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Re: Re: [InetBib] Herr Ulmer, sein Brief, der Artikel im Börsenblatt und der Heidelberger Appell
- Date: Fri, 03 Apr 2009 12:15:54 +0200
- From: Angelika Finke <afinke@xxxxxxxxxxxxx>
- Subject: Re: Re: [InetBib] Herr Ulmer, sein Brief, der Artikel im Börsenblatt und der Heidelberger Appell
Guten Morgen, Herr Ulmer,
gern beantworte ich Ihnen zuerst einmal Ihre erste Frage:
1. Ist das Vorgehen der ULB Darmstadt (und der zweiten Bibliothek) legal?
Das kann ich von hier aus nicht beurteilen. Es ist möglich, dass das 
Vorgehen nicht legal ist. Das müsste dann unterbunden werden, und ggf. 
muss Ausgleich für entstandenen Schaden an Verlage/Verfasser/innen 
geschaffen werden. Für Ihren Ärger, hätte/habe ich vollesVerständnis.
2. Die Freiheit von Wissenschaft, Forschung und Lehre (Grundgesetz, Art. 
5, Abs. 3) ist vereinbar mit den Forderungen der Allianz der 
Wissenschaftsorganisationen (Schwerpunktinitiative „Digitale 
Information“ der Allianz-Partnerorganisationen), vgl. hierzu auch die 
"Gemeinsame Erklärung der Wissenschaftsorganisationen" vom 25.03.09, 
http://www.helmholtz.de/aktuelles/pressemitteilungen/artikel/detail/gemeinsame_erklaerung_der_wissenschaftsorganisationen/
In Ihrem Brief
an Ihre Autoren, in dem Sie zur Diskussion auffordern und in dem Sie zur 
Unterstützung des Heidelberger Appells auffordern, vermischen Sie das 
Urheberrechtpersönlichkeitsrecht und dem Verwertungsrechten derjenigen, 
die die Werke schaffen (UrhG § 11 S.1) mit den Nutzungsrechten, die der 
Urheber anderen einräumen kann (UrhG § 31) und die Urheber Verlagen 
einräumen müssen, wenn diese ihre Publikationen veröffentlichen sollen.
Diese Vermischung führt zu Unklarheiten.
Ausgehend von zwei Bibliotheken, die möglicherweise gesetzeswidrig 
handeln, werfen Sie Bibliotheken und anderen Organisationen (Abs. 6 
Ihres Briefes) vor, sie wollten sich über die Eigentumsrechte der 
Autoren hinwegsetzen.
Das ist nicht korrekt. Und ich als Bibliothekarin, der an Aufklärung 
gelegen ist, der diese ganze Thematik sehr am Herzen liegt, fühle mich 
dadurch verunglimpft.
Der Heidelberger Appell
Im Grundgesetz § 5 sind die Meinungsfreiheit inkl. der Freiheit, diese 
Meinung zu veröffentlichen, die Pressefreiheit und Freiheit der 
Berichterstattung (S. 1), mit einschränkenden Gesetzen (S. 2) und, in S. 
3 die Freiheit von Wissenschaft, Forschung und Lehre geregelt/gewährleistet.
Das Recht auf auf freie und selbstbestimmte Publikation ist um 
Urheberrecht gewährleistet (UrhG § 12).
Beides wird gleich im ersten Satz vermischt.
Nicht unterschieden wird im Appell zwischen der Art der Werke. 
Kunstwerke, wissenschaftliche Werke, literarische Werke, 
Zeitungsartikel, Radio- und Fernsehsendungen werden in einen Topf 
geworfen. Das führt unweigerlich zu
Das Vorgehen von Google bei GoogleBooks und das Vorgehen vieler 
einzelner Personen auf YouTube wird vermischt mit den Bemühungen der 
deutschen Wissenschaftsorganisationen, wissenschaftliche Information auf 
gesetzlicher Grundlage möglichst schnell für möglichst alle verfügbar zu 
machen und ihnen wird vorgeworfen, dass diese Bemühungen Eingriffe in 
Presse- und Publikationsfreiheit seien, das Grundrecht bedrohten und 
somit gesetzwidrig seien.
Google und die Einzelpersonen sind eine Sache.
Die Bemühung um freie Verfügbarkeit wissenschaftlicher Information (auf 
gesetzlicher Basis!) ist eine andere Sache, die hier nicht korrekt 
dargestellt wird.
Ebenso falsch dargestellt ist, dass dieo.g. Allianz die Autoren auf eine 
bestimmte Publikationsform vepflichten will. Jede/r soll weiterhin 
zuerst dort und so publizieren, wie er/sie möchte, um aber die freie 
Verfügbarkeit von wissenschaftlicher Information zu ermöglichen, werden 
u.a. im Rahmen des einfachen Nutzungsrechts frei zugängliche 
Zweitveröffentlichungen vorgeschlagen, wobei selbstverständlich das 
Urheberpersönlichkeitsrecht, das Urheberverwertungsrecht und das/die 
Nutzungsrechte beachtet werden sollen.
Eine "politische Toleranz" gegenüber Raubkopien gibt es nicht, dazu 
wurden Gesetze geschaffen. Diese Gesetze müssen angewendet werden. 
Zuwiderhandlungen müssen angeklagt werden, dann können sie auch verfolgt 
werden.
Diesen Appell haben Sie nicht geschrieben, aber Sie rufen zur 
Unterschrift auf. Das führte zu meiner Erwartung ...
Ihr Artikel im Börsenblatt, http://www.boersenblatt.net/314659/
Im Zusatz zum Titel schreiben Sie immerhin vom "Geschäft der Verlage" 
und nicht von"das Urheberrecht".
Satz 1 überträgt das im dritten Satz vorgeworfene Fehlverhalten einer 
Bibliothek gleich auf ganz Deutschland.
Das kann nicht korrekt sein.
Im 2. Satz, unterstellen Sie der Leitung des Deutschen 
Bibliotheksverbandes, dass sie gesetzwidriges Handeln "der Bibliotheken" 
trägt. Das tut sie sicher nicht. Und es handeln nicht "die Bibliotheken" 
gesetzwidrig, sondern möglicherweise eine, die Sie dann in Satz Nr. 3 
nennen.
Im und 4. und 5. Satz verallgemeinern Sie gleich wieder: "Wille der 
Bibliothekare" und "So fördert man ..."
Im 2. Absatz geht es um § 52b, der genau eingrenzt, welche Werke eine 
Bibliothek digitalisiert in ihren Räumlichkeiten an elektronischen 
Leseplätzen anbieten darf, nämlich "soweit dem keine vertraglichen 
Regelungen entgegenstehen". Entsprechend ist die Empfehlung des DBV: 
http://www.bibliotheksverband.de/stellungnahmen/DBV_Info_UrhGRev_060707.pdf. 
So ist auch Herrn Prof. Müllers Kommentar aus Satz 2 Ihres Artikels zu 
verstehen.
Teile eines Werkes - auch des digitalisierten - zu kopieren ist mit 
Einschränkungen erlaubt nach UrhG § 53,1-5.
Die Verbreitung dieser Kopien ist nicht erlaubt (UrhG 53,6) - damit 
machen sich die Personen strafbar, die diese Kopien im Internet frei zur 
Verfügung stellen, nicht aber die Bibliothek.
In Absatz 6 unterstellen Sie dieser (?) Bibliothek und ihrem 
möglicherweise gesetzwidrigen Verhalten, dass sie Fakten schaffen 
möchte, bevor dem Gesetz Recht verschafft wird. Das dürfen Sie 
natürlich, aber eine Tatsache, sprich korrekt, ist es damit nicht.
Ich wünsche mir, dass ich Ihre Fragen beantworten konnte.
Und wenn es denn unterschiedliche Auslegungsmöglichkeiten eines Gesetzes 
gibt, muss eine Lösung gefunden werden, die für alle Beteiligten 
zufriedenstellend ist.
Dafür sind Dialoge nötig. Bitte ohne verallgemeinernde Vorwürfe und 
Schuldzuweisungen, und bitte mit korrekten Darstellungen.
Mit freundlichen Grüßen,
Angelika Finke
Matthias Ulmer schrieb:
Sehr geehrte Frau Finke,
mir ist schon am Dialog gelegen. Verständnisorientiert. Das muss 
beiderseitig sein. Machen Sie den Versuch. Ihre Mail ist dazu kein 
guter Ansatz. Aber ich möchte auf ein paar Punkte gerne eingehen 
(übrigens machen wir auch wissenschaftliche Zeitschriften).
Es gibt zwei Fragen, die offen sind:
- ist das Vorgehen der ULB Darmstadt legal?
- ist die Forderung der Allianz der Wissenschaftsorganisationen 
vereinbar mit der Freiheit von Forschung und Lehre?
Der Gedankenaustausch zu beiden Themen ist hilfreich. Vor allem Herr 
Steinhauer bringt sachliche Argumente, die ich interessant finde.
Ich bin auch froh, dass es Stimmen gibt von Bibliothekaren, die das 
Vorgehen in Darmstadt auch nicht positiv finden.
Dennoch sind die Fragen beide nicht geklärt. Ich bin in meinem 
tiefsten Inneren überzeugt, dass das Vorgehen der ULB Darmstadt nicht 
legal ist. Und dass der Plan der Allianz ausgesprochen gefährlich für 
die Freiheit der Forschung und Lehre ist. Aber ich weiß auch, dass 
viele hier im Forum im gleichen Maße vom Gegenteil überzeugt sind. Und 
letztlich muss das wohl ein Gericht entscheiden. Bis dahin scheint es 
mir angemessen, dass ich das Vorgehen als illegal bezeichne und Sie es 
legal nennen. Da kann ja noch keine Verunglimpfung entstehen.
Dennoch kann man sich ja über einige Fakten oder Aussagen einigen, 
weil sie überprüfbar sind. Und da muss ich Sie bitten, dass Sie mir 
die Sätze nennen, in denen mein Artikel im Börsenblatt (nach Ihren 
Worten):
"stellt Behauptungen auf, die nicht korrekt sind, stellt Dinge falsch 
dar, stellt Fakten in falsche Zusammenhänge und entwirft so ein völlig 
falsches Bild der Situation."
Ich habe ihn jetzt noch einmal gelesen und fürchte, so absurd der 
Artikel auch klingt, dass jeder Satz richtig ist. Aber ich würde das 
gerne mit Ihnen klären. Dann kann ich das richtigstellen, was ich 
falsch dargestellt haben sollte.
Eine Entschuldigung müssen Sie von mir nicht fordern, wenn ich falsch 
liege. Ich denke, ich habe mich auch mit Herrn Müller soweit 
ausgetauscht, dass wir uns gegenseitig nichts nachtragen.
Betrachten Sie das schon als ernsthafte Form den Dialog zu suchen.
Mit freundlichen Grüßen
Matthias Ulmer
Der Brief (in dem es nicht nur um die möglicherweise ungesetzliche 
Vorgehensweise von zwei Bibliotheken geht) stellt Behauptungen auf, 
die nicht korrekt sind, stellt Dinge falsch dar, stellt Fakten in 
falsche Zusammenhänge und entwirft so ein völlig falsches Bild der 
Situation. Und verunglimpft einen gesamten Berufsstand.
Gleiches gilt für den Heidelberger Appell und erst recht für den 
Artikel im Börsenblatt, der offensichtlich sogar* nach *der 
Disskussion in dieser Liste entstand.
Eine Entschuldigung an alle Bibliothekarinnen und Bibliothekare, die 
ihren Beruf völlig korrekt ausüben!
Eine korrigierte Fassung Ihres Briefes an Ihre Autoren.
Eine modifizierte Fassung des Heidelberger Appells mit korrekter 
Darstellung der Zusammenhänge um Publikationen, Urheberrecht und Open 
Access.
Aber darauf kann ich wohl lange warten, denn Ihr Artikel im 
Börsenblatt, Herr Ulmer, ist noch um einige Grade heftiger in seinen 
Aussagen als Ihr Brief und der Heidelberger Appell es sind. Ich 
empfinde das als unverfrorene Frechheit!
"Den Dialog suchen" sieht wahrhaftig anders aus!
Angelika Finke
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Angelika Finke
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