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Re: Elektronische Pruefungsarbeiten



Dr. Klaus-Rainer Brintzinger wrote:
> *Ein* Relevanzkriterium sollten wir Bibliothekare schon gelten lassen:
> Wir sammeln regelmaessig *veroeffentlichte* Literatur. Alles andere
> sollten wir (von wenigen Ausnahmen abgesehen) getrost den Archivaren
> ueberlassen, die diese Aufgabe m.E bisher ganz gut geloest haben.
> Dies sagt nicht ueber die Qualitaet des Inhalts aus, sondern ist ein
> formales, aber auch notwendiges Kriterium: Denn alles
> nichtveroeffentlichte unterliegt dem Archivgesetz und dies ist auch gut
> so. Mit Sicherheit waere nicht jeder Examenskandidat darueber
> begeistert, seine Arbeit (fuer alle Zeiten) der Oeffentlichkeit
> praesentieren zu muessen. Und dass nicht alle Examensarbeiten, die an
> manchen Fakultaeten in 2 - 3 Monaten bearbeitet werden muessen,
> publikationsreif sein koennen, versteht sich doch eigentlich von selbst.
> Und da wir alle nun wahrlich keinen  *Mangel* an Veroeffentlichungen zu
> beklagen haben, sollten wir (wenn vielleicht auch nur in dieser
> Hinsicht) bleiben, was wir sind: Biblio-thekare.

Liebe Liste,
ich bin Herrn Brintzinger dankbar, dass er das von mir angesprochene
Arroganz-Problem durch seine Ausfuehrungen illustriert.
Pruefungsarbeiten sind graue Literatur und stehen den an Universitaeten
entstehenden Projektmaterialien nahe, um die sich auch Dokumentare und
Bibliothekare bemuehen und von denen es nun im Internet eine ganze Menge
auf den verschiedensten universitaeren Servern gibt.

Was die Rechtswissenschaft angeht, traue ich mir kein Urteil zu, aber
fuer andere Disziplinen gilt, dass sehr oft ein ziemlicher Aufwand bei
der Erstellung von Pruefungsarbeiten getrieben wird und dass die
monographische Aufarbeitung eines Themas durch eine Studentin oder einen
Studenten allemal nuetzlich ist, selbst wenn "Publikationsreife" (oder
was Herr Brintzinger darunter versteht) nicht vorliegt. Es ist doch
Verschwendung von Ressourcen, wenn man zwar Dissertationen einen
Forschungsbeitrag abverlangt, Pruefungsarbeiten aber, die als
eigenstaendige wissenschaftliche Arbeiten de facto einen solchen
leisten, nicht als Bibliotheksgut gelten lassen will. Sie verstauben
ungelesen oder werden sogar weggeworfen, obwohl sie - je nach Qualitaet
- durchaus Gewinn stiften koennten - oder aber sie tragen nur zum
Herrschaftswissen am jeweiligen Lehrstuhl bei, dessen sich der
betreuende Ordinarius exklusiv erfreuen darf. Werden sie zitiert (und
das ist durchaus nicht so selten), beginnt oft eine Odyssee des
Forschers, der das Zitat nachpruefen will.

Freundliche Gruesse
Dr. Klaus Graf
graf _at__ uni-koblenz.de
http://www.uni-koblenz.de/~graf/


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