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[InetBib] Entwertung der GND




Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,

die Entwicklung der GND war und ist ein Quantensprung in dem Aufbau vernetzter, verlässlicher Rechercheinfrastrukturen. Im vergangenen Juni hat die DNB nun aber die Verknüpfung mehrerer tausend Personennormdatensätze von den bisherigen Titeldatensätzen gelöst. Die bisherigen GND-Links führen damit ins Nichts. Die Titel bleiben zwar weiterhin recherchierbar, die Verknüpfung mit weiteren Werken der jeweiligen Autor/innen oder weiterführenden Informationen - also dem eigentlichen informationstechnischen wie wissenschaftlichen Nutzen der GND - läuft jedoch ins Leere. Normdaten machen jedoch nur dann einen Sinn, wenn sie permanent verfügbar bleiben. Änderungen im System müssen zu Weiterleitungen führen, dürfen aber nicht in einer Sackgasse münden.

Verdeutlichen möchte ich die Problematik an einigen Beispielen:

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   Grimsley, Ronald (1963): Jean d'Alembert (1717 - 83). Oxford:
   Clarendon Press.

   Der Autor war bisher mit folgenden Link verknüpft:

   http://d-nb.info/gnd/151133948

   Dieser wurde nun gelöst, da vermeintlich keine ergänzenden
   individualisierenden Merkmale vorliegen. Der Virtual International
   Authority File http://viaf.org/viaf/24500 wie auch Wikidata
   https://www.wikidata.org/wiki/Q59527811 verfügen jedoch über die
   entsprechenden Daten. Konsequent wäre also die Ergänzung des
   Datensatzes, nicht aber dessen Löschung gewesen.

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   Heinlein, Otto (1939): August Bohse-Talander als Romanschriftsteller
   der galanten Zeit. Bochum: Pöppinghaus.

   Eine GND für den Autor ist nicht mehr auffindbar. DerVirtual
   International Authority File http://viaf.org/viaf/306074632
   verzeichnet ihn korrekt mit dem Geburtsdatum 1902. Ein Datum, das
   auch der DNB nicht unbekannt ist, schließlich hat sie die
   Dissertation als Digitalisat ins Netz gestellt
   https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:101:1-2012042510566 In der
   Dissertation ist wie üblich auch das Geburtsdatum angegeben.

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   Mein eigener Fall: Bisher gab es für mich zwei Datensätze

   http://d-nb.info/gnd/1158992467

   http://d-nb.info/gnd/110658175

   Publikationen von mir waren nur mit dem letzten Link verbunden. Die
   Verknüpfung mit dem Namen wurde nun gelöst, während der weiterhin
   vorhandene Link nur noch mit einigen biographischen Daten verbunden
   ist, nicht aber mit Titeln. Nun, ich hätte mich schon mal lange drum
   kümmern sollen. Sorry. Wenn man nun aber die früher mit dem zweiten
   Link verknüpften Werke mit dem ersten Link verbindet, so darf der
   zweite Link gleichwohl nicht wie vorgesehen gelöscht werden, da
   sonst externe Verknüpfungen ins Leere laufen. Korrekturen und
   Systemänderungen sollten konsequenterweise durch Weiterleitungen zum
   aktuellen, richtigen Link aufgefangen werden.

Das mit dem Vorgehen der DNB verbundene Anliegen, eindeutige und zuverlässige Entitäten zu identifizieren und zu beschreiben, ist grundsätzlich zu begrüßen, die Vorgehensweise, pauschal vermeintliche oder tatsächliche Unstimmigkeiten durch Entkoppelung und Löschung zu beseitigen, ist jedoch m. E. der falsche Weg und gefährdet die Akzeptanz der GND. Wäre es nicht vernünftiger, zunächst einen Datenabgleich mit anderen Normierungen vorzunehmen? So fällt immer wieder auf, dass GNDs gar nicht oder mit einem eigenen VIAF-Identifikator in der VIAF-Datenbank verzeichnet sind. Der Nutzwert der GND hängt doch auch von der systematischen und eindeutigen Verknüpfung mit anderen Identifikatoren ab. Weiterhin könnte man die wissenschaftliche Community zur Mitarbeit aufrufen, indem man um Mithilfe bei der Bereinigung von unklaren Datensätzen bittet. Eine weitere Möglichkeit wäre die Auflegung eines Sonderprogramms mit der Beschäftigung von studentischen Hilfskräften, die gerade in diesen Coronazeiten händeringend nach Beschäftigungsmöglichkeiten suchen.

Meine Mitarbeiter/innen und ich haben in den vergangenen Monaten bei der Vorbereitung des erweiterten Neuauftritts der bibliographischen Datenbank https://enzyklothek.de viel Zeit für die Verknüpfung der Datensätze mit den GND-Identifikatoren aufgebracht und können nun unsere Arbeit z. T. in die Tonne klopfen bzw. bieten den Nutzer/innen Links an, die nicht funktionieren. Anderen dürfte es ähnlich gehen.


Kurzum, mein Plädoyer: Erst Ergänzung und Korrektur sowie ggf. Weiterleitung innerhalb des Systems, aber kein Kahlschlag bei den Daten.

Peter Ketsch

Cliothek e. V.




Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.