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Re: [InetBib] Antwort: Frauenmediaturm/ Frau Jeude



Sehr geehrter Herr Beßler,

Sie haben natürlich grundsätzlich Recht.
Es scheint, dass man in Deutschland vergessen hat, dass Bibliothekare
einst vollständig männlich waren (von wenigen Klosterfrauen abgesehen),
und dass es den Bibliothekarinnen nicht leicht fiel sich ihren heutigen
Platz zu erringen. Bei den Lehrerinnen scheint es etwas langsamer ähnlich
zu verlaufen ( http://www.erziehungstrends.de/Lehrerinnen/Gymnasium ), von
den Kindergärtnerinnen ganz abgesehen. Sogar die Industrie ist weitgehend
gezwungen Bibliothekar/innen ähnliche Gehälter zu Zahlen, wie im
öffentlichen Dienst, wenn sie verhindern will, dass ihre Bibliothekare und
Dokumentare abwandern. Das größere Problem ist dort die Einstufung
entsprechend des Mittleren-, Höheren- und Gehobenen-Dienstes.

Nun bin ich noch gespannt, wie lange es dauert, bis wir die gleiche
Situation bei den Professoren beobachten. Hinzu kommt:
„Der Anteil der Vollzeitprofessoren mit Daueranstellung oder Option auf
Daueranstellung ist an amerikanischen Universitäten von 57% (vor 1980) auf
27% des Lehrkörpers gefallen. Zugleich stieg die Quote der
Teilzeitprofessoren auf 37%. Diese verdienen im Schnitt 2.040 Euro pro
Kurs. Bei einer derart geringen Vergütung sind diese Stellen nicht mehr
wie früher für Fachleute interessant, die sich auf ihrem Gebiet einen
Namen gemacht haben. So sinkt in den USA die Qualität der Lehre, nimmt die
Zahl der Studienabbrecher zu.
Quelle: zeit.de vom 08.10.2009

Obwohl diese Entwicklung seit Jahrzehnten vorhersehbar war, weil die Big
Science (de Solla Price, D.J: Little Science, Big Science 1963) dies
erzwingt, ist das kein Grund dafür, dass die Zahl der Studienabbrecher
zunimmt. Noch weniger ist die steigende Zahl an Studienabbrechern ein
Grund für sinkende Qualität der Lehre. Bislang wurde oft kritisiert, dass
die Selektion der geistigen Elite an Hochschulen nicht ausreichend sei.

Schon die Berufung auf Th. Kuhn in zahlreichen scientometrischen
Untersuchungen, war immer fragwürdig, da sich Kuhn mit der typischen
Little Science beschäftigte, während die Big Science seit etwa 1950 ihren
Siegeszug antrat. ( http://www.ib.hu-berlin.de/~wumsta/pub90.html )

Auch in Europa sehen sich immer mehr Wissenschaftler gezwungen Professuren
mit schlechten Konditionen anzunehmen, wenn es ihnen nicht gelingt in der
Industrie mit weit besserer finanzieller Ausstattung zu arbeiten. Dafür
nehmen diese aber meist in Kauf, nicht frei publizieren zu können. Damit
geschieht einerseits ein Ausverkauf der Professorentitel, die sozusagen
verramscht werden, und andererseits werden die Bedingungen bei
Wissenschaft und Forschung in den Hochschulen zunehmend verschlechtert.

Sie werden damit aber immer interessanter für Frauen.

Diese seit vielen Jahren anhaltende Entwicklung sollte bei heutigen
webometrischen und scientometrischen Analysen unbedingt berücksichtigt
werden. Das äußert sich schon darin, das bisher nur das allgemein
verfügbare (publizierte) Wissen der Welt, insbesondere im SCI (Web of
Science), szientometrisch erfasst wurde. Daneben wird aber zunehmend
Wissen erworben, das mehr oder minder strenger Geheimhaltung unterliegt
und das, wie bei etlichen Patenten, möglichst versteckt publiziert wird,
damit die Konkurrenz keine entsprechenden Patente erwerben kann. Die
Szientometrie, und damit auch die Bibliothekswissenschaft läuft also
zunehmend Gefahr, ein falsches Bild von der Wissenschaft in dieser Welt zu
zeichnen!

Wie man schon an der Entwicklung der Fachhochschulen in den letzten
Jahrzehnten beobachten konnte, werden Professoren immer mehr in der Lehre
verschlissen und damit in ihrer Forschung behindert.

Die Trends sind also eindeutig. Das was in der Little Science noch als
Hausfrau firmierte, zeichnet sich heute zunehmend als Zahl arbeitsloser
Männer ab, weil sich die Zahl der Arbeitsplätze bei zunehmender
Rationalisierung und Automatisierung nicht beliebig vermehren lässt.

W. Umstätter


On 30.03.2012 10:48, Marion.Weiss@xxxxxxxxxx wrote:

"Und zu Herrn Schöpe möchte ich sagen, dass es bei der Benachteiligung
von
Frauen im Bibliothekswesen ja nicht auf das Verhältnis von Frauen zu
Männern ankommt, sondern die 20 Männer so wie es derzeit in Deutschland
läuft eben für die gleiche Arbeit mehr Geld bekommen als die 55 Frauen
und
auch höher aufsteigen werden.

Diese Aussage wurde jetzt hier schon mehrfach getätitgt und mich würde
interessieren ob Sie in der Lage sind diese Aussage für den Bereich
Bibliothekswesen mit irgendwelchen Fakten zu untermauern?
Das Bibliothekswesen in Deutschland ist zum größten Teil in der
öffentlichen Hand und die Bezahlung erfolgt im Regelfall dadurch immer
nach dem TVÖD. Soweit ich weiß sieht das TVÖD aber keine
Gehaltsunterschiede nach Geschlecht vor.

Also bitte, wie begründen Sie Ihre Aussage das die 20 Männer für die
gleiche Arbeit mehr Geld bekommen als die 55 Frauen?

So wie ich das sehe brechen Sie einfach eine Behauptung die für das
Gesamtsystem des Arbeitsmarkts gilt ohne Berücksichtigung der
tatsächlichen Fakten auf einen winzigen Teilbereich herunter.
Statistiken sind toll, nur sollte man auch richtig mit Ihnen umgehen
können. Denn ohne Berücksichtigung der tatsächlichen Fakten kann man
einfach alles aus jeder beliebigen Statistik ablesen.

Mit freundlichen Grüßen

Sebastian Beßler

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