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Re: XML ist im Kommen - oder?



Am Dienstag, 20. Mai 2003 09:07 schrieb Bernhard Eversberg:
> Ich warte eigentlich nur auf die ueberzeugende Demonstration einer
> Grossdatenbank mit XML.

Sehr geehrte Herr Eversberg,

immer dieser Größenwahn. Ihnen reicht http://scirus.com als 
XML-"Grossdatenbank" nicht, ich merke es schon.

Während Sie der Redlightgreen-Dinge harren, die IBM für teuer Geld entwickelt, 
möchte ich Ihnen gerne die Wartezeit mit einer kleinen XML-Reise durch 
bibliothekarische Applikationen versüßen.

In Dänemark gibt es "VisualCat", wo Z39.50, IFLA FRBR, XML und RDF verbunden 
ist. Eine Rundreise durch verschiedene Anwendungen finden Sie unter 
http://www.stk.cz/elag2001/Papers/Poul_HenrikJoergensen/Show.html

Ein Beispiel für XML-basierte digitalisierte Bestände in Dänemark ist 
http://www.adl.dk/

Oder warum nicht auch ILL durch XML erneuern? Norwegen hat ein "ny norsk 
XML-protokoll for utveksling av fjernlånsbestillinger" entwickelt: 
http://www.bibsyst.no/fjernprot/nill/ (für mich als Fernleih-Programmierer 
nicht ganz uninteressant) und 
http://starfsfolk.khi.is/edg/Nordill/Authors&Abstracts/FullSmedsrud.htm
Norwegen will einen SRW-Server einsetzen: 
http://www.bibsys.no/aktivitet/aktivitet.htm
("ny XML-basert søkeprotokoll"). Z39.50 ist veraltet, SRW ist Z39.50 auf 
XML-Basis gehoben.

Auch das europäisch geförderte "One-2" Projekt ist Zack überlegen, was XML 
angeht, http://www.one-2.org/

Auch Portugal ist weitergekommen, hier gibt es XML im "Sirius Talk" unter 
http://bookmarc.pt, als Web Services implementiert.

Was machen die Franzosen? Sie entwickeln BiblioML
http://www.culture.fr/BiblioML, eine XML-Anwendung für die in Frankreich 
verwendeten UNIMARC-Datensätze und für französischsprachige Ressourcen. Dazu 
gibt es Testdatenbanken:
http://brea.culture.fr/sdx/befap/index.xsp
http://nordnum.univ-lille3.fr/sdx/nordnum/
Entwicklerseite: http://brea.culture.fr/sdx/index.xsp

Schauen wir nach Australien. Auch hier geht kaum ein Weg an XML vorbei, wurde 
dort doch das erste IFLA FRBR-gemäße Portal entwickelt. Unter 
http://www.austlit.edu.au gibt es ein Literaturportal, Entwicklung unter 
http://austlit.lib.adfa.edu.au:7777

Oder Hongkong. Warum in der Nähe schweifen, wenn das gute XML nur ein Klick 
entfernt liegt? http://library.ust.hk/info/nac/nac-technical.html
Es gibt einen XML-Webservice in dieser Universitätsbibliothek in Hongkong, der 
chinesische bibliographische Sätze in Unicode liefert, von MARC nach XML 
gewandelt. Unciode wird von XML übrigens "frei Haus" geliefert.
http://lbxml.ust.hk/nac/srw.pl?query=personalName+exact+ding+yi

Und in Kanada gibt es ein mit XML/SOAP und XML-Topc-Maps experimentell 
aufgesetztes Bibliothekssystem names Pytheas: 
http://venus.uwindsor.ca/library/leddy/people/art/pytheas/index.html
http://gmacdon.libf.uwindsor.ca:8088/pyserv/

Last not least: das europäische Verbundprojekt "TEL-XML"-Projekt verfolgt die 
Entwicklung von Metadaten und Interoperabilität unter XML. Hier soll es bald 
Teststellungen geben. http://www.europeanlibrary.org

Die Liste ließe sich fortsetzen, wenn ich mehr Zeit hätte.

> Bis ich sowas sehe (und dazu gehoert auch
> Performance), gehe ich weiter davon aus, dass XML nicht fuer interne Zwecke
> entwickelt wurde und dafuer suboptimal ist.

Ein Mißverständnis. XML ist kein Format, sondern eine Technologie. Natürlich 
wurde XML für interne Zwecke, also als Technologie, entwickelt. Für den 
optimalen Austausch von Informationen muß der interne Aufbau eines Systems so 
beschaffen sein, daß der externe Austausch ohne zusätzlichen Aufwand möglich 
ist. Das Innere bestimmt immer das Äußere eines Systems. XML verursacht nicht 
zwangsläufig die von Ihnen unterstellte Performanceeinbuße, da man es 
geschickt oder ungeschickt einsetzen kann. Es wird in zentralen Bereichen 
aber bestehende Technologien ablösen, da die Vorteile enorm überwiegen. 

Man kann natürlich spöttisch die Meinung vertreten, daß die Informationen aus 
obiger "XML-Rundreise" Unfug sind, unausgereift, in den Kinderschuhen usw., 
aber ich jedenfalls habe Mühe nachzuvollziehen, wieso die Verwendung von 
XML-Technologien in bibliothekarischen Applikationen "suboptimal" sein soll.

> Nuechtern betrachtet, und wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf, scheint
> mir ansonsten, dass "allegro" intern gar nicht schlecht mit XML klar kaeme,
> besser jedenfalls als relationale Systeme. 

Ich kenne Allegro nicht, das kann in der Tat sein, daher wundere ich mich über 
Ihre Mißverständnisse.

>Eine sachliche Notwendigkeit
> dazu sehe ich aber noch nicht. Kommunikation (Export und Import) in XML,
> klar, muss man koennen, kein Problem. Riesiger Bedarf hat sich bislang aber
> auch dafuer aus den Kreisen unserer Anwender noch nicht artikuliert.

Auf den "mündigen Anwender" müssen Sie wohl leider eine Weile noch warten.  
Den Anwendern ist die zugrundeliegende Technologie egal, solange sie eine 
Anwendung effektiv nutzen können. Bibliothekare sind - oft zu meinem 
Erstaunen - gutmütig, geduldig, und genügsam. Sie haben gelernt, sich mit 
unzulänglichen Lösungen anzufreunden, lautstarke Forderungen nach 
technologischer Innovation bleiben zurückgestellt. Schüchternheit? 
Resignation? Ich weiß es nicht. Hier ist eine intensive, produktive 
Zusammenarbeit von Bibliothekaren und Informatikern gefragt.

Viele Grüße

Jörg Prante

-- 
Jörg Prante
Dipl.Inform.
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