anwendbar ist, lautet: Es ist nicht sinnvoll, Unterlagen
aufzunehmen, die dauerhaft nicht benutzbar sind. 

Falschaussage Nr. 5: "Primaeres Ziel der OA-Bewegung ist
es, die weltweite Zeitschriftenproduktion kostenfrei
zugaenglich zu machen"

Alles, wovon Harnad denkt, dass es diesem Ziel und den von
ihm propagierten Patentrezepten nicht dienlich ist, wird
von ihm als Ablenkung diskredietiert, z.B. die Forderung
nach einem wissenschaftsfreundlicheren Urheberrecht.

Dass OA sich im Kern auf ein breiteres Korpus bezieht,
vertrete ich unter

http://archiv.twoday.net/stories/5251764/

Meine Definition lautet:

"Open Access im weiteren Sinn meint den kostenlosen (gratis
Open Access) und mit Nachnutzungsmöglichkeiten (libre Open
Access) versehenen Zugang zu Materialien via Internet, die
geeignet sind, die wissenschaftliche Forschung und die
Bildungsbestrebungen der Bürgerinnen und Bürger weltweit zu
fördern: wissenschaftliche Fachliteratur in Form von
Aufsätzen und Büchern, Primärdaten aus Forschung und
öffentlicher Verwaltung, Digitalisate von Kulturgut,
Wissenssammlungen freier Projekte, Medien für die Lehre
(Open Educational Resources)."

Daher ist es wichtig und richtig, fuer eine Aenderung des
Urheberrechts sich einzusetzen.

Klaus Graf


 
  



Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.