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Re: [InetBib] Ich bin ein Informatiker, AMA



Lieber Herr Schnalke,

Bibliotheken und IT - ein weites Feld. Wenn ich zwischen den Zeilen Ihrer 
Antworten richtig lese, dann betrachten Sie die Informatik nicht isoliert, 
sondern in ihrer Einbettung in institutionelle und gesellschaftliche 
Zusammenhänge. Daher möchte ich als OPLer Ihre Sprechstunde gerne in Anspruch 
nehmen:

1. Neben all den grossartigen Möglichkeiten, die uns die digitale Revolution 
beschert hat, gibt es ja auch hin und wieder ein gewisses Unbehagen, das IMHO 
u.a. damit zusammenhängt, dass neue Abhängigkeiten entstehen, die ein 
Nicht-Informatiker noch weniger als ein Informatiker durchschaut. Um nur einmal 
eine Spitze eines Eisbergs als Beispiel zu nennen: Wenn man eine der grössten 
Bibliotheken Europas freundlich und mit den besten Absichten darauf hinweist, 
dass in ihrem Katalog immer wieder Scans von Titelseiten oder Einbänden falsch 
verknüpft sind, erhält man als Antwort, dass man da leider nichts tun könne, 
darauf habe man keinen Zugriff. Da wundert man sich dann als Benutzer - der ja 
nur helfen will. Vielleicht sehen Sie als Informatiker die durch die digitale 
Revolution entstandenen Abhängigkeiten klarer? Gibt es in der Informatik so 
etwas wie eine "kritische Informatik", die sich für solche Fragen interessiert? 
Wenn man nach kritischer Orientierung zur digitalen Revolution in der 
Bibliothekswissenschaft sucht, geht es halt leider gerne mal in eine 
ranzig-reaktionäre Richtung. Kennen Sie aus der Informatik progressive 
kritische Ansätze oder Literatur?

2. Sie haben freie Software im allgemeinen und konkret Debian angesprochen. 
Mich wundert in den ganzen Diskussionen um Openness im Bibliotheksbereich 
immer, dass Open Access offensichtlich problemlos ohne Open Source machbar ist. 
Wie viele KommilitonInnen haben damals im Berliner Studium ein freies 
Betriebssystem genutzt? Wie viele Open Office? Dass sich Open-Source-Software 
quasi zwangsläufig ausbreiten muss, ist nicht ausgemacht. Siehe z.B. den 
beabsichtigten Umstieg der Münchner Verwaltung von Linux zurück zu 
Microsoft-Produkten (siehe hier 
https://www.heise.de/newsticker/meldung/Muenchner-IT-Leiter-zu-LiMux-Es-gibt-keine-groesseren-technischen-Probleme-3644868.html
 und hier 
https://www.heise.de/newsticker/meldung/Aus-fuer-LiMux-Muenchner-Stadtrat-sagt-zum-Pinguin-leise-Servus-3626623.html
 und hier 
https://www.heise.de/newsticker/meldung/Nahendes-LiMux-Aus-Open-Source-Szene-trauert-Microsoft-jubelt-3627759.html
 ). Daher meine Frage: Wie sehen Sie die Bedeutung und das Verhältnis der 
beiden Schwestern Open Source und Open Access in Bibliotheken, Archiven, aus 
Sicht eines Informatikers?

Ein schönes Wochenende!

Mit besten Grüssen
Florian Ruhland

Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.