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Re: [InetBib] Alternde Türsteher der Wissenschaft



Lieber Herr Hilf,

die Vor- und Nachteile des von Ihnen erwähnten Begutachtungsverfahrens sind
natürlich auch schon oft aufgezählt worden:

Die Vorteile haben Sie aufgezählt. Ich bezweifle sie nicht.

Die Nachteile aber sind (ohne Anspruch auf Vollständigkeit):
1. Einstweilen gibt es zumindest in den Geisteswissenschaften nur eine
geringe Bereitschaft, selbst kürzere Texte als Aufsätze, von Monographien
ganz zu schweigen, online zu kommentieren. Auf das jetzige
Beteiligungsniveau kann ich als Praktiker keine Zeitschrift gründen.
2. Der "Türsteher" hat nicht nur die Aufgabe, knappe materielle Ressourcen
zu verwalten (hohe Satz-, Druck- und Verteilungskosten, dadurch begrenzter
Seitenumfang), sondern auch die noch viel wertvollere und knappere Ressource
Zeit: Wenn erst einmal die (bei den Bibliothekarinnen und Bibliothekaren im
Übrigen weit stärker als in der Wissenschaft verbreitete) Euphorie für das
Open Peer Review verflogen ist, dann zweifle ich, dass sich noch sehr viele
finden werden, die sich gerne durch einen endlosen Wust an Texten lesen, von
denen die mutmaßliche Mehrheit inhaltlich nichts Neues bietet, irgendwie
unfertig ist und dazu auch noch schwer lesbar. Die Zeitschriften (und hier
gerade die Herausgeber und die Redaktionen) sorgen dafür, dass das fachliche
Lesepublikum mit Texten versorgt wird, die einem definierten
Anforderungsprofil entsprechend ein garantiertes Mindest-Qualitätsniveau
haben, über eine klare gedankliche Struktur verfügen und dazu noch zügig
gelesen werden können. Das ist eine Dienstleistung, die Arbeit spart und
deshalb in einer Dienstleistungsgesellschaft auch ihren Platz hat.

Mit herzlichen Grüßen

Hermann Beyer-Thoma

---
Redaktion der Jahrbücher für Geschichte Osteuropas
Institut für Ost- und Südosteuropaforschung
Landshuter Straße 4
93047 Regensburg
Telefon: +49 941 943-5414
Fax:  +49 941 943-815414
E-Mail: Beyer-Thoma@xxxxxxxxxxxxxxxxx
http://www.ios-regensburg.de

Ansprechpartner in der Redaktion:
Dr. Hermann Beyer-Thoma (Beyer-Thoma@xxxxxxxxxxxxxxxxx): Leitung
Reinhard Frötschner, M.A. (jgo@xxxxxxxxxxxxxxxxx): Redaktionsassistenz 


-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: Inetbib [mailto:inetbib-bounces@xxxxxxxxxxxxxxxxxx] Im Auftrag von
Eberhard R. Hilf
Gesendet: Dienstag, 26. März 2013 13:18
An: Internet in Bibliotheken
Betreff: Re: [InetBib] Alternde Türsteher der Wissenschaft

lieber Herr Beyer-Thoma,
der Nutzen von vom Editor ausgewaehlten und dem Autor gegenueber verdeckten
Fachleuten als Gutachtern ist sicher in den einzelnen Faechern verschieden.
Und in der Papier-Aera machte es Sinn, die Muehsal der Herstellung und des
Vertriebes eines Zeitschriftenbandes zu schuetzen, indem man die interne
Gutachter-Methode eingefuehrt hatte.
Die Nachteile sind allseits bekannt und auch von Ihnen geschildert.

Die Vorteile der Reihenfolge
- erst aufs Netz stellen, dadurch Prioritaet sichern, schnellstmoeglich alle
Experten erreichend;
- dort von der Fachcommunity (also allen Interessierten und Verstaendigen)
offen diskutieren lassen, da werden dann auch Alternde Tuersteher der
Wissenschaft, die ihr Weltbild nicht mehr hinterfragen, wie Sie schreiben,
als solche von ihren  aktiven Kollegen decouvriert.
Eine offene unmittelbare aktuelle Diskussion aller interessierten
Fachgenossen ist jedenfalls einer verdeckten Begutachtung durch wenige
ueberlegen (siehe auch die Aufdeckung der Faelschungsfaelle wie Herrn Schoen
etc.).
- danach dann in Zeitschriften als thematische Sammlungen durch einen Verlag
auswaehlen lassen;
- und, was der Verlag nicht kann, fuer eine langfrist-Archivierung sorgen.
E. Hilf





  > der Science-Artikel verweist auf ein wichtiges und auch bekanntes >
Problem, das aber vielleicht noch nicht dazu berechtigt, die 
Vorabbegutachtung von Manuskripten im Internetzeitalter f?r veraltet 
zu erkl?ren. Hier ein paar Erfahrungen aus der Praxis: Namentlich in 
der amerikanischen Tradition haben Gutachter nicht selten die Tendenz, 
bei nichtkonformen Manuskripten ein v?lliges Umschreiben im Sinn der 
dominanten methodischen Trends zu fordern. Sie machen dabei oft 
kleinteiligste Vorschriften. In Europa hat, jedenfalls in der 
Geschichtswissenschaft, dieses Vorgehen eher wenig Kredit. Die 
Gutachter haben generell mehr Verst?ndnis f?r methodischen und 
thematischen Pluralismus und w?gen mehr aufgrund der immanenten Logik 
des Manuskripts ab. Im Zweifelsfall geben sie den Ball an die 
Herausgeber zur?ck ? m?gen die entscheiden, ob das Manuskripts ins Profil
der Zeitschrift passt.
Hinzu kommt die Politik der Herausgeber und der Redaktion: Gibt man 
unkonventionellen Arbeiten eine Chance? Wir tun es. Dann w?hlt man in 
solchen F?llen nicht gerade Gutachter aus, die daf?r bekannt sind, 
dass sie alles abschmettern, was nicht in ihr Weltbild passt. Und wenn 
man tats?chlich einmal ein Manuskript abgelehnt hat, das dann in einer 
anderen Zeitschrift den neuen "turn" ausgel?st hat: Was macht's?
Schlie?lich lebt die Welt von der Vielfalt!

"Peer reviewing" hei?t auf Deutsch Fachbegutachtung. Das ist ein Prinzip,
das sich durch alle Fasern des modernen Lebens zieht, so dass ich mir nicht
vorstellen kann, dass es sich f?r die Wissenschaft ernsthaft ersch?ttern und
in Frage stellen l?sst. Wenn Sie heute ein Haus bauen, brauchen Sie -zig
Gutachten: Statik, Energieeffizienz, L?ftung, Schalld?mmung usw. Das erspart
es Ihnen nicht, um im Bild zu bleiben, vorher festzulegen, was f?r ein Haus
Sie wollen, die Gutachter entsprechend dieser Pr?ferenz auszuw?hlen, die
richtigen Fragen zu stellen und am Schluss selber zu entscheiden. Sich ganz
und gar den Gutachtern auszuliefern, ist unklug. Dann k?nnen Sie gleich Ihre
groben Planskizzen ins Internet stellen und die Nachbarn weiterplanen
lassen. Das w?re wahrscheinlich das Modell, das sich Herr Umst?tter
vorstellt.

Herzlich

Hermann Beyer-Thoma
---
Redaktion der Jahrb?cher f?r Geschichte Osteuropas Institut f?r Ost- 
und S?dosteuropaforschung Regensburg Landshuter Stra?e 4
93047 Regensburg
Telefon: +49 941 943-5414
Fax:  +49 941 943-815414
E-Mail: Beyer-Thoma@ ios-regensburg.de 
http://www.ios-regensburg.de/publikationen/zeitschriften/jgo.html

Ansprechpartner in der Redaktion:
Dr. Hermann Beyer-Thoma (Beyer-Thoma@xxxxxxxxxxxxxxxxx): Leitung 
Reinhard Fr?tschner, M.A. (jgo@xxxxxxxxxxxxxxxxx): Redaktionsassistenz




-----Urspr?ngliche Nachricht-----
Von: Inetbib [mailto:inetbib-bounces@xxxxxxxxxxxxxxxxxx] Im Auftrag 
von h0228kdm
Gesendet: Dienstag, 26. M?rz 2013 06:07
An: Internet in Bibliotheken
Betreff: [InetBib] Alternde T?rsteher der Wissenschaft

Liebe Listenteilnehmer/innen,

Publikationen, die in einer Zeitschrift abgelehnt werden und in einer
anderen dann erscheinen, werden ?fter zitiert, haben V. Calcagno et al. 
in Science ver?ffentlicht. Sie meinen:
"Papers that are more likely to contend against the status quo are more
likely to find an opponent in the review system ? and thus be rejected ? but
those papers are also more likely to have an impact on people across the
system". Leider hielt es Science nicht f?r notwendig mitzuteilen, wie
signifikant die Werte sind. So reiht sich aber langsam ein Sargnagel an den
anderen beim veralteten Pre Peer Reviewing im Internetzeitalter.
http://www.the-scientist.com/?articles.view/articleNo/32787/title/The-
Benefits-of-Rejection/

Mit freundlichen Gr??en

Walther Umst?tter

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