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Re: [InetBib] Stellungnahme Anfrage K. Graf / Inetbib



Klaus Graf schrieb:

 Thomas Hochstein <inetbib@xxxxxxxxxx> wrote:
Sagen wir so: Ihre Darstellung des Sachverhalts erscheint
nicht direkt unvoreingenommen.

Andere Juristen sehen den Sachverhalt durchaus anders.

Für diese Beurteilung bedarf es nicht direkt juristischer Kenntnisse.

Insbesondere ist die Frage, ob es sich um eine "Rücknahme" der
CC0-Lizenz handelt und eine solche "Rücknahme" möglich ist, eine
andere als die, was genau die BSB tatsächlich getan oder nicht getan
hat, und diese wiederum davon unabhängig, ob es sich dabei um ein
"falsches Spiel" oder eine Lüge handelt.

Es war unmittelbar nach dem Einspielen der Daten erkennbar,
dass jeder Nutzer die Lizenzkennzeichnung missverstehen
musste. Nochmals: Es handelt sich hier um Allgemeine
Geschaeftsbedingungen, bei denen Unklarheiten zu Lasten des
verwenders (hier BSB) gehen.

Dass Unklarheiten bei der Auslegung von AGB zu Lasten des Verwenders
gehen, ist freilich richtig. Das gilt aber nur für die *Auslegung* von
AGB - hier: der Lizenzbedingungen -, nicht aber für die Frage, ob
überhaupt ein Vertrag - hier: ein Lizenzvertrag - zustandegekommen
ist. Für diese Frage gelten vielmehr die allgemeinen Grundsätze über
das Zustandekommen von Verträgen und die Auslegung von
Willenserklärungen.

Außerdem ist "CC0" keine Lizenz im eigentlichen Sinne - also ein
vorformuliertes Angebot eines Lizenzvertrages, das durch
Inanspruchnahme angenommen wird -, sondern vielmehr ein
vorformulierter möglichst weitgehender Verzicht auf Urheber- und
verwandte Schutzrechte, also eine einseitige Erklärung (bei der sich
wiederum das Problem stellt, ob diese Verzichtserklärung nach
deutschem Recht nicht nur als möglichst umfassende Einräumung eines
Nutzungsrechs zu verstehen ist).

Schließlich erfolgt die Darstellung der Lizenzen durch die Europeana,
die aber nicht Rechteinhaber ist. Eine eventuelle Falschauszeichnung
oder auch nur eine missverständliche Darstellung durch die Europeana
kann daher nicht zu einem Lizenzvertrag oder - im Falle von CC0 -
einem Rechteverzicht der BSB führen, weil die Europeana nicht
Rechteinhaber ist.

Ihre rechtliche Bewertung greift daher in mehrerlei Hinsicht zu kurz,
weil sie nicht sauber zwischen Vertragsschluss und Auslegung der
Vertragsbedingungen und Rechteinhaber (BSB) und den Verantwortlichen
für die Darstellung (Europeana) trennen.

Wenn wir einmal die Vorabfrage, ob die BSB überhaupt Urheber- oder
verwandte Rechte an den Digitalisaten hat, bejahen [1], kommt es daher
durchaus darauf an, ob die BSB - wie sie behauptet - nur auf Rechte an
den Metadaten verzichtet bzw. die Einräumung eines umfassenden
Nutzungsrechts angeboten ("eine CC0-Lizenz erteilt") hat oder ob dies
auch für die Digitalisate gilt. Dabei kommt es ausschließlich auf die
Anlieferung der Daten von der BSB an die Europeana an, nicht aber
darauf, wie die Europeana die Lizenzkennzeichnung dargestellt hat -
denn die Europeana ist nicht Rechteinhaberin und kann daher weder
Lizenzen wirksam erteilen noch auf Rechte verzichten.

Hat also die BSB bei der Anlieferung der Daten an die Europeana keine
Lizenz erteilt bzw. auf keine Rechte verzichtet - und ob das der Fall
war, lässt sich nur durch Auslegung der Erklärungen der BSB an die
Europeana klären -, dann kann sich auch niemand auf Lizenzen oder
einen Rechteverzicht berufen, ganz gleichgültig, ob die Europeana (die
nicht Rechteinhaberin ist) ein Lizenzangebot gemacht oder einen
Rechtsverzicht erklärt oder diesen Eindruck erweckt hat. Weil die
Europeana solche Erklärungen nicht wirksam für den Rechteinhaber
abgeben kann, kommt es auf eventuelle Missverständlichkeiten bei der
Darstellung durch die Europeana insoweit nicht an.

[1] Ansonsten handelt es sich um einen Streit um des Kaisers Bart:
    wenn die BSB keine Rechte hat, kann auch niemand ihre nicht
    vorhandenen Rechte verletzen, die BSB keine Lizenzen erteilen, und
    sie muss auch nicht auf Rechte verzichten (CC0).

Sie und die BSB koennen das
von Ihnen gewueschte Ergebnis fuenzigmal wiederholen -
versehentlich CC0 getaggte und nicht sofort widerrufene
Medien SIND CC0.

Auch hier kann man über Einzelheiten streiten - relevant ist das
vorliegend aber nicht, weil diese Darstellung nur dann gilt, wenn der
Rechteinhaber das Medium (absichtlich oder versehentlich) als CC0
bezeichnet, nicht aber, wenn ein Dritter dies tut. Aus der Darstellung
in der Europeana lassen sich mithin keine Schlüsse auf die von der BSB
abgegebenen Erklärungen ziehen.

Alles andere wuerde einen unerwueschten
Freibrief fuer den rechtlich nicht moeglichen
Lizenzrueckzug bedeuten,

Warum sollte das Angebot auf die Einräumung eines Nutzungsrechts an
jedermann nicht für die Zukunft (!) widerrufen bzw. beendet werden
können?

da man ja auch noch nach Jahren
behaupten kann, man habe lediglich die Metadaten unter die
Lizenz gestellt.

Für die rechtliche Beurteilung kommt es nicht auf Behauptungen,
sondern auf die Rechtslage und ggf. deren Beweisbarkeit an. Die
Beweislast trifft hier dann denjenigen, der (Lizenz-)Rechte für sich
herleiten will, also den Nutzer der Digitalisate.

Grüße,
-thh

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