[Date Prev][Date Next][Thread Prev][Thread Next][Date Index][Thread Index]

[InetBib] Nebelkerzen



Lieber Herr Müller, liebe Liste,

besten Dank für die Übermittlung des Ulmer-Briefes. Mit Klagen gegen die 
Bibliotheken war im Grunde zu rechnen. Ich finde es einen erstaunlichen Coup, 
die Digitalisierungskompetenz in § 52b UrhG im Gesetzgebungsverfahren einfach 
zu "vergessen", die der Gesetzgeber bei § 52a UrhG ja ausdrücklich vorgesehen 
hat.

Stattdessen werden im Nebelkerzen gezündet und eine unsägliche Debatte um die 
Bestandsakzessoriertät geführt. Diese Debatte freilich macht nur Sinn, wenn im 
Rahmen von § 52b UrhG überhaupt lieferbare Bücher vollständig digitalisiert 
werden können. Wegen der fehlenden Digitalisierungskompetenz aber scheint das 
durchaus fraglich, jedenfalls prozessträchtig. 

Ich will hier gar nicht auf die juristischen Details eingehen, nur soviel: Eine 
vollständige Digitalisierung ganzer Bücher ist nach § 53 Abs. 4 UrhG nur bei 
vergriffenen Werken oder zur Aufnahme in ein eigenes Archiv zulässig. Ob § 52b 
UrhG die Archivschranke tatsächlich für die öffentliche Zugänglichmachung 
geöffnet hat, ist ein wunderbares Rechtsproblem und eignet sich hervorragend 
für eine Reise zum BGH. 

Recht, das unklar ist und Prozessrisiken in sich brigt, ist nicht 
anwendungsfreundlich. Die ganze Debatte um die Bestandsakzessorietät erscheint 
in diesem Licht als sehr gute Finte der Verlegerseite, die den Beteiligten wohl 
Sand in die Augen gestreut hat, die - ohne es zu wissen - möglicherweise ein 
Geisterproblem behandelt haben.

Derartige Spiele sind natürlich intellektuell faszinierend. Im Grunde mag ich 
das. Aber im Sinne der Sache sollte man vielleicht ein wenig achtsamer mit den 
Dingen umgehen. Bildung und Wissenschaft sind kein Testgebiet für Nebelkerzen.

Eric Steinhauer



Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.