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Re: [InetBib] Verleih elektronischer Bücher



Julia Reda hat es auf der diesjährigen Tagung des Aktionsbündnis wie folgt 
begründet:
Die EU sieht aufgrund der einschlägigen EuGH Entscheidungen keine Notwendigkeit 
die RL zu ändern, da den Bibliotheken das Recht zustehe E-Books zu verleihen. 
Woran es mangelt, sind halbwegs mutige Bibliotheken die bereit sind, 
entsprechende Musterverfahren zu führen.

Zur Prozessfinanzierung können sie sich an die Gesellschaft für Freiheitsrechte 
in Berlin wenden. Dort ist auch Frau Reda tätig.

Jetzt aber wirklich: Frohe Weihnachten!
von unterwegs gesendet
Tippfehler bitte ich zu entschuldigen 

Am 23.12.2020 um 17:45 schrieb Talke, Armin via InetBib <inetbib@xxxxxxxxxx>:

Liebe Diskutanten,
ich versuche, es zusammenzufassen:


1.       Die analoge Leihe ist nach deutschem Urheberrecht aufgrund von § 27 
Abs.2 UrhG zulässig

2.       Die (digitale) Nutzungsüberlassung eines E-Books an weitere Personen 
fällt nicht darunter, weil nach dt. Urheberrecht dafür die "Erschöpfung" 
i.S.d. § 17 Abs.2 Urhg erforderlich wäre. Das ist aber bei einer digitalen 
Zugänglichmachung nicht der Fall. Weil es also die ("automatische") 
gesetzliche Erlaubnis zur digitalen "Leihe" im deutschen Urheberrecht nicht 
gibt, braucht man dafür die Zustimmung ("Lizenz") des Anbieters / 
Rechteinhabers.

3.       Daher ist ausschlaggebend, was Amazon in seinen Kindle-Bedingungen 
für Erlaubnisse ("Lizenzen") erteilt.

4.       Die Weitergabe einer nach § 60e Abs.1 UrhG angefertigten Archivkopie 
auf einem Kindle fällt übrigens ebenfalls nicht unter den 
Erschöpfungsgrundsatz nach § 17 Abs.2, weil die Kopie nicht "mit Zustimmung 
des zur Verbreitung Berechtigten .... in Verkehr gebracht" wurde. Ein Kindle 
mit der direkt bei Amazon/ beim Rechteinhaber heruntergeladenen Kopie darf 
aber natürlich verliehen oder verschenkt oder wasauchimmer werden

Der dbv fordert die (weitgehende) Gleichstellung des E-Lending mit der 
analogen Leihe (also die "automatische" gesetzliche Erlaubnis) seit 2012. 
Auch in dieses Jahr haben wir uns auch mehrmals mit Bundestagsabgeordneten 
Ministeriums-MitarbeiterInnen, AutorInnenen und Verlegern darüber 
ausgetauscht.
Die Sache ist nicht ganz einfach, weil die Forderung nach  Gleichstellung 
analog/digital bei Verlagen und AutorInnen Ängste um Einnahmen und 
Lebensunterhalt weckt. Ich bin allerdings der Ansicht, dass den Vorbehalten 
durch einen gute gesetzliche Regelung in Verbindung mit einer vernünftigen 
Vergütungsvereinbarung (mit der VG Wort) Einhalt geboten werden kann und muss.

Dazu aus der Stellungnahme des dbv vom 14.9.2020: 
2020_09_dbv_Stellungnahme_E-Books_Formulierungsvorschlag_im_Rahmen_der_Umsetzung_der_EU-Urheberrechtsrichtlinie_final.pdf
 
(bibliotheksverband.de)<https://www.bibliotheksverband.de/fileadmin/user_upload/DBV/positionen/2020_09_dbv_Stellungnahme_E-Books_Formulierungsvorschlag_im_Rahmen_der_Umsetzung_der_EU-Urheberrechtsrichtlinie_final.pdf>
"Aus Sicht des dbv soll für eine gesetzliche Regelung die Bibliothekstantieme
auf e-Medien ausgeweitet werden. Dazu schlägt der dbv vor, in § 27 Abs. 2
UrhG einen neuen Satz 2 einzufügen:
Beim Verleihen von Medienwerken in unkörperlicher Form gelten die
Regelungen über das Verleihen nach § 17 Abs. 2 entsprechend.
Im neuen Satz 3 (bisher Satz 2) ist zu ergänzen: Verleihen im Sinne von Satz 1
und 2 ist...


Begründung
Nach Urteil C-174/15 des Europäischen Gerichtshofs ist die elektronische
"Leihe" bereits nach geltendem EU-Recht zulässig, und EU-Mitgliedstaaten
dürfen gesetzliche Regelungen einführen, die Bibliotheken grundsätzlich das
Recht einräumen, E-Books zu verleihen. Zur Umsetzung dieses Urteils reicht es
nach Auffassung des dbv aus, Art. 1 I, Art. 2 I Buchst. b und Art. 6 I der RL
2006/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.12.2006
zum Vermiet- und Verleihrecht sowie zu bestimmten dem Urheberrecht
verwandten Schutzrechten im Bereich des geistigen Eigentums in das
deutsche Urheberrechtsgesetz dahingehend zu übertragen, dass der Begriff
"Verleihen" im Sinne dieser Vorschriften das Verleihen einer digitalen Kopie
eines unkörperlichen Werkes erfasst.
Der EuGH hatte allerdings auch geurteilt, dass die E-Ausleihe den
Erschöpfungsgrundsatz, der im deutschen Recht in § 17 Abs. 2 UrhG geregelt
ist, nicht tangieren würde. Da sich der derzeitige § 27 Abs. 2 UrhG aber 
direkt
auf § 17 Abs. 2 UrhG bezieht, kann die Anwendung bei nicht-körperlichen
Medienwerken nur "entsprechend" erfolgen. Zugleich ist mit der
vorgeschlagenen Ergänzung aber klargestellt, dass die Ausleihe von
unkörperlichen Medienwerken erlaubt und - da auf einer entsprechenden
Anwendung von § 17 Abs. 2 UrhG beruhend - auch nicht vertraglich
disponibel ist.
Die Formulierung "Medienwerke in unkörperlicher Form" ist § 3 Abs. 3 des
Gesetzes über die Deutsche Nationalbibliothek vom 22. Juni 2006
entnommen und ist dort näher bestimmt."

Frohe Weihnachten !

Armin Talke, LL.M.
Fachreferent für Politikwissenschaft / Referent für Rechtsfragen der 
Bibliotheksbenutzung
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