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RE: Re: Internet = Tod des Buchhandels? (Fwd)



Olaf Kuehnel schreibt zu obigem Thema:

>Das will ich nicht unwidersprochen akzeptieren!
>Das Internet war immer ein nichtkommerzielles Netz. Wenn nun 
>ploetzlich dessen Nutzer als potentielle Kunden von kommerziellen 
>Anbietern erkannt werden und diese sich nun daraufhin ins Netz 
>stuerzen, so ist das doch hoffentlich kein Grund die bisherigen 
>Grundlagen zu aendern!!!
>
>Ich habe keineswegs etwas gegen die Privatwirtschaft, aber dann 
>soll diese doch ein eigenes Netz aufziehen, anstatt 'unser' Netz nach 
>ihren(!) Beduerfnissen umzustricken!

Wenn es um Besitzansprueche geht, dann gehoert das INTERNET wohl am 
ehesten dem steuerzahlenden Buerger, also uns allen, und zwar unabhaenig, 
ob in oder ausserhalb der Privatwirtschaft taetig. 

Auch wenn Unis und Bibliotheken eher das INTERNET genutzt haben, 
rechtfertigt dies meiner Meinung nach keinen Besitzanspruch. Der gesell-
schaftliche Auftrag, den Universitaeten und Bibliotheken zu erfuellen 
haben, verpflichtet sie ja geradezu, Ihre Dienste und Errungenschaften
der Allgemeinheit, und das heisst nun eben auch der Privatwirtschaft, 
zur Verfuegung zu stellen. Letztendlich finanziert die Allgemeinheit
die Bibliotheken doch genau dafuer.

Dies auch als Antwort auf die Sichtweise mit dem "Gehalt vom Girokonto.."
(Mail Herr Doehmel). Mich hat doch nur stutzig gemacht, dass offenbar
problemlos akzeptiert wird, wenn durch das INTERNET moeglicherweise 
Arbeitsplatze im Buchhandel in Gefahr gebracht werden (ob man daran was 
aendern kann, bleibt eh die Frage).

Wenn man sich das von Olaf Kuehnel angedachte Szenario wirklich vorstellt, 
der "Kampf des guten INTERNETs gegen das andere PRIVATNET" - wer wird 
wohl gewinnen? Stellen Sie sich die hunderten von Satelliten vor, die
Bill Gates in den Weltraum schiessen wird, um SEIN Netz zu realisieren.
Wer hat da wohl den laengeren Atem? Und auf welchem Netz werden die
besseren Produkte, die Renner, wohl angeboten?

Die bisherigen Grundlagen sollen auch nicht geaendert werden, aber der
Verweis auf die Problematik der Konsequenzen sei doch
allein aus sozialen Erwaegungen angebracht. Wie waere wohl die
Reaktion, wenn nun anstelle des Buchhandels die Bibliotheken, also die
Bibliotheksmitarbeiter selbst, betroffen waeren? 

Oder schon sind! - die Frage erscheint gar nicht so abwegig. Wieviele Mitarbeiter 
benoetigt eine virtuelle Bibliothek? Wenn die Datenautobahnen (Satelliten,
siehe oben..) dereinst stehen, ja wieviele virtuelle Bibliotheken brauchen 
wir dann noch? Doch genau nur eine! Da freut sich Waigel, denn die
Kosteneinsparungspotentiale in der Bibliothekswelt sind angesichts der 
neuen Technologien doch riesig! Keine Ausleihe -> alles runterladen, 
keine Regale -> alles auf Festplatten, usw. Denkt man dies endlos weiter, 
dann muesste man fast zu dem Schluss kommen, dass mit dem INTERNET
der Ast auf dem die Bibliotheken sitzen (=das oeffentliche Informations-
verteilungsmonopol), gerade abgesaegt wird. 

Somit liegt die einzige Chance doch nicht in der Konfrontation ("...soll 
diese doch ein eigenes Netz aufziehen,..", siehe oben), sondern nur in
der Kooperation als kompetenter Partner mit jahrhundertelanger 
Erfahrung in der Informationsarchivierung und -vermittlung!
Andernfalls werden diese Bibliotheken vielleicht vom Markt weggefegt.

Wenn auch mal eine Coca-Cola-Werbung durch das INTERNET rauscht, was solls! 
Besser als wenn Millionen von Bibliothekaren per "PRIVATNET" neue Jobs 
suchen! (Und wir dann auch, weil wir keine Kunden mehr haben ;-)

In Michael Scharwaechters Mail moechte ich vorsichtig den versteckten
Glashaus-Aspekt kritisieren. "Potentielle Kunden" sind nichts boesartiges,
"Weils Geld bringt und in ist" nichts grundsaetzlich schlechtes - dies 
sind in Reinkultur echte Werte unserer Gesellschaftsform. Genau diese
Interessen sind es, die motivieren und zu Leistung anspornen. Universitaten 
und Bibliotheken leben nicht in einem "kommerzfreien" Glashaus, 
sondern sind echter und vollwertig integrierter Bestandteil unseres
Wirtschaftssystems - ob sie es wollen oder nicht. Die erhoffte diesbzgl.
Unschuld kann heute keine oeffentliche Einrichtung mehr fuer sich in 
Anspruch nehmen.

Tut mir leid, dass ich mich wieder so ausgebreitet habe, aber dieses Thema
macht Spass und ist anspruchsvoll, wie sehen Sie das?

Mfg Christian Heinisch

H+H
Zentrum fuer Rechnerkommunikation GmbH
Goettingen






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