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Re: Börsenverein gegen Bibliotheken



Sehr geehrter Herr Dr. Müller,

Ihre mail ist soeben an Forum ÖB weitergeleitet worden. Könnten Sie trotzdem an dieser Stelle kurz schildern, was der Inhalt der Schreiben des Börsenvereins an die betroffenen Bibliotheken ist, damit andere ÖB und auch die Fachstellen informiert sind. Bei uns landen erfahrungsgemäß viele Anfragen zu solchen Vorgängen. Vielen Dank.




Harald Müller schrieb:
Liebe Kolleginnen und Kollege!

In den letzten Tagen haben einige öffentliche Bibliotheken von der Rechtsabteilung des Börsenvereins Post bekommen. Ich will mich hier nicht ausführlich zu den juristischen Fragen äußern, sondern nur kurz anmerken, daß die Behauptungen des Börsenvereins absolut unhaltbar sind. Sie widersprechen dem geltenden Recht. Die Rechtskommission des DBV hilft den betroffenen Bibliotheken bereits.

Diese erneute Attacke des Börsenvereins sollte für uns alle aber Anlaß sein, über die Funktion der Bibliotheken bei der Literaturförderung nachzudenken. Bibliotheken erbringen zahlreiche Dienstleistungen und Maßnahmen, wie literarische Veranstaltungen, Dichterlesungen, Listen mit Literaturempfehlungen, Leseförderung mit Kindern, die sich nachweislich positiv auf den Verkauf von Literatur auswirken. Ich bin der Meinung, daß Bibliotheken solche Aktionen, die sich eindeutig umsatzsteigernd für Buchhandel und Verlage auswirken, nicht mehr länger kostenlos anbieten dürfen. Wie die fortwährenden Aktionen des Börsenvereins gegen deutsche Bibliotheken eindrucksvoll unter Beweis stellen, wird die Literaturszene nur noch von ökonomisch orientiertem Denken beherrscht. Da können und dürfen Bibliotheken sich mit ihrer zentralen Funktion als Vermittler von Literatur nicht abseits stellen. Ich halte folgende Tarife für angemessen: Für eine Dichterlesung sollte eine Bibliothek 3000,- Euro
verlangen, für die Vorstellung eines Buches auf einer literarischen Veranstaltung 1000,- Euro und für die Aufnahme eines Titels in eine Empfehlungsliste 100,- Euro. Die öffentlichen Bibliotheken sollten sich auf bundeseinheitliche Tarife einigen. Sonstige Maßnahmen zur Literurförderung sollten entsprechend ihrem verkaufsfördernden Wert für die Verlage angemessen tarifiert werden. Die durch diese Aktionen eingehenden Gelder verwenden die Bibliotheken zum Ankauf von neuer Literatur.

Der aktuelle Vorstoß des Börsenvereins ist höchstwahrscheinlich nicht intern abgestimmt, vor allem nicht mit dem Ausschuß für den Sortimentsbuchhandel. Ziel der juristischen Attacke ist es nämlich, den Erwerbungsetat, d.h. die Kaufkraft der Bibliotheken zu schmälern. Der örtliche Buchhandel wird sicherlich nicht darüber erfreut sein, wenn die von ihm belieferte öffentliche Bibliothek im Monat z.B. 1000,- Euro weniger ausgibt. Ich gehe davon aus, daß die Rechtsabteilung des Börsenvereins die Buchhändler vor ihrer Aktion überhaupt nicht befragt hat. Deshalb sollten die betroffenen Bibliotheken umgehend ihre örtlichen Buchhändler über diesen Vorgang informieren.


Bibliotheken müssen auf die fortwährenden Attacken des Börsenvereins mit den gleichen Mitteln reagieren. Bibliotheken müssen noch viel stärker marktwirtschaftlich agieren!

Mit vorweihnachtlichen Grüßen

Dr. Harald Müller

PS: Ich habe nichts dagegen, wenn jemand diese Mail auch in ForumÖB postet.




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Günter Bassen

Büchereizentrale Lüneburg
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