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Re: Internet-Ressourcen / Katalogisierung



   Herr Eversberg legt, denke ich, seinen Finger
in eine durchaus existierende Wunde, fuer die
Pflaster oder sonstige Verbandsmaterialien
gefunden werden muessen. Aber ich meine wir
sollten nicht darauf verzichten, den Patienten
Internet-Resourcen zu behandeln, nur weil wir
keine wirklich passenden Kompressen haben.

Will heissen:

1.)   Ob Internet-Resourcen mit ihren bekannten
Problemen katalogisiert wie Monographien im OPAC
neben diesen ihren besten Platz haben, weiss ich
auch nicht recht. Erster einschraenkender Faktor
ist wohl die zur Verfuegung stehende (oder eben
nicht zur Verfuegung stehende) bibliothekarische
Arbeitszeit. Ansonsten sollte es sich wohl nach
den Wuenschen der Bibliothekskunden richten. Gibts
da schon irgendwelche Umfrage-Ergebnisse,
Erfahrungen, Erwartungen?
   Stevan Harnad, Herausgeber von *Psycholoquy*,
der in mehreren Diskussionen ueber eJournals recht
aktiv war, hat meiner Erinnerung nach mal gesagt
"let the Web catalog the Web". Vielleicht hat er
ja recht, und ein Zettel neben dem OPAC (bzw. eine
Zeile auf dem WWW-Formular fuer die OPAC-Recherche)
"Fuer Recherchen zu elektronischen Zeitschriften
und anderen Internet-Materialien konsultieren
Sie bitte http://www.bibl.xyz.de/diesdas.html";
waere besser, als korrekturbeduerftige Titel-
aufnahmen im OPAC? Wie gesagt: Was wollen und
erwarten die Kunden?

2.)   Wenn man bedenkt, dass im Deutschen das
Wort "Katalog" nicht nur fuer zettel- oder
datenbankfoermige Suchhilfsmittel in Biblio-
theken verwendet wird, sondern auch noch fuer
eine Menge anderer Verzeichnisse (von Versand-
haeusern, EDV-Anbietern, und und und), kann man
sagen, dass auch nicht OPAC-foermige Verzeichnisse
von Internet-Resourcen "Kataloge" sind, und dass
in ihnen Internet-Resourcen katalogisiert werden,
und das nicht selten, und haeufig gut, von
Bibliotheken. Und zumindest derartige Kataloge
brauchen wir m.E. durchaus.

3.)   Jedes groessere (und manches kleinere!)
Verzeichnis von Internet-Resourcen wird Links
enthalten, die nicht mehr aktuell sind.
Mein kleines Verzeichnis URL=http://www.gwdg.de
/~hkuhn1/webpages.html hat heute morgen einen
(ungeprueften) Verweis auf "http://herald.usask.ca
/~scott/publish.html" erhalten. Heute abend oder
morgen werde ich ihn - Dank Frau Buehler! - auf
"http://www.lights.com/publisher"; aendern. Bis dahin
enthaelt das Dokument einen Fehler. ((Am Anfang des
Dokuments steht uebrigens ein Warnhinweis, dass
manche der Links drin nicht getestet wurden.)) Andere
Links in dem Dokument aber koennen durchaus von
Nutzen sein. Auf Verzeichnisse von Web-Resourcen
zu verzichten nur weil sie teilweise nicht
korrekt sind, halte ich fuer wenig sinnvoll.
Und aus Benutzersicht ist's zumindest bei mir
so, dass ich mich ueber ein falsches Link in
anderer Leute Verzeichnissen weitaus weniger
aergere, als wenn ich ueber Netz im OPAC einer
grossen sueddeutschen Bibliothek ein Buch
von 1994 bestelle, die EDV mir sagt, die
Bestellung sei ok gegangen, ich koenne das
Buch abholen, und ich dann am Ausleihschalter
erfahre, das Buch sei leider im Geschäftsgang
untergegangen, Ort nicht feststellbar, ich
moege mich in einigen Monaten wieder melden ... .
Falsche Links sind natuerlich nicht erfreu-
lich, aber sie rauben nicht so fuerchterlich
viel Zeit ... .

4.)   Dennoch gibts natuerlich Versuche, die
Zahl falscher Links zu verringern. Die Dis-
kussionen ueber URNs (uniform resource nomi-
nators) sind ein Zeichen dafuer. Ob URNs wirk-
lich was bringen wuerden, zweifle ich aller-
dings.

5.)   Betreffend eJournals habe ich - auf dem
Hintergrund aehnlicher Zweifel ueber dauerhafte
Verfuegbarkeit - in einer Diskussion in einer
anderen Liste vertreten, dass eJournals nur
dann auf Dauer eine Zukunft und Chance auf
weitreichende Abloesung papiergebundener Zeit-
schriften haben werden, wenn sie auf mehreren
"garantierten" Servern archiviert werden.
((War als notwendige, nicht als hinreichende
Bedingung gedacht.)) An meiner Einschaetzung
hat sich hier nichts geaendert.

6.)   Herr Eversberg schreibt:
> Wenn man erst tausende oder auch nur mehrere
> hundert URLs katalogisiert hat, kann ja kein Mensch
> routinemaessig nachpruefen, ob noch alles stimmt.
> Schreibt man ein Programm, das alle katalogisierten
> Adressen jeden Tag abklappert?
Derartige Automaten sind m.E. von eingeschraenkter
Nuetz-lichkeit, da sich auch bei noch bestehenden
Links bei einem Dokument, auf das verwiesen wird, so
ziemlich alles, vom Titel ueber den Autor bis hin zum
Inhalt geaendert haben kann. Andererseits koennen
vom Automaten nicht erreichte Dokumente auch durchaus
noch existieren, und nur voruebergehend, z.B. auf-
grund von Serverproblemen, unzugaenglich sein.
Automaten koennen helfen, aber sie koennen m.E. weder
das eigene Hingucken, noch Hinweise von "Nutzern" der
entsprechenden Links ersetzen.
   Herr Eversberg schreibt dann:
> Sollte man nicht besser alles dransetzen, Internet-
> oder auch nur Web-interne Instrumentarien zu schaf-
> fen, die eine bessere Erschliessung als Ergebnis
> haben als was es jetzt gibt? Wird wohl zunaechst
> daran scheitern, dass es niemand gibt, der fuer's
> Ganze zustaendig oder gar verantwortlich ist, son-
> dern nur eine Unzahl von Interessengruppen, die
> zufaellig dieselbe Infrastruktur benutzen.
Bessere Erschliessungs-Automaten sind gewiss ein De-
siderat, aber ich bin mir nicht ganz sicher, ob die
Bibliotheken diejenigen sind, die sie schaffen koen-
nen und/oder sollten. (Wie sehen das die anderen
Inetbiblerinnen und Inetbibler?) Bis es hinreichend
perfekte Erschliessungsautomaten gibt (was sich, das
sehe ich aehnlich wie Herr Eversberg, wohl noch deut-
lich hinziehen wird) darauf zu verzichten auch
bibliotheksseitig moehglichst brauchbare Zugaenge zu
Internet-Resourcen zu bieten (gleich ob man das nun
"katalogisieren" oder sonstwie nennt), darauf zu ver-
zichten scheint mir, wie oben erwaehnt, wenig sinn-
voll. "Vollkommen oder gar nicht" scheint mir hier
nicht die richtige Alternative.

7.)   Herr Eversberg schreibt:
> Das bibliothekarische Katalogisieren von Internet-
> ressourcen halte ich, mit Verlaub gesagt, fuer eine
> nochmals grundsaetzlich zu pruefende Idee (haette
> doch beinah Schnapsidee gesagt). Wir wuerden dann
> erstmals Dinge katalogisieren, die gar nicht fixiert
> sind und ueber die wir keinerlei Kontrolle haben.
> Ein Katalog spiegelt bisher immer einen Bestand,
> also etwas Vorhandenes, auf das man an Ort und
> Stelle mit gewisser Zuverlaessigkeit zugreifen kann -
> nichts Virtuelles, das morgen schon weg oder ganz
> woanders oder voellig veraendert sein kann.
Mit dem "deskriptiven" Teil des Satements (was ein
[Bibliotheks-!]katalog derzeit ist, und wie er sich
durch die Aufnahme von URLs [die nicht auf die ei-
genen Server verweisen!] veraendern wuerde,) stimme
ich Herrn Eversberg zu. Die Folgerungen daraus sol-
lten m.E. im Blick auf Zeitkontingent und Kunden-
interessen gezogen werden. Sie duerften dann ver-
mutlich nicht notwendig heissen "keine Katalogi-
sierung!", sondern sie koennten auch heissen
"Katalogisierung in eigenen Verzeichnissen" oder
sogar "Katalogisierung im OPAC mit Warnhinweisen fuer
Verweise auf nicht-eigene Resourcen".

8.)   Wir haben derzeit (fast alle) getrennte Kata-
loge fuer Handschriften und fuer Gedrucktes. Ich per-
soenlich bevorzuge tendentiell in Analogie dazu auch
getrennte Kataloge fuer Internet-Resourcen.

   So, dass ist ein schrecklich langes Stueck Ver-
bands-Mull (oder "Muell"?) fuer die Wunde geworden,
auf die Herr Eversberg seinen Finger gelegt hat. Was
meinen Sie dazu: Stueckweise brauchbar? Oder besser
zerreisen, und ein besseres Pflaser verwenden? Was
fuer eins? Oder den Patienten Internet seinem Schick-
sal ueberlassen?

   In der Hoffnung, Sie nicht durch die Laenge der
Mail zu einem Augenarztbesuch gezwungen zu haben,
in Hoffnung auf eine lebendige Diskussion, und mit
freundlichen Gruessen

Heinrich C. Kuhn


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* Dr. Heinrich C. Kuhn      Max-Planck-Gesellschaft /GV IIb3
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