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Re: [InetBib] Wissenschaftler*innen in Deutschland publizieren Open Access in Nature – ein weiterer Meilenstein in der Transformation wissenschaftlicher Zeitschriften wird 2021 erreicht



Lieber Herr Siems,

vielen Dank für diese wenig erfreuliche Mitteilung.
Ich war nicht an den Verhandlungen dieses Vertrags beteiligt und kann erst 
recht nicht für die MPDL sprechen. Aus den Erfahrungen der DEAL-Verhandlungen 
(und sonstigen Verhandlungen) kann ich aber ausschließen, dass diese Aspekte 
Gegenstand der Verhandlungen und Verträge sind. Zweifellos ein Desiderat, aber 
ein ganz dickes Brett

Auf den Aberwitz, dass die Nutzung einer Piratenseite aus Sicht des 
Datenschutzes besser als die Nutzung einer Verlagsseite ist, haben Sie ja schon 
hingewiesen. Ein weiterer Aberwitz ist der Umstand, dass sich Springer Nature 
einerseits mit Verweis auf die DSGVO weigert, Opt-Out-Artikel unmittelbar nach 
Einreichung zwecks Autorenverifikation an die Einrichtungen zu melden (wie es 
bei OA-Artikeln anstandslos geschieht), andererseits aber bedenkenlos etwas 
einsetzt, das, wie Sie schreiben, die britischen Datenschutzbehörde als 
unvereinbar mit der DSGVO erachtet.

Herzlichen Gruß
Bernhard Mittermaier
###########################################

Dr. Bernhard Mittermaier
Forschungszentrum Jülich GmbH
Leiter der Zentralbibliothek / Head of the Central Library
52425 Jülich
Tel  ++49-2461-613013
Fax ++49-2461-616103

Sitz der Gesellschaft: Juelich
Eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts Dueren Nr. HR B 3498
Vorsitzender des Aufsichtsrats: MinDir Volker Rieke
Geschaeftsfuehrung: Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Marquardt (Vorsitzender),
Karsten Beneke (stellv. Vorsitzender), Prof. Dr.-Ing. Harald Bolt




Message: 2
Date: Thu, 22 Oct 2020 07:55:09 +0000
From: "Siems, Renke" <renke.siems@xxxxxxxxxxxxxxxx>
To: "'inetbib@xxxxxxxxxx'" <inetbib@xxxxxxxxxx>
Subject: Re: [InetBib]  Wissenschaftler*innen in Deutschland
        publizieren Open Access  in Nature – ein weiterer Meilenstein in der
        Transformation wissenschaftlicher Zeitschriften wird 2021 erreicht
Message-ID: <d6df36a079f14cd599596de8b8a5e762@xxxxxxxxxxxxxxxx>
Content-Type: text/plain; charset="Windows-1252"

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

seitens der MPDL wird aktuell der Abschluss der Rahmenvereinbarung für einen 
Open Access-Transformationsvertrag mit Nature verkündet, was auf Twitter dann 
viele Anmerkungen vor allem zum Thema Kosten nach sich zog. Ich möchte gerne 
auf einen anderen Aspekt hinweisen, nämlich, welchen Dingen man schon jetzt 
begegnet, wenn man sich auf der Nature-Webseite bewegt. Als ich mir Ende 
August, also einige Zeit nach dem Schrems II-Urteil des EuGH, das letzte Mal 
die Seite näher ansah, waren dort folgende Tracker und verwandte 
Webtechnologien verankert:

Celtra
Usabilla
Google Tag Manager
Zemanta
Facebook Connect
ScoreCard Research Beacon
Google Analytics
AppNexus
Twitter Advertising
Permutive
Twitter Conversion Tracking
Facebook Custom Audience
Google Publisher Tags
Google Safeframe
Moat
Google Adsense
Google Ads Measurement
Amazon Associates
Rubikon
Amazon Mobile Ads
Rhythmone Beacon
Tradedesk
Adobe Audience Manager
Mediamath
Liveramp
Unruly Media
Yahoo Ad Manager Plus
DataXu
SiteScout
Simpli.fi
Turn Inc.
Rocket Fuel
Index Exchange
Yahoo Ad Exchange
Quantcast
Adition
MBR Targeting
Adform
Impresssion Desk
BidTheatre
Dotomi
Delta Projects
BlueKai
Beeswax
BidSwitch
OpenX
Teads
Bidtellect
Videology
MySpace
gumgum
AdGear
ScaleOut
Doubleverify
SpotXChange
PulsePoint
Tribal Fusion
Flashtalking
DoubleClick Spotlight
Advertising.com
Crimtan
Acuity Ads
Smart AdServer
The Reach Group
DoubleClick Floodlight
Affiliate Window
Atlas

Sie haben hier folglich das gleiche Potpourri an Third Parties wie bei 
Webseiten im frei zugänglichen Internet, die ihre Angebote über Werbetracking 
monetarisieren: einzelne Tracker, Audience Tools, die Informationen aus 
unterschiedlichsten Quellen gebündelt auswerten (und dafür mit vielen Partnern 
Daten austauschen), Real Time Bidding Data (also die Echtzeitversteigerung von 
Nutzerdaten) und Browser Fingerprinting, um Seitenbesucher zu identifizieren, 
die das durch ihre Browser-Einstellungen eigentlich unterbinden wollen.

Die eingesetzten Technologien sind in der Lage, jeden Seitenbesucher zu 
identifizieren und sein Informationsverhalten auszuwerten. Manche dieser 
Anbieter gehen dabei so weit, dass sie sich wie BlueKai (gehört zu Oracle) 
gegenwärtig Sammelklagen in den Niederlanden und Großbritannien gegenübersehen. 
Die Praxis personalisierter Werbung, die auf Echtzeitauktionen basiert, wird 
von der britischen Datenschutzbehörde mittlerweile als unvereinbar mit der 
DSGVO betrachtet. Anbieter wie Acxiom/liveramp sind wiederum seit Jahrzehnten 
im Geschäft und können daher für personalisierte Profilbildung auf Daten bis in 
analoge Zeiten zurückgreifen.

Für die Transformation des wissenschaftlichen Publikationswesens hin zu Open 
Access ist es wichtig, diese Entwicklung im Blick zu behalten. Der Einsatz 
dieser Technologien und deren Ergebnis wird durch eine Richtungsänderung der 
Zahlungsströme an sich erstmal nicht tangiert. Wir sehen seit Jahren eine 
Mutation der großen Verlage weg von einem Inhaltsanbieter zu einem data 
analytics business (das lässt sich in der „landscape analysis“ von SPARC 
komprimiert nachlesen) und manche werden sicher auch noch die Aussage des 
Marktführers im Ohr haben, zum „Betriebssystem der Wissenschaft“ werden zu 
wollen. Je nach eigener Meinung kann man das unterschiedlich wahrnehmen, auf 
den Einsatz von ThreatMetrix auf der Plattform ScienceDirect wurde hier auf der 
Liste ja auch gerade hingewiesen. Die Verlage bringen in diesem Kontext 
momentan gerne das Argument von der IT-Sicherheit und dem Schutz der 
Bibliotheksnutzer vor, gerade mit Verweis auf die böse Plattform aus dem Osten. 
Wenn man sich aber das Spiel erlaubt, den gleichen Artikel auf der 
Nature-Webseite und auf der Webseite der 
Frau-dessen-Name-nicht-genannt-werden-darf aufzurufen, so findet man bei Nature 
eben die Liste oben und auf der anderen Plattform Yandex Metrics, einem Pendant 
zu Google Analytics. Das Spiel geht also mit dem Endergebnis 73:1 aus, und da 
kann sich jede*r selbst seinen Reim auf das Thema Nutzerdatenschutz machen.

Es wäre daher gut, wenn die Kolleg*innen der MPDL bei den in Aussicht 
gestellten Detailinformationen auch genau darüber unterrichten, was die 
getroffenen Vereinbarungen im Bereich User Tracking und Datenschutz generell 
sind. Schließlich sind das ja alles keine neuen Erkenntnisse, sondern war auch 
schon zur Zeit der Verhandlungen des Springer-DEAL-Vertrags bekannt. Es wird 
gerade die Wissenschaftler*innen, die in patent-relevanten Forschungsbereichen 
aktiv sind oder generell in Bereichen, wo es eine starke Konkurrenz zwischen 
öffentlicher und kommerzieller Forschung gibt wie KI, personalisierte Medizin 
oder Materialwissenschaften, sicher interessieren, wer in welcher Form ihr 
Informationsverhalten beobachtet und wo die Daten dann überall hingehen. Ebenso 
möchten die Einrichtungen, die dem Nature-Vertrag beitreten wollen, vielleicht 
sicher sein, dass sie damit nicht einem neuen double dipping Vorschub leisten, 
worin Autoren mit APCs bezahlen und Leser mit der Preisgabe ihrer persönlichen 
Daten. Wir wollen alle Open Access unterstützen, aber vielleicht nicht gerade 
solche Dinge.

Wer sich mit der Thematik etwas mehr auseinandersetzen möchte, hier ein paar 
Links:

https://www.codyh.com/writing/tracking.html
https://www.youtube.com/watch?v=uAzt-iJEkvU&feature=youtu.be
http://www.inthelibrarywiththeleadpipe.org/2019/ice-surveillance/
https://twitter.com/WolfieChristl/status/1286341387718397952

Viele Grüsse von R. Siems

Dr. Renke Siems

Universitätsbibliothek Tübingen
Leitung Abteilung Benutzung
Fachreferat Sozialwissenschaften
Wilhelmstraße 32
72074 Tübingen
Tel.: 07071/29-72838
Fax: 07071/29-3123
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