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Re: Informatiker entwickeln Bibliothek der Zukunft



Guten Tag Herr Obst, Herr Eversberg, Herr Scholz, Herr Roedding !

Mit Interesse haben wir Ihre Beiträge in der Liste zum Thema
'eVerlage - Informatiker entwickeln Bibliothek der Zukunft' gelesen.
Zu einigen Aussagen moechten wir Stellung nehmen:

> From: "Dr. Oliver Obst" <obsto _at__ uni-muenster.de>
> Date: Tue, 23 Jul 2002 15:56:31 +0100
>
> diese Pressemitteilungen sind einfach herrlich!  Wie einfach laesst
> sich doch die Welt erklaeren: Bibliothek = schwierig und
> zeitaufwendig, PC = schnell und bequem

Die Pressemitteilung war fuer die Publikumspresse gedacht und musste
daher einige Aspekte vereinfachend darstellen. Keinesfalls sollte der

Eindruck erweckt werden (und wurde es u.E. auch nicht), dass
Bibliotheken "schwierig" seien. Dass Zugriff ueber PC schneller /
weniger zeitaufwendig als der Gang zur Bibliothek ist, duerfte jedoch

unbestritten sein - warum sonst gibt es z.B. OPACs ?

> Dass die Zukunftsvision der "Virtuellen Bibliothek" schon seit
> laengerem Realitaet ist (wir bieten bereits seit 1997 Volltexte uebers
> Web an, in diesem Jahr sind es ca.  1 Mio.  Zeitschriftenartikel und
> hunderte von Buechern), hat noch keine Pressestelle dazu veranlasst,
> auf diesen spektakulaeren Aufmacher zu verzichten...

Eine mit eVerlage vergleichbare Funktionalitaet (Angebot
verschiedener Lizenzmodelle, Auswahl verschiedener Kundenmodelle,
Abrechnung und Moeglichkeit zum online-Bezahlen) scheint uns aber auf
medweb.uni-muenster.de/zbm nicht vorhanden zu sein .

_____

> From: Matthias.Scholz _at__ kempten.de
> Date: Tue, 23 Jul 2002 16:04:20 +0200
>
> Der Steuerzahler, der Bildung und Forschung ja bereits bezahlt,
> wird sicher mit Freuden darauf reagieren, wenn er, um die Ergebnisse
> dieser Forschung sehen zu können, auch noch bezahlen muß.

Was der Steuerzahler (der in der Tat indirekt das durch das BMBF
gefoerderte Projekt eVerlage mitfinanziert hat), bei eVerlage zahlen
muss, sind die Lizenzen, die ihn zur Nutzung der Buecher berechtigen.

Die Buecher sind elektronische Versionen mit zusaetzlichen Funktionen

der im Buchhandel erhaeltlichen Printausgaben. In aller Regel erhaelt

er diese auch nicht kostenlos. Wenn der Steuerzahler aber Mitglied
einer in eVerlage registrierten Bibliothek ist, kann diese -
vereinfachend gesagt - in einem von ihr festgelegten Rahmen die
Aktivitaeten ihrer Leser finanzieren.

______

> From: "Bernhard Eversberg" <ev _at__ buch.biblio.etc.tu-bs.de>
> Date: Tue, 23 Jul 2002 16:36:01 +0200
>
> Die Ankuendigung
> >...
> scheint ein Neu-Aufguss von "MeDoc" zu sein.  Dieses bis 1997
> gelaufene Projekt einiger Informatik-Institute ist so gruendlich aus
> dem Netz verschwunden, dass man selbst in "Alexa", von Google zu
> schweigen, kaum noch was findet.  Und was man da findet, lohnt der
> Zitierung nicht.

"kaum noch was findet"? Bei Google erhaelt man mit den Stichworten
'Projekt Medoc Dokumente' 660 Dokumente.

Es ist richtig, dass MeDoc Geschichte ist. In MeDoc sollten Wege
gezeigt werden, wie Buecher elektronisch ueber das Internet angeboten

werden koennen und welche Nutzerwuensche dabei eine Rolle spielen.
eVerlage ist eine Fortsetzung von MeDoc. Hier ging es u.a. darum,
eine Plattform zu finden, auf der verschiedene Bezahlverfahren sowie
Nutzer- und Lizenzmodelle erprobt werden sollten. Auf Wunsch des BMBF

und der beteiligten Verlage sollte der Dienst kommerziell betrieben
werden. Es musste also ein Name gefunden werden, der noch nicht
markenrechtlich belegt war. MeDoc war im Bereich der Medizin
(Medizinische Dokumente) vergeben, also einigten wir uns
projektintern auf den Namen eVerlage.

eVerlage ist auch nicht nur ein Projekt "einiger Informatik-
Institute", sondern es sind daran 11 Verlage und vor allem drei
Bibliotheken (THULB Jena, UB Bielefeld und SUB Göttingen) beteiligt.
Die technische Entwicklung liegt in der Tat bei den "Informatik-
Instituten", aber die setzten vor allem auch die Wuensche der
Bibliotheken und Verlage um.
______


> From: daniel _at__ roedding.de (Daniel Roedding)
> Date: Tue, 23 Jul 2002 19:20:22 +0200 (MEST)
>
> - wenn diese subventionierten Firmen dank Pro-Patent-Stimmung und
> drohender Ausweitung der Befugnisse im Bereich Software-Patentierung
> dann auch noch das Arbeitsfeld mit Tretminen spicken, dann entstehen
> unverantwortbare Rechtsrisiken für Software-Entwickler.  Hier besteht
> gerade im Zusammenhang mit unseren halbstaatlichen Großforschungs-
> einrichtungen ein erhebliches Gefahrenpotential, daß das "Recht auf
> Innovationstätigkeit" von einem Grundrecht zu einem Privileg mutiert.
...
> Langfristig droht die tatsächliche Innovationstätigkeit in diesem
> Sumpf zu verkommen. Noch verbleibende innovative Kräfte werden durch
> den Patentierungswahn ausgebremst (Stichwort "Sperrpatente"), und die
> Fachdiskussion geht durch den Zank "mein Wissen - Dein Wissen" auch
> kaputt. Das hat man im EDV-Bereich bereits in den vergangenen 10
> Jahren sehr deutlich beobachten können.

Fuer eVerlage wurden keinerlei Patente, schon gar keine Sperrpatente
beantragt und es ist auch nicht beabsichtigt. Die Ergebnisse aus
eVerlage sind nach Projektende oeffentlich zugaenglich. Lediglich
fuer den Namen "eVerlage" wurde eine Wort-Bild-Marke beantragt - was
jedem Anbieter von (Internet-)Dienstleistungen zu raten ist, um den
Namen gegen wirtschaftliche Nutzung Dritter zu schuetzen und um sich
gegen unliebsame Ueberraschungen (Abmahnungen etc.) besser zu
wappnen.

> From: "Bernhard Eversberg" <ev _at__ buch.biblio.etc.tu-bs.de>
> Date: Wed, 24 Jul 2002 11:25:06 +0200
>
> Deshalb waere eine "Liste gescheiterter Projekte" nuetzlich.  Leider
> erstellt keiner eine solche.  Erstens macht man sich Feinde damit und
> zweitens kann man das Scheitern kaum belegen (muesste man aber, sonst
> waere man sofort juristisch angreifbar).
Ist eVerlage gescheitert ? Ja und Nein.

Nein: Denn es wurden eine Reihe von Bezahlmethoden (u.a. paybox,
Kreditkarte, Gutschein, Rechnung) erfolgreich integriert. Bei anderen

Bezahlmethoden (Geldkarte) wurden Schwaechen aufgedeckt die bislang
so nicht bekannt waren. Ausserdem sind verschiedene Lizenzmodelle
(Kurzzeitlizenz, Langzeitlizenz, Gleitlizenz, Campuslizenz) und
Kundenmodelle (anonyme Nutzer, registrierte Nutzer, Gruppenkonten
z.B. fuer Fachbereiche an Hochschulen oder fuer Bibliotheken)
realisiert worden. Bibliotheken steht damit ein neues Zugangs- und
Abrechnungswerkzeug zur Verfuegung.

Ja: Mit der Integration von eCash und CyberCoins scheiterten wir -
als wir es technisch realisiert hatten, wurden die Methoden von den
ausgebenden Banken vom Markt genommen - dem Projekt kann man das
nicht anlasten.

Und es wurde ganz klar zuwenig Marketing gemacht. Mit der Folge, dass

eVerlage nur wenig Kunden hat. Und damit ist eine
Wirtschaftlichkeitspruefung - eines der Projektziele - nicht
moeglich. Und es hat sich herausgestellt, dass Verlage - sofern es
nicht Grossverlage sind - mit der Erstellung digitaler Buecher z.Zt.
finanziell ueberfordert sind. Die Folge: Es sind einfach zu wenig
Buecher in eVerlage, um von einer echten Bibliothek sprechen zu
koennen. "Electronic Publishing hat bei den Verlagen eine sehr
geringe Prioritaet." lautete eine Aussage eines beteiligten
mittelstaendischen Verlags. Leider hat sich das bei den beteiligten
Verlagen zu Projektbeginn noch ganz anders angehoert.
______


Mit den besten Gruessen -
fuer das eVerlage-Team (aus "den Informatik-Instituten" ;-)

* Klaus Bastian (HTWK Leipzig, www.htwk-leipzig.de)
* Frank Oldenettel (OFFIS Oldenburg, www.offis.de)
* Michael Schwantner (FIZ Karlsruhe, www.FIZ-Karlsruhe.de)
* Florian Wagenpfeil (FAST Muenchen, www.fast.de)



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 Dr. Michael Schwantner             msch _at__ fiz-karlsruhe.de
 FIZ Karlsruhe (STN International)  http://www.fiz-karlsruhe.de
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