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Re: [InetBib] Konsortium Baden-Württemberg unterzeichnet zukunftsweisenden Vertrag mit dem Wissenschaftsverlag Springer



Hier ein paar Klaerungen, denn so kann ich manche der Aussagen
einfach nicht stehen lassen.

[2014-11-04 13:06] Klaus Zehnder <klaus.zehnder@xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx>

Kommerzielle Verlage sind halt Fachverlage, deren
unternehmenswertsteigerndes Wissen in ihren bereits getätigten
Publikationen liegt. Größere Verlage, und es gibt ja bekanntlich eine
Tendenz zur Konzentration, haben nicht nur ein großes know-how im
Vertrieb usw., auch Kundenbetreuung, wie man schon geschrieben hat,
sondern auch einen Fundus an Inhalten, und die Nachhaltigkeit scheint
bei ihnen gut gewährleistet.

Sie haben ein Nachhaltigkeitsdenken fuer das eigene Geschaeftsmodell,
ja. Ein Nachhaltigkeitsdenken darueber hinaus aber wohl kaum. Wenn
die Inhalte einmal nicht mehr auf dem unternehmenswertsteigernden
Pfad liegen ist es mir der Nachhaltigkeit auch vorbei. Das sollte
einem klar sein. Wie gross man das Risiko dafuer einschaetzt ist eine
andere Frage.


Wieviele Internetseiten wurden inzwischen schon wieder gelöscht,
auf die man dachte, für ewig Zugriff zu haben? Manchmal wird
Ähnliches in inetbib beklagt. Aber Verlässlichkeit durch
Nachhaltigkeit im kostenlosen open access-Bereich kann ja noch
kommen, mit den entsprechenden Rahmenbedingungen, die aber
ebenfalls verlässlich auf Dauer berechnet sein müssen.

Man darf nicht davon ausgehen, dass man mit Open Access den gleichen
Service bekommen wuerde, nur halt fuer umsonst. Nein, man bekommt
einen anderen Service, hat aber auch andere Moeglichkeiten. Wer zahlt
kann weiterhin fremdangebotene Verlaesslichkeit und Nachhaltigkeit
bekommen. Da muss sich gar nichts aendern. Mit Open Access ist es
aber zusaetzlich moeglich, dass jeder sein eigenes Archiv anlegt und
dass so die Menschheit gemeinschaftlich *dezentral* das archiviert
was sie fuer erhaltenswert haelt. Aus meiner Sicht hat das viele
Vorteile, aber auch Nachteile.

Dass Websiten verschwinden, liegt aber insbesondere daran, dass man
sie rechtlich nicht einfach archivieren darf. Zum einen ist Open
Access ein undefinierter Begriff (wodurch niemand weiss was er damit
nun darf) und zum anderen kann man sich je nach Definition von Open
Access fragen, ob eine Website darunter faellt. Der grossartige
Service den das Internetarchiv (archive.org) fuer die Menschheit
bietet ist in Deutschland leider illegal.


Interessant dürfte die Sparte der open access publizierten
Forschungsdaten, den sogenannten Primärdaten sein, auf denen eine
GNU-Lizenz bzw. der GNU vergleichbare liegt.

Um die notwendige Genauigkeit einzubringen: Mit ``einer GNU-Lizenz''
ist sicher die GPL (GNU General Public License) gemeint. (Sie ist
aber nicht die einzige Lizenz des GNU-Projekts.) Eigentlich ist hier
nur eine besondere Eigenschaft dieser Lizenz gemeint: das Copyleft.
(Dieses wird im Creative-Commons-Umfeld ``share-alike'' genannt.)

Momentan kann aber jeder Kommerzielle open
access-Publizierte Daten verwenden wie er will. Und auch jeder
Nicht-Kommerzielle, d.h. sie dürfen sie auch zu kommerziellen
Publikationen verwenden.

Das hat in keiner Weise etwas mit kommerziell zu tun -- das ist nur
eine unausrottbare Annahme. Es geht um Freiheit oder Unfreiheit,
nicht um kostenlos oder kommerziell. Inhalte fuer die die GPL gilt
duerfen und sollen (!) verkauft werden. Die Free Software Foundation
und das GNU-Projekt vertreten diese Sichtweise explizit.
        https://www.gnu.org/philosophy/selling.de.html
Die Inhalte duerfen nur nicht unfrei (d.h. proprietaer) werden ...
aus diesem Grund mag das finanziell fuer Firmen wenig attraktiv sein,
aber es haelt sie niemand davon ab. Primaerdaten unter der GPL
duerfen also auch zukuenftig in kommerzielle Publikationen verwendet
werden.

Zudem: Hier wird davon geredet, was man mit aktuellen Open Access-
Inhalten machen darf. Ich finde diese Aussage absurd. Open Access ist
nicht einheitlich definiert. Man kann also keine Aussagen fuer den
Open Access als ganzes treffen. Eine groesse Menge an Inhalten, die
als Open Access bezeichnet werden haben zudem keine Lizenzen. Man
kann also nur raten was man darf und was nicht. (Eine Anfragen von
mir an einen Verlag, welche Rechte ich bei den von ihm als Open
Access ausgezeichneteten Inhalte haette, blieb nach einigem Hin und
Her letztlich unbeantwortet. Ich denke, der Verlag wusste es selbst
nicht.)

Und wenn man auch gemeinhin alle Werke unter Creative-Commons-
Lizenzen als Open Access ansehen wuerde, die damit verbundenen
Rechte sind je nachdem welche der Lizenzen gewaehlt wurde sehr
unterschiedlich. Letzlich komme ich fuer mich zu dem Schluss, dass
das einzige Recht, von dem ich ausgehen kann, dass es Open Access
generell bietet, das kostenfreie Anschauen der Inhalte ist (das
bieten mir aber urheberrechtlich geschuetzte Websites seit
Jahrzehnten genauso). Erst durch die Vergabe von konkreten Lizenzen
wird Open Access darueber hinaus nutzbar.


markus

-- 
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