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Re: [InetBib] OT: Kunde / Nutzer



J. Eberhardt schrieb:
Liebe Kolleginnen und Kollegen,

möchte noch ein bisschen in Herrn Steinhausers Kerbe hauen ... wenn auch
nicht in die gleiche Richtung ...

Wenn einige der Diskutanten bei "Kunde" an die Wirtschaft denken und an
ein wirtschaftliches Verhältnis, dann möchte ich daran erinnern, dass der
Begriff Konjunktur bekam, weil er sich absetzte von einem obrigkeitlich
gedachten Benutzungsverhältnis.

Das ist sicher richtig und galt in der Zeit (zweite Hälfte des letzten
Jh.), als auch das IuD-Programm der Bundesrepublik (alles möglichst
kostenlos) durch die Fachinformationsprogramme (Information bzw.
Dienstleistung hat einen Wert und muss bezahlt werden) ersetzt wurde.

Eine Bibliothek, in der Benutzer zur
Benutzung "zugelassen" werden -- was zu implizieren scheint, dass man auch
abgelehnt werden kann --, dann sind sie Leistungsempfänger von Bibliotheks
Gnaden.

Das hat(te) nichts mit Gnaden zu tun, sondern damit, dass es in den
jeweiligen Benutzungsordnungen Rechtsverbindlichkeiten gibt, an die
Bibliothekare und Bibliotheksbenutzer (Kunden?) gebunden sind. Als ich in
einer UB meine Arbeit aufnahm, fragte mich sofort jemand aus der
Verwaltung, wer alles Zugang zum Service der UB habe.

Der Begriff "Kunde" half demgegenüber einigen Bibliotheken dabei,
sich daran zu erinnern, wozu sie da sind, nämlich zum "Dienst" am Kunden
("Dienst" wie in "Dienstleistungsgesellschaft"). Das war doch ein
Fortschritt.

Damals ohne Zweifel.

Wie kommt's nun, dass der Begriff "Kunde" für einige aktuell
offenbar die positiven Konnotationen nicht mehr hat, die zu seinem
Aufstieg in den Ämtern geführt haben?

Weil dieser Fortschritt auch Nachteile mit sich brachte. Öffentliche
Bibliotheken kauften in Mengen z.B. Angelique um hohe Ausleihzahlen zu
erreichen, wodurch sich die Geldgeber fragten, warum eine Kommune diese
leisure activities (wie ein Kollege in England anmerkte) finanzieren soll.
In Deutschland fragte der Bund der Steuerzahler ähnliches. Erst nach der
Pisa-Studie kam dann ein neues Umdenken und ein neues Interesse für ÖBs.
Kinder sind aber als zahlende Kunden relativ ungeeignet.

Jetzt punkten die ÖBs zunehmend mit Leseförderung anstelle der Lescafes
vor ~30 Jahren. Andere ÖBs sehen sich gezwungen möglichst rasch Bestseller
zu kaufen und für z.B. 2 Euro zu verleihen, um neue Geldquellen zu
erschließen. Es sei dabei auch an GATS (General Agreement on Trade in
Services) erinnert, das im Rahmen des „The Global Librarian“ von der IFLA
seit 2001 unterstützt wird.

Das ist sicher nicht das, was Bibliotheken in ihrem Bildungsanspruch von
Anfang an anstrebten. Noch ein Wort zum Begriff "Leser", da sind sicher
viele Bibliothkare (auch in den USA) durch die Multimediaangebote in der
Benutzung dieses Wortes etwas vorsichtig geworden.

MfG

W. Umstätter



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