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AW: [InetBib] Professor Reuß, das Urheberrecht und 1995



Lieber Herr Ulmer,

Vielleicht würde ja eine weniger starre Fixierung auf  
Impacts helfen sich wieder stärker auf die Wahrheit zu 
konzentrieren,  
sich weniger abhängig von bestimmten Publikationen zu machen 
und statt  
einer Fremdsteuerung durch externe Controller dem 
Wissenschaftler und  
seinem eigenen Streben mehr Raum zu geben. Klar, ist 
natürlich wieder  
nur Blödsinn von mir...

Sie insinuieren allen Ernstes, dass die OA-Anhänger die Suche nach "der 
Wahrheit" als Antrieb der Wissenschaft vergessen haben? Oder vermengen Sie hier 
zwei Dinge, die nicht so viel miteinander zu tun haben?

Zu den übrigen Punkten: wenn Sie Fundstellen zum Thema  
Verfassungsmäßigkeit einer Veröffentlichungspflicht bei öffentlich  
finanzierten Wissenschaftlern brauchen, 

Tja, auf Reuß Webseite steht eigentlich auch nur, dass er meint, dass das nicht 
verfassungsmäßig ist, und dass er einen Wissenschaftler (Juristen) kennt, der 
meint, dass das nicht so ist. Dabei geht es um das Erstveröffentlichungsmandat 
einer Hochschule, von dem er meint, dass es von Politik und 
Förderorganisationen betrieben wird. Das ist ungefähr so differenziert wie die 
wiederholte Behauptung, Uwe Jochum habe "durchgerechnet", dass das Digitale 
bzw. das OA-Publizieren  die Gesellschaft viel teurer komme. Und bitte lassen 
Sie Ihrer Aufmerksamkeit nicht entgehen, dass Reuß und Co in allen ihren 
Äußerungen, die ich bisher gelesen habe, immer neben dem befürchteten Mandat 
weitere "Argumente" gegen OA ins Feld führen. Ich erinnere nur an: 
"OA-Publikationen sind schlecht gesetzt und sehen hässlich aus."

Gleiches gilt für das Sujet Klagen. Sie werfen Reuß im Fall Kafka  
oder Schirrmacher etwas vor. Ich weise nur darauf hin, dass es sein  
kann, dass das mit Genehmigung oder Duldung erfolgte. 

Tja, könnte sein. Aber drunter steht "(c) Institut für Textkritik", und das 
bedeutet ja wohl (in meinem laienhaften juristischen Verständnis), dass das 
Institut sagt, *alle* Rechte lägen bei ihm. Und das nicht nur für Schirrmachers 
Rezension, sondern bei allen andern auch. Halte ich für ausgeschlossen, dass 
die Rezensenten da so freigiebig waren.

Es ist immer kritisch wenn man sich zum Anwalt  
Dritter macht, ohne die zu fragen.

Hier gehts doch darum, dass jemand Wasser predigt und Wein säuft. Nicht darum, 
dass, oh Gott, Herrn Schirrmachers Rechte verletzt wurden, oder die des 
Fischer-Verlags, sondern dass es Reuß war, der dies getan hat. Der Reuß, der da 
steht und mit dem Finger auf alle möglichen Leute zeigt und sagt: "die sind 
gemein, die wollen mir meine Veröffentlichungsfreiheit nehmen! Das ist gegen 
das Grundgesetz!" Das nennt man Bigotterie. Deutlicher als Herr Steinhauer 
hätte man das kaum klarstellen können. Danke!

Zum Heidelberger Appell: er war vielen wichtig. Und hier wurde er  
natürlich nicht ernst genommen, das ist reflexhaft. Aber die  
Reaktionen der DFG und der Schlingerkurs mit laufendem 
Widerruf bis zu  
Kleinerts Brief hat gezeigt, dass hier ein sensibler Punkt  
angesprochen wurde. 

Im "Heidelberger Appell" wurden mehrere "sensible" Punkte miteinander vermengt. 
Und wenn ich nicht inzwischen den Verdacht hätte, dass Reuß schlicht nicht 
weiß, wovon er schreibt, würde ich sagen: absichtlich. Um die provozierte 
Ablehnung des bösen Google-Handelns auszudehnen auf Open Access. Jedenfalls hat 
Reuß, haben die Initiatoren des Heidelberger Appells da ja was erreicht, da 
belletristische Autoren mit ihrer Unterschrift gegen das befürchtete 
Erstveröffentlichungsmandat protestiert haben. 

Ohne den Appell hätte die Bundesregierung oder der Börsenverein  
sicher nicht reagiert. Dass das von den Rechteinhabern lautstark  
begrüßt wird zeigt, dass der Appell für viele wichtig war. Dass er  
von den Nutzer, Bibliothekaren oder Lesern mit Mißfallen 
gesehen wird,  
das verstehe ich gut. Aber dadurch wird der Appell nicht falsch.

Vergessen wir nicht, dass Reuß an vielen Stellen auch auf die Verlage eingeht, 
und gegen OA mit dem Argument antritt, dies gefährde die deutsche 
Verlagslandschaft. Sollte er sich nicht, statt sich in Wirtschaftsfragen zu 
äußern, ein bisschen mehr auf die Suche nach der Wahrheit konzentrieren?

Wie wäre es mit Wahrheit?

Vielleicht sollte man noch hinzufügen, dass der Witz bei Reuß' Kafka-Edition 
die ist, die Frage nach der "Wahrheit" dem Leser zu überlassen. 

Schönen Gruß!

J. Eberhardt

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