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- Date: Tue, 13 Mar 2001 08:10:35 +0100
- From: "H-Soz-u-Kult (Ralf Wolz)" <ralfwolz _at__ zedat.fu-berlin.de>
- Subject: Re: Anfrage: Co-Autorenschaft bei wiss. Publikationen (4)
[Es folgen vier Antworten. R. Wolz] 1) Datum: Mon, 12 Mar 2001 11:41:43 +0100 Von: andreas oennerfors <andreas.onnerfors _at__ kult.lu.se> Betreff: Re: Anfrage: Co-Autorenschaft bei wiss. Publikationen Lieber Kollege auf der gruenen Insel! Zwar betrachten wir Schweden nicht als Teil Kontinentaleuropas, aber von der Halbinsel im hohen Norden kann ich Sie jedenfalls beruhigen: Das, was von schwedischen Geisteswissenschaftlern produziert wird, ist ihr eigenes geistiges Eigentum!!! Etwas anderes wird ueberhaupt nicht diskutiert und man wuerde eine "Publikations-output-Maximierung" als einen Eingriff in die Autonomie schwedischer Magisterarbeits- und Dissertationsautoren ansehen. Meiner Meinung nach waere soetwas in Schweden voellig undenkbar. Vielleicht mal bei dem einen oder anderen Artikel, aber bei ganzen Arbeiten??? Das klingt einfach absurd. Vielleicht ist aber die von Ihnen beschriebene Tendenz, das moechte ich als Ideen- und Wissenschaftshistoriker anmerken, ein Schritt zurueck in ein vorromantisches Danken, in dem die Originalitaet des Autoren nicht im Vordergrund stand. Die meisten Dissertationen des 18. Jahrhunderts verfasste der Professor selber und der Respondens setzte seinen Namen darunter. Hier ist der Publikationsoutput auf der anderen Seite wesentlich legitimer. Umgekehrte Faelle gibt es genauso: ein Respondens verfasste seine eigene Arbeit und sie wird in allen Bibliotheken unter dem Praeses verzeichnet. Damals war das ja auch eine Art Qualitaetsstempel, kannte man den Praeses, konnte man sich schon ein Bild davon machen wie die Arbeit aussah. Aber heutzutage??? Das Internet stellt sowieso einiges an der Originalitaet wieder in Frage. Wer weiss schon, woher die Texte kommen die bearbeitet werden? Genauso wie im 18. Jahrhundert die Druckpresse und gelehrte Zeitschriften staendige "Reprints" ohne Quellenangabe verbreiteten, gibt das Internet nun die schier unbegrenzte Moeglichkeit auf Textzugriff. Die Nennung des Namens des Betreuers der Arbeit und die Auflistung einer Arbeit in seinem Werkregister macht ihn jedenfalls mitverantwortlich fuer die Qualitaet/Originalitaet der Arbeit seines "Respondenten" . Wer will schon Plagiate verbreiten? Mit freundlichen Gruessen aus Londini Gothorum, dem London der Gothen (Lund), Andreas Oennerfors 2) Datum: Mon, 12 Mar 2001 12:00:21 +0100 Von: Georg Gresser <georg.gresser _at__ mail1.rrz.uni-koeln.de> Betreff: Re: Anfrage: Co-Autorenschaft bei wiss. Publikationen Sehr geehrter Herr Lerchenmueller, als wissenschaftlicher Assistent am Historischen Seminar der Universitaet zu Koeln und gleichzeitig im Fakultaetsvorstand der derzeit groessten Philosophischen Fakultaet in Deutschland (ca. 150 ProfessorInnen) kann ich nur sagen, dass dieses Vorgehen zu keiner Zeit und in keinem Fach vorgekommen oder auch nur als Moeglichkeit diskutiert worden ist. Die Staatexamensarbeiten, sowie die Magister- und Diplomarbeiten enthalten ja gerade eine eidesstattliche Versicherung, dass niemand daran mitgearbeitet hat. Aber auch bei anderen Arebiten (Aufsaetzen, Miszellen oder Festschriftenartikeln) ist ein solches Vorgehen bisher noch nicht beobachtet worden. Etwas anders sieht dies offenbar bei unseren Freunden bei der WiSo- Fakultaet aus, wo mir der eine oder andere Mitarbeiter Ansaetze solchen Verhaltens schon einmal mitgeteilt hat. Gang und Gaebe ist dies natuerlich bei den Medizinern, wo man ohne dieses Verhalten so gut wie keinerlei Veroeffentlichungen mehr bekommen kann. In der Hoffnung, Ihnen damit gedient zu haben verbleibe ich mit freundlichen Gruessen Dr, Georg Gresser Universitaet zu Koeln Historisches Seminar Abteilung Mittelalter 3) Datum: Mon, 12 Mar 2001 15:19:04 +0100 Von: Viktor Otto <viktorot _at__ zedat.fu-berlin.de> Betreff: Re: Anfrage: Co-Autorenschaft bei wiss. Publikationen Sehr geehrter Herr Lerchenmueller, in der Folge des groessten Betrugsfalles in der deutschen Wissenschaft (Herrmann/Brach) hat die DFG eine Kommission "Selbstkontrolle in der Wissenschaft" eingesetzt, welche im Januar 1998 ihre Empfehlungen publizierte (www.dfg.de/aktuell/download/empf_selbstkontr.htm). In diesem Richtlinienpapier wird die von Ihnen beanstandete sog. "Ehrenautorschaft" eindeutig abgelehnt (Punkt 11). Auch das 185. Plenum der Hochschulrektorenkonferenz verabschiedete im Juli 1998 eine Entschliessung, in der die gaengige Praxis der Mit-Autorschaft kritisiert wird (www.hrk.de). Im November 2000 hat die MPG "Regeln zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis" vorgelegt (www.mpg.de/pri00/hg_regeln.htm), in denen "Ehrenautorschaft" ebenfalls eindeutig verworfen wird (Punkt 5). Anschliessend an diese Bemuehungen haben einzelne Universitaeten ihrerseits Richtlinienpapiere erarbeitet (so an den Universitaeten Heidelberg, Konstanz und Mannheim), in denen auch die "Ehrenautorschaft" als unwissenschaftlich sanktioniert wird (siehe Freiburger Empfehlungen zur "Verantwortung in der Forschung"). In Grossbritannien hatte sich bereits im April 1997 ein Committee on Publication Ethics (COPE) konstituiert (www.bmj.com/misc/cope), das sich u.a. ebenfalls mit Fragen der Autorschaft beschaeftigt. Es darf nicht uebersehen werden, dass "Ehrenautorschaften" vornehmlich an solchen Fakultaeten inflationaer sind, an denen die Anzahl der Publikationen von eminenter Bedeutung fuer die Bewilligung von Forschungsgeldern ist. Diese Praxis ist in den Geisteswissenschaften bislang nicht allzustark ausgepraegt, doch wird die Gefahr groesser werden, falls existierende Plaene eine Umsetzung erfahren sollten, die vorsehen, im Rahmen der Evaluation von Forschung und Lehre Publikationen rein quantitativ nach Punkten zu bewerten. Ein entscheidender Schritt waere getan, wenn sich Herausgeber wissenschaftlicher Periodika dazu entschliessen koennten, in ihren Richtlinien festzuschreiben, dass als Autor eines Beitrages nur gelten kann, wer zur Erarbeitung, Analyse, Interpretation und Formulierung des Themas wesentlich beigetragen und der Veroeffentlichung zugestimmt hat. Mit freundlichen Gruessen Viktor Otto viktorot _at__ zedat.fu-berlin.de 4) Datum: Mon, 12 Mar 2001 17:59:39 +0100 Von: Klaus Graf <graf _at__ uni-koblenz.de> Betreff: Re: Anfrage: Co-Autorenschaft bei wiss. Publikationen Joachim.Lerchenmueller <Joachim.Lerchenmueller _at__ ul.ie> fragt nach kontinentaleuropaeischen Parallelen zu Bestrebungen in Irland: "An den nicht-naturwissenschaftlichen Fakultaeten irischer Universitaeten wird die Tendenz offensichtlich staerker, die Publikationspraxis naturwissenschaftlicher Forschungsgruppen und -labors zu kopieren, d.h. von Magistranden und Doktoranden wird verlangt, den/die Supervisor(s) als Mit- Autor(en) zu nennen, auch wenn kein (nennenswerter) intellektueller Input dieser Person(en) vorliegt." Solche Bemuehungen im geisteswissenschaftlichen Bereich sind mir aus Deutschland nicht bekannt. Vor allem bei den Dissertationen ist mir dergleichen noch nicht begegnet. Hilfreich sind aber vielleicht einige Saetze zur Frage, ob dem Betreuer einer universitaeren Abschluss- oder Pruefungsarbeit (Magister/Magistra-, Diplomarbeiten usw.) Rechte an dieser zustehen. Ein online zugaengliches Merkblatt der Univ. Karlsruhe zu "externen" Diplomarbeiten (von 1998) stellt dazu zutreffend fest: "Die von allen einschlaegigen Pruefungsordnungen geforderte selbstaendige Bearbeitung des Themas einer Diplomarbeit schliesst das Entstehen eines Miturheberrechtes des betreuenden Professors selbst dann aus, wenn von diesem (wesentliche) Anregungen fuer die Arbeit gegeben wurden. Eine Betreuungsleistung, die einen urheberrechtlich relevanten Beitrag darstellte, waere mit dem Wesen einer Diplomarbeit als Pruefungsleistung nicht vereinbar." http://www.verwaltung.uni-karlsruhe.de/abt/h1/extdipl.htm#D Siehe auch das Muenchner Merkblatt: http://www.e-technik.fh-muenchen.de/studium/diplomarbeit/ Zur gedruckten Literatur sei verwiesen auf: Winfried Veelken: Schutzrechtsfragen im Hochschulbereich - Studien- und Diplomarbeiten, in: Wissenschaftsrecht 26 (1993), S. 93-134 Peter W. Heermann: Der Schutzumfang von Sprachwerken der Wissenschaft und die urheberrechtliche Stellung von Hochschulangehoerigen, in: GRUR 1999, S. 468-476 Natuerlich steht der Kandidat (die Kandidatin) in einem schwierigen Abhaengigkeitsverhaeltnis, das ihn fuer solche unberechtigten Forderungen gefuege machen kann. Aber von der deutschen Rechtslage (Hoschschul- und Urheberrecht) her sind solche Zumutungen klar abzuweisen. Abschlussarbeiten sollen selbstaendig erstellt werden, und jeder Kandidat muss das Recht haben, ein Thema zu erhalten, bei dem er ueber seine eigene Leistung uneingeschraenkt verfuegen kann. Er darf in keinem Fall gezwungen werden, eine privatrechtliche Vereinbarung ueber die Abtretung von Nutzungsrechten an den Lehrstuhl (diskutiert bei Veelken aaO) unterzeichnen zu muessen. Dr. Klaus Graf, Universitaet Freiburg http://www.uni-koblenz.de/~graf ___________________________________________________ HUMANITIES - SOZIAL- UND KULTURGESCHICHTE H-SOZ-U-KULT _at__ H-NET.MSU.EDU Redaktion: Email: hsk.redaktion _at__ geschichte.hu-berlin.de WWW: http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de ___________________________________________________
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