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Re: AW: [InetBib] Klartext: Suppenküche Öffentliche Bibliothek



Das mit dem guten und schlechten Buch haben Sie, wie so viele, falsch 
Verstanden. Es gibt nicht das gute Buch an sich. Aber es gibt fuer jeden 
Leser, sein Alter, etc. voellig unbrauchbare Buecher. Und dagegen die 
besten, die man gerade jetzt braucht, herauszufinden ist eine Kunst, die 
viele Bibliothekare taeglich unter Beweis stellen muessen. Ich habe 
Jahrelang fuer Endnutzer genau solche Recherchen durchgefuehrt. 
Ausserdem ist mir mal als Kind ein Werk von Kant in die Haende gefallen. 
Ich fand diese Sprache, und die Ausfuehrungen, sowie die Thematik damals 
einen grossen Schmarn, und verstand nicht, was mein Vater daran so gut 
fand, den Waelzer gekauft zu haben. Damit kann man Kindern das Lesen 
durchaus vermiesen, ebenso wie durch zu seichtes Niveau.

K. Schuldt hat in Libreas ein Buch von Kanadiern, die diese Thematik 
ebenfalls diskutieren,
"These: Die New Left ist Schuld am beklagenswerten Zustand der 
bibliothekarischen Literaturberatung" gerade verrissen, wobei es 
interssant ist, warum so viele Menschen so aggressiv auf das gute Buch 
reagieren. Das liegt u.a. an obigem Missverstaendnis und daran, dass 
sich niemand vorschreiben lassen moechte, was er lesen soll, obwohl sich 
Millionen in den Bestsellerlisten genau dazu gezwungen sehen, nur damit 
sie mitreden koennen.

Ansonsten ist die Tatsache, dass es auch in Bibliotheken eine 
differenzierte Arbeitsteilung gibt, kein Indiz dafuer, dass es kein 
gemeinsames Berufsbild geben kann.

Bezueglich des Eigentums von Verlagen: Geistiges Eigentum ist keines, 
das so funktioniert wie das bei Grundbesitz oder bei Dinglichem. Man 
kann es nur erwerben, wenn man es der Welt durch Publikation verfuegbar 
macht.

Mit freundlichen Grüßen

Walther Umstaette


  19.10.2012 14:02, schrieb ub-info@xxxxxx:
Liebe Frau Kustos,

die Tatsache des Mangels an Diskussion ist im bibliothekarischen
Bereich ein Fisch der vom Kopfe her undemokratisch stinkt.

Das Thema "Hochkultur" war direkt auf die Aussage von Walther
Umstätter gemünzt: "Um es mit aller Deutlichkeit zu sagen, wenn es
weiterhin das Ziel von immer mehr Verlagen ist, die Gesellschaft mit
Feuchtgebieten, Bild, etc. zu verdummen, um Auflagenzahlen zu erhöhen
bzw. zu retten, dann muss das die Bibliotheken zum Kampf dagegen
aufrufen." Da steigt ein Hauch von "gute Kultur" vs. "schlechte
Kultur" auf, den ich doch eher unerträglich finde. Man kann, sofern
man die Kompetenzen dazu hat, in langen Prozessen demokratischer
Leitbilderstellung zusammen definieren was Inhalt einer Bibliothek
sein kann, darf und sollte. Sich aber aufzuschwingen zum Heiligen der
Hochkultur erscheint mir wie gesagt völlig unangemessen.

Gleichsam unangemessen ist es, Verlagen ihre Aufgabe vorzuschreiben.
Sie haben nur eine einzige: Geld verdienen. Alles andere hielte ich
für wunderbar, aber es entspricht nicht der Realität.

Dann kommen auch Sie mit kulturell hochwertiger Literatur - wie
gesagt gruselig. Was ist denn das Gegenteil von kulturell 
hochwertiger
Literatur? Aber es ist schön, dass Sie das Wort Kolporteur nutzen. 
Mir
war immer so als wäre ein Kolporteur jemand, der Gerüchte verbreitet.
Bibliotheken verbreiten also Gerüchte über Hochkultur - großartig.
Meinen Sie die Bestsellerlisten?

Danach schreiben Sie über Monopolisierung und Verknappungspolitik.
Das gleiche habe ich ja auch getan, darauf haben Sie ja leider nicht
reagiert. Und logisch - als Verlag ist es mir doch egal was die
Bibliothek macht, hauptsache sie behindert mein Geschäft nicht. Das
ist abartig, aber es ist doch die Realität?

Ich habe dann im folgenden auch nicht widersprochen, Bibliotheken
einen kulturellen und gesellschaftlichen Auftrag zuzuweisen. Nur ist
er nicht so klar wie Sie es formulieren und es stellt sich die Frage
wer ihn wo mit welchem Recht formulieren darf.

Weiterhin schreiben Sie: "Bildung und Wissenschaft funktionieren nur
in einem öffentlichen Raum und nur ein solcher ist auch ein Schutz
gegen Diskriminierung, Vorenthaltung und vollständige
Kommerzialisierung." Dem möchte ich nun deutlich widersprechen. Liest
man den neuen "IFLA-Ethikkodex für Bibliothekarinnen und andere im
Informationssektor Beschäftigte" stellt man fest, dass man sehr wohl
rassistische und menschenverachtende Werke in der ÖB sammeln müsste,
um sich ja neutral zu verhalten. Dieser Punkt ist - bezogen auf den
zweiten Teil Ihres Satzes völlig unhaltbar.

Dann noch zwei Sätze zum "Berufsstand": ich bezweifle tatsächlich,
dass es diesen noch als festlegbaren Berufsstand gibt. Wir können uns
gerne auf eine Gruppe bibliotheksnaher Berufe einigen, aber gerade 
die
Professionalisierung in Teilbereichen der Arbeit in Bibliotheken
widerspricht der These es gäbe überhaupt noch ein Berufsbild oder gar
einen Berufsstand.

Ein letzter Satz: jammern über die Politik, die sich eher für teure
Filmpreise interessiert statt für uns ist langweilig, denn die 
Politik
ist nur ein Abbild der Gesellschaft - und damit ein Abbild von uns
selbst.

Beste Grüße

Donato Biblione

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