[Date Prev][Date Next][Thread Prev][Thread Next][Date Index][Thread Index]

Re: [InetBib] FW: Lutz Hachmeister und andere wollen ihren Doktortitel ruhen lassen, solange Guttenberg...



Hallo Frau Ecks,
ich kann Sie gut verstehen. Klar freut man sich ,wenn mal einer ausschert und 
die vorgefertigten schalen Gedankengänge der Parteibezirksaufsteiger 
durchbricht, die häufig genug in Beruf oder akademischem Werdegang nicht 
unterkamen. Schön wenn jemand mal mit ideologischer Selbstverwirklichung 
aufhört und die Kosten des Abos überdenkt, also das Abo, das Staat und Bürger 
für solche abstrusen Langzeitirrtümer wie Afghanistan bezahlen muss.
Aber leider hat sich auch für diese Persönlichkeit wieder eine Versuchung 
gefunden, eine Verlockung für die Eitelkeit, und er hätte "nimbushalber" diesen 
Titel nicht mal gebraucht. Es geht einfach nicht, dass sicher einer -so steht 
doch zu vermuten - seine Doktorarbeit zusammenzimmern lässt.  Am Tag, an dem 
rauskommt, vom wem die Flickarbeit ist, knallt es kräftig. Im Übrigen werden 
sich das weder die Wissenschaftsorganisationen noch die Landesverbände der CDU 
gefallen lassen. Die zahlen nämlich die Zeche, siehe Hamburg. Dass die CDU BW 
von der Sache profitiert, ist eine Fehleinschätzung. Die jetzige Sprachregelung 
ist reine Rhetorik. 
Zudem: Es kann nicht sein, dass man mit dem Verständnis von Logik, wie Frau 
Merkel sie verwendet, die Übereinstimmung der Tatsachen mit der 
Selbsterkenntnis des "Täters" für ausreichend hält, hier den Frieden wieder 
herzustellen. Eine solche "logische Authentizität" so nenne ich das mal ist 
schon reichlich frech. Nach dieser Logik kann auch der Mörder den Gerichtssaal 
frei verlassen, wenn er für sich persönlich festgestellt hat, dass der Vorwurf, 
eine Person wirklich umgebracht zu haben, auch wirklich zutrifft. Da kann er 
die Leiche gleich mitnehmen.
Die Verlautbarungen, die Mehrheit stünde hinter Guttenberg, setzen noch eins 
drauf: die etablierte Presse feiert hier ihre Verwicklung mit der 
Parteipolitik. Diese Benutzung des Volkes zu seiner eigenen "Verar.." ist 
skandalös, ganz abgesehen von der zunehmenden Mythologisierung von Politik. 

Gönnen Sie sich trotzdem einen schönen Kaffee.

Annette Kustos, M.A., M.A.-LIS
Leitung Hochschulbibliothek
Hochschule für Gesundheit
University of Applied Sciences
Universitätsstraße 105
44789 Bochum
Tel: +49 (0)234/77727-150
Mobil: 
E-Mail: annette.kustos@xxxxxxxxxxxxxxxx
Web: www.hs-gesundheit.de

Diese E-Mail sowie eventuelle Anhänge können vertrauliche und / oder rechtlich 
geschützte Informationen enthalten. Wenn Sie nicht der Adressat sind oder diese 
E-Mail irrtümlich erhalten haben, informieren Sie bitte sofort den Absender und 
vernichten Sie diese Mail. Das unerlaubte Kopieren oder Speichern sowie die 
unbefugte Weitergabe dieser E-Mail sind nicht gestattet.

This e-mail and any attachments may contain confidential and / or privileged 
information. If you are not the intended recipient or have received this e-mail 
in error, please notify the sender immediately and destroy this e-mail. Any 
unauthorized copying, storing, disclosure or distribution of the contents of 
this e-mail is strictly forbidden.



-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: inetbib-bounces@xxxxxxxxxxxxxxxxxx 
[mailto:inetbib-bounces@xxxxxxxxxxxxxxxxxx] Im Auftrag von Silke Ecks
Gesendet: Sonntag, 27. Februar 2011 15:57
An: Internet in Bibliotheken
Betreff: Re: [InetBib] FW: Lutz Hachmeister und andere wollen ihren Doktortitel 
ruhen lassen, solange Guttenberg...

Danke, Frau Drauz, für das Link und den Iltis ;)

Vielleicht sollte ich, wo ich mich schon so weit aus dem Fenster
hänge, doch noch mal eben off topic nachlegen, dass trotz aller Ferne
meiner eigenen Ansichten und Positionen zu den seinen es mir um den
Guttenberg leid täte - da er m.E. der vielleicht einzige dt. Politiker
der letzten Jahre ist, der einen Plan hat.

Es gibt einige, die eine Agenda haben. Das ist was ganz anderes,
schließt sich auch nicht aus, aber keiner von denen hat einen Plan.
(Agenda in diesem Sinne könnte im Gegensatz zum Plan z.B. sein:
programmatische oder ideologische Ziele erreichen, Posten, Freunde
oder sich selbst bedienen usw. Auch soziale Gerechtigkeit ist nicht
mehr als Agenda, wenn man keinen Plan hat, wie man da hinkommt.
Leider. In den 70ern hatten viele eine Agenda.)

Und es gibt einen Haufen Politiker und Bürokraten, die noch nicht mal
das haben, sondern nur eine Nische und ein Auskommen, und den Karren
nur immer weiter in den Schlamm fahren.

Als G. ins Amt kam, hatte ich sogar vage Hoffnungen, das hier jemand
ungeachtet der Ecke, aus der er stammt, die Idiotie und Unmöglichkeit
einer Rechtfertigung des Kampfeinsatzes in Afghanistan erkennen kann
UND AUSSERDEM sowohl Profil als auch Mut genug hat, sich gegen alle
Hindernisse den NATO- bzw. US-Interessen in dieser Sache
entgegenzustellen.
Der Mann schien mir Geld, Klasse (jawohl, Klasse!)  und Stil genug zu
haben, um auf all die Bedenklereien der Politikerkaste keine Rücksicht
nehmen zu müssen und auch nicht aufgrund einer Profilneurose in die
Politik gegangen zu sein.

Ich Naivling, ich.

(Nur, um auch diesen Gegensatz klarzumachen: Von Schröder habe ich
weiland nie etwas anderes als personality-Politik erwartet, und von
lütt Rösler bestimmt nicht, dass er mit all seinen jungen Ideen und
dem netten Lächeln im Gesundheitswesen, selbst auch nicht mit dem
Apparat im Rücken, und gar gegen die Pharma-Dinos, irgendwas bewegen
könnte.)

Und dann fährt der Guttenberg mit Kerner nach Kundus und macht da eine Talkshow.
Da war mein persönlicher Ofen aus.
Natürlich stand und steht ein Abzug nicht zur Debatte, ungeachtet
dessen, was eine deutliche Mehrheit der Bevölkerung denkt und will;
jetzt, da Deutschland - me too! - endlich wieder auf dem
Militärspielplatz zurück ist nach zwei Generationen wohlbegründeter
Abstinenz; und ungeachtet dessen, dass das Mitwirken bei wirklich
vollkommen hirnlosen imperialen Militäreinsätzen eine
Terrorismusgefahr schafft, die es für Deutschland so historisch nie
gegeben hat - das haben wir den Kriegstreibern zuzuschreiben.

Guttenbergs Talk am Kundus-Aktion war an Unsäglichkeit und
Instinktlosigkeit noch weit jenseits der Merkel-Äußerung anzusiedeln,
hat ihm aber anscheinend überhaupt nicht geschadet - während ein
ziemlich dummer Spruch von einer Frau, die als selber Promovierte es
wahrhaftig besser wissen müßte, ihm nun das Genick brechen könnte -
und wo nicht, - holla! man hats noch nie gesehen! - doch die ganze
deutsche akademische Welt in durchaus berechtigter Empörung
mobilisiert hat. Dass da noch anderes im Argen liegt, spricht nicht
dagegen.

Diese Empörung richtet sich offensichtlich mehr gegen Merkels Spruch
über wissenschaftliche Mitarbeiter usw. als gegen Guttenbergs ja am
Ende bedauerlicherweise wohl recht alltägliches Handeln. Vielleicht
noch gegen seine Versuche, die Sache herunterzuspielen, die nicht
ungeschickt sind und ohne Merkels Worte vielleicht auch hätten
funktionieren können. Aus einem vermutlich gut gemeinten
Unterstützungsversuch wird eine Falle, wie Guttenberg sie sich selber
sicherlich niemals gestellt hätte.

Für Herrn Hachmeisters Vorschlag, vorübergehend sich zurückzuziehen
und die Sache ruhen zu lassen, scheint es inzwischen zu spät.

Herr Weber hat sicher nicht ganz Unrecht mit den Aspekten, die er einbringt.
Im Wissenschaftsbetrieb gibt es sicher ne Menge Nasen, an die sich mal
welche fassen sollten. Ist ja vielleicht gut, wenn das mal in die
Gänge kommt.

Trotzdem - eine schlechte Arbeit muss keine Plagiate enthalten. Die
kann auch ganz von alleine schlecht sein. Eine gute darf keine
enthalten.
Und die jämmerlichen Zustände und Standards entschuldigen auch nichts.
Ich wünsche mir von hohen Ministern mehr Integrität. Wie wird so einer
letztlich im Amt, in seiner Verantwortung handeln? Wer an exponierter
Stelle steht in so einer Affäre, hat Pech und kann zum Sündenbock
werden, aber es ist ja nun nicht so, dass nichts vorläge.

Schönen Gruß -

Silke Ecks

----------------

2011/2/27 P.J. Weber <peterjohannes.weber@xxxxxxxx>:
Liebe alle

Es ist schon interessant, wie sich alle auf den Täter Guttenberg einschiessen,
aber die anderen Mittäter konsequent aussen vorlassen. Liegt das vielleicht
daran, dass diese uns wissenschaftlichen Bibliothekaren zu nahe stehen? Es ist
schön, die klaren Worte von Herrn Lepsius zu lesen, aber hat nicht auch sein
Vorgänger, Herr Häberle, unter Realitätsverlust gelitten, als er die
Doktorarbeit annahm? Und die ganze Fakultät, als sie Guttenberg mit Summa cum
laude promovierte? Dies aber beim Namen zu nennen wäre Nestbeschmutzerei,
weshalb die Kritik einfach nur in Richtung Politik und Guttenberg geht. Das 
sind
ja eh die Feinde, da von dort die bösen Etat-Kürzerer herkommen.

Und weil wir gerade bei den wissenschaftlichen Mittätern aus dem
Universitätsbetrieb sind. Wer hat denn erst das Umfeld geschaffen, in dem 
diese
Tat geschehen konnte? Gewiss nicht Guttenberg, der von ihm profitiert hat,
sondern die lieben Damen und Herren Professoren. Was ich in den letzten zehn
Jahren teilweise als juristische Dissertationen auf den Schreibtisch bekommen
habe, war schlicht nur peinlich. Umfang 70 bis 90 Seiten, Zeilenabstand recht
gross, im Literaturverzeichnis nur Monographien und Kommentare, aber keine
Zeitschriftenaufsätze und Beiträge aus Sammelwerken usw. Wieso klagen wir 
nicht
schon seit Jahren die teils miserablen Dissertationen deutschsprachiger
Universitäten an? Vermutlich weil wir selbst alle in diesem Betrieb arbeiten 
und
ungern eine Abmahnung von oben bekommen wollen. Wie scheinheilig sind wir
eigentlich?

Und schauen wir doch mal über die Fakultätsgrenze zu den Medizinern? Was dort 
an
Doktorarbeiten abgegeben werden kann, würde an einer anderen Fakultät erst gar
nicht als Seminar- oder Diplomarbeit akzeptiert werden. Wer beklagt sich
darüber? Stellt die Urheber solcher Arbeiten anklagend ins Netz? 
Seltsamerweise
niemand.

Solange hier nur auf einer Person herumgehackt wird, ohne alle Schuldigen beim
Namen zu nennen, die sich aktiv oder inaktiv daran beteiligt haben, die erst 
das
ganze Umfeld für diesen Betrug geschaffen haben, haben all die schönen Worte
gegen Guttenberg den starken Beigeschmack, hier geht es in erster Linie um 
eine
Abrechnung mit einem Politiker, der dem gegnerischen Lager zuzurechnen ist. 
Und
solange habe ich Mühe, die hier geäusserte Empörung für echt zu halten.

Beste Grüsse
Peter Johannes Weber



Peter Johannes Weber * Sprünglistrasse 3, 3006 Bern, Schweiz * T: +41 31 351 
51
31 * H: +41 79 503 51 00 * peterjohannes.weber@xxxxxxxx *
www.biblioteca-canoviana.ch



-- 
http://www.inetbib.de

-- 
http://www.inetbib.de


Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.