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Re: [InetBib] Nur eine Frage der Zeit ...



Wenn die Lizenz erloschen ist, bleibt der iPad dunkel und der Arm erlahmt.

Das ist doch bei Ablauf einer Leihfrist für den Leser nicht anders.

Ein einzelnes Buch oder eine Zeitungsausgabe (auch in digitaler Form) zu
"kaufen" und zu lesen ist nicht dasselbe wie eine Bibliothek zu
benutzen.

Genau darauf will ich ja hinaus, dass wir der Politk klar machen müssen,
warum Bibliothekare bzw. Information Professionalls in der
Wissenschaftsgesellschaft wichtiger und nicht weniger wichtig werden.
Darum definierte die ALA Bibliotheken auch weniger über ihre Bücher, als
über das dazu gut ausgebildete Personal.

Ihr Vergleich hinkt also. Die digitale Nutzung eines einzelnen
Mediums gegen den Betrieb und das umfassende Angebot einer Bibliothek
aus gekauften "Werkstücken" (oder meinetwegen auch "gekaufter" digitaler
"Werkstücke", es gibt sie ja, aber wohl meist ohne Verbreitungsrecht)
ins Feld zu führen, negiert das Potential von Bibliotheken. Stattdessen
würde die öffentliche Hand für jede Nutzung permanent an die Urheber
zahlen.

Hier werden wir noch viel Arbeit haben, bis wir ein veraltetes
Urheberrecht in eine fachkundige und zeitgemäße Vorstellung überführen
können. Das beginnt schon damit, dass wir wisschschaftlich korrekt
Information, Redundanz, Rauschen und Wissen unterscheiden müssen. Verlage
verkaufen Kopien von urheberrechlich geschützten Werken, also Redundanz.
Dass diese Redundanz für jeden einzelnen Leser Information sein kann,
ergibt sich aus der Informationstheorie, weil die Redundanz ja gerade dazu
erzeugt wird, zur Sicherung der Information.

Das Modell von Onleihe beinhaltet ja immerhin den Kauf der Files. Eine
Bibliothek könnte sich also alle ihre gekauften Files herunterladen
lassen und nach den beim Kauf vereinbarten Rechten selbst vertreiben,
wenn die Firma aus irgendeinem Grund aufgegeben werden sollte.

Inbesitznahme ist die Basis der Bibliothek. Sonst kann sie ihre Funktion
nicht erfüllen. Einen gleichwertigen, finanzierbaren Ersatz dafür im
virtuellen Bereich sehe ich nicht.

Ich kann nur wiederholen: "Zur klaren Unterscheidung kann man sagen,
Buchhandlungen verbreiten Publikationen, um Gewinne zu erwirtschaften,
Bibliotheken dagegen versorgen ihre Benutzer mit Publikationen, um die
dafür notwendigen Kosten im bezahlbaren Rahmen zu halten." (Lehrbuch des
Bibliotheksmanagements) Es kann nicht im Sinne eines Staates sein,
Information für Wissenschaft und Bildung möglichst teuer zu machen, indem
man Redunanz als Information deklariert und jeweils neu Geld für
Urheberrechte fordert. Es ist auch kein Zustand, arme Länder durch so
überteuerte Zugangssperren zum Wissen der Welt arm zu lassen. Dass sich da
der Terror immer weiter ausbreitet kann doch niemanden in Erstaunen
versetzen.

In diesem Zusammenhang würde ich mir wünschen, dass nicht immer nur
Rechtefreies digitalisiert wird, sondern nun einmal am anderen Ende
begonnen wird, bei den aktuellen Kaufmedien und ihrer Digitalisierung
nach §52b UrhG. Dort ist der Bedarf groß. Die Infrastruktur dafür ist
teuer (wenn man nicht kooperiert), aber die Digitalisate sind umsonst
(abgesehen von der zu zahlenden Tantieme).

Genau das geschieht ja jetzt, dass die "aktuellen Kaufmedien" digital
vermarktet werden. Die Digitalisate sind aber reine Redundanz und damit
fast kostenlos, gegenüber dem neu geschaffenen (z.B. wissenschaftlichen)
Werk.

Selbstverständlich bliebe auch hier der eigene iPad dunkel, aber das
Potential wäre dennoch groß, da der gesamte Fundus als Volltextkorpus
recherchierbar gemacht werden könnte. Für audiovisuelle Medien wäre das
Potential noch größer, da an qualitativ hochwertigen Einzelseh- und
-hörplätzen in der Bibliothek der unmittelbare Genuss der Werke möglich
wäre - in freier Auswahl aus dem kompletten Bestand.

Schöne Grüße
Peter Delin
http://tinyurl.com/d8t2h5m

Tatsache ist, dass ich schon heute rein Quantitativ über das Inrternet
mehr Bücher bzw. Dokumente auf dem iPad abrufen kann, als meine private,
oder so manche andere Öffentliche Bibliothek besitzt. Dunkel wird er nur,
wenn ich vergessen habe ihn wach zu halten ;-)

MfG

W. Umstätter

P.S. Sehr geehrter Herr Delin, Sie sehen also, wir stimmen weitgehend
überein. Nur die Perspektive ist etwas different.

Walther Umstaetter schrieb:
Das Modell von Overdrive oder Onleihe hier bei uns scheint mir gewollt
umständlich. Wieso muss das noch über Bibliotheken laufen? Gehandelt zu
  werden brauchen doch bald nur noch "Zugänge", bzw. Lizenzen. Die
Files
liegen irgendwo und eine Agentur wie Overdrive kauft die Lizenz für den
Zugriff, lizenziert ihn weiter und schaltet auf dem fremden Server
frei.
Hier würden doch "Betreuungsgutscheine" à la von der Leyen, bzw.
Bildungsgutscheine genügen, die jeder Interessierte aus Steuergeldern
erhält. Die teuren Bibliotheken mit ihrer dreidimensionalen
Infrastruktur könnte man einsparen und dafür noch mehr
Bildungsgutscheine für Ebooks verteilen oder man schließt gleich eine
Nationallizenz ab (analog zur Bibliothekstantieme).

Schöne Grüße
Peter Delin
http://tinyurl.com/d8t2h5m

Danke für den Hinweis. Darum versuchte ich schon am 28.7.11 auf die
Gefahr
aufmerksam zu machen, dass in dem Moment, in dem die elektronische
Ausleihe eines E-Books billiger ist, als die Ausleihe des
entsprechenden Buches aus der herkömmlichen Bibliothek, die Politik es
schwer haben wird, zu erklären, warum es noch Bibliotheken mit
einer teureren Ausleihe gibt. Wenn wir der Politik da keine gute
Erklärung
an die Hand geben können, wird es in vielen Bibliotheksgebäuden dunkel.

Seit dem Amazon mehr Digital- als Papierbücher verkauft (
http://latimesblogs.latimes.com/technology/2011/05/amazon-says-it-now-sells-more-kindle-ebooks-than-print-books.html
) und die Zahl der E-Books, die auf den iPads, Slates, PCs etc. lesbar
sind, immer weiter steigt, stehen die Bibliothekare schon wieder vor
einer
neuen Revolution.

Die Digitale Bibliothek hat mit der Digitalisierung von Bibliografien
1963
begonnen. Nun erreicht die Digitalsierung der Volltexte bzw.
Multimediadokumente ein nicht mehr zu ignorierenden Umfang.

Wer die Vorteile kennengelernt hat, seine Tageszeitung auf dem iPAD zu
lesen, wird darüber nicht mehr viel diskutieren. (Nur als Tipp. Man lese
als Dialysepatient die Tageszeitung mit nur einer Hand, weil die andere
vier Stunden fixiert ist. Es kann auch mal ein gebrochener Arm etc. sein
;-).

MfG

W. Umstätter



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