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Re: [InetBib] BGH-Entscheidung: Zur Zulässigkeit elektronischer Leseplätze in Bibliotheken



Liebe Frau Kustos,

ja, es geht bei dem gestrigen Urteil nur um Leseplätze in den Räumen der 
Bibliothek, (leider) nicht um Hochschulzugriff oder Lernplattform. Und ja, die 
Bibliothek darf dabei auf die jeweilige digitale Kopie so viele parallele 
Zugriffe gewähren, wie Sie Printexemplare im Regal haben. Faktisch sollte das 
nicht überbewertet werden: der Aufwand, ein Buch, das man sowieso hat, zu 
digitalisieren, um es dann ausschließlich als zusätzliches "digitales 
Präsenzexemplar" zu nutzen, muss sorgfältig abgewogen werden. Neu ist, dass 
dieses zusätzliche Präsenzexemplar in gleichem Umfang ausgedruckt und kopiert 
werden darf, wie das bei dem papierenen Bruder auch der Fall ist.

Spannend ist Ihre Frage nach Booktex. Bei Booktex geht es zunächst um etwas 
anderes, nämlich die Verwendung von kleinen Teilen von Büchern oder einzelnen 
Aufsätzen in digitalen Semesterapparaten (Lernplattformen). Im Gesetz (§ 52a 
UrhG) steht, dass die Verwendung nur erlaubt ist, wenn die Verwendung zum Zweck 
"geboten" ist. Der BGH hatte dazu früher geurteilt, dass eine solche 
"Gebotenheit" nicht gegeben sei, wenn es irgendwo angemessene Verlagsangebote 
zur Lizenz der Texte gibt. Ein solches Angebot macht Booktex. Faktisch hat die 
BGH-Rechtsprechung aber dazu geführt, dass alle Dozenten, die einen Text in 
einem Seminar anbieten wollten, erst umfangreiche Internet-Recherchen anstellen 
müssen, ob es irgendwo ein Angebot wie eben Booktex gibt. Dann muss der Dozent 
- wie auch immer - bewerten, ob dieses Angebot auch "angemessen" ist. Erst nach 
dieser Prüfung ist der gewünschte Text mit Angaben zum Kurs und dessen 
Teilnehmerzahl an die VG Wort zu melden und erst dann darf er tatsächlich im 
Seminar verwendet werden. Wie praxisfern das ist, lasse ich an dieser Stelle 
lieber unkommentiert...

Zurück zu §52b (=Leseplätze) und dem aktuellen Urteil: hier hatte insbesondere 
der EuGH gesagt - und der BGH ist dem nun gefolgt -, dass einseitige 
Verlagsangebote die Anwendung der Norm nicht aushebeln dürfen. Das ist aber im 
Prinzip genau die gleiche Konstellation wie bei den Verlagsangeboten zu § 52a 
UrhG, die eben auch einseitig die Anwendung der Norm aushebeln. Wir Juristen 
werden nun also - auch mit Blick auf die angekündigte Wissenschaftsschranke - 
verstärkt die Köpfe rauchen lassen, ob die neue BGH-Entscheidung zu § 52b auch 
auf den praktisch viel wichtigeren § 52a UrhG und damit auf Booktex etc. 
durchschlägt. Hier müssen wir aber noch die genauere Begründung zum gestrigen 
Urteil abwarten.

Beste Grüße!
Arne Upmeier

-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: Inetbib [mailto:inetbib-bounces@xxxxxxxxxxxxxxxxxx] Im Auftrag von Annette 
Kustos
Gesendet: Donnerstag, 16. April 2015 22:07
An: Internet in Bibliotheken
Betreff: Re: [InetBib] BGH-Entscheidung: Zur Zulässigkeit elektronischer 
Leseplätze in Bibliotheken

Lieber Herr Dr. Upmeier,
Ich gehe sicher richtig davon aus, dass damit nicht Hochschulzugriff oder die 
Lernplattfom gemeint sind, sondern der einzelne Leseplatz "in" der Bibliothek, 
dazu noch bezogen auf die Anzahl der gekauften Exemplare der Bibliothek.
Dennoch wäre doch damit auch das Geschäftsmodell von Anbietern wie Booktex 
dahingehend erledigt, dass die Bibliothek nur dann nicht mehr digitalisieren 
darf, wenn sie bereits einen Vertrag hat (man begucke seine E-Bookpakete), aber 
unabhängig von der Existenz von digitalen Angeboten?
Es lebe die Vertagsfreiheit :-) ??

Freundliche Grüße
A. kustos

Am 16.04.2015 um 17:26 schrieb "Upmeier Arne Dr. TU Ilmenau" 
<arne.upmeier@xxxxxxxxxxxxx>:

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

zur Einordnung: Dies ist ein großer Sieg der Bibliotheken vor dem BGH. Die 
Rechtsauffassung des dbv wurde voll (!) bestätigt. Der BGH hat festgestellt, 
dass es erlaubt ist:

1.) Bücher die eine Bibliothek im Bestand hat, zu digitalisieren, um 
sie
2.) an Leseplätzen in den Räumen der Bibliothek ihren Nutzern zur Verfügung 
zu stellen.
3.) Im gleichen Umfang wie bei gedruckten Büchern (kleine Teile) darf 
ausgedruckt und auch auf USB-Sticks gespeichert werden.
4.) Selbst angemessene Lizenzangebote der Verlage hindern diese Rechte der 
Bibliotheken nicht.

Ein großer Dank an die ULB Darmstadt, die diesen Erfolg für die deutschen 
Bibliotheken durchgefochten hat!

Fröhliche Grüße,
Arne Upmeier


---
Dr. Arne Upmeier

Universitätsbibliothek Ilmenau
Dezernent Benutzung
Fachreferent für Politik, Recht und Wirtschaft Langewiesener Straße 37
98693 Ilmenau

Tel.: 03677/69-4534





-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: Inetbib [mailto:inetbib-bounces@xxxxxxxxxxxxxxxxxx] Im Auftrag 
von Niemeyer, Ralf
Gesendet: Donnerstag, 16. April 2015 16:55
An: 'Internet in Bibliotheken'
Betreff: [InetBib] BGH-Entscheidung: Zur Zulässigkeit elektronischer 
Leseplätze in Bibliotheken

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

soeben wurde die Pressemitteilung Nr. 64/15 vom 16.04.2015  zu o.g. 
BGH-Entscheidung veröffentlicht.

Sie finden Sie unter:

http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?G
ericht=bgh&Art=pm&Datum=2015&Sort=3&nr=70808&pos=0&anz=64



Mit freundlichen Grüßen

--

i.A.

Ralf Niemeyer

Sachgebietsleitung Benutzung

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