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Meiniger Bibliothek



Dem folgenden Beitrag ist voll und ganz beizupflichten!

Das erwaehnte Mitteilungsblatt kann online als pdf-Datei eingesehen
werden unter:
http://www.thueringen.de/Archivberatungsstelle/20_2001.pdf

Klaus Graf
http://www.uni-koblenz.de/~graf/#kulturgut

***

Re: Meininger Handschriften bei Reiss - Adelsbibliotheken v. Krassow und
aus Franken (Andreas Petter , Thu 16:41)
To: "Das deutschsprachige Mittelalter"
<MEDIAEVISTIK _at__ listserv.ngate.uni-regensburg.de>


Zu den dankenswerter Weise von Klaus Graf thematisierten und
kritisierten
Handschriftenverkäufen aus Beständen der alten Herzoglichen Bibliothek
in
Meiningen hier noch ein Nachtrag:

Im Mitteilungsblatt der thüringischen Archivverwaltung "Archive in
Thüringen", Nr. 20/2001 (Ausgabe vom 12.03.2001) findet sich S. 23 f.
ein von Johannes
Mötsch (Archivar am Staatsarchiv Meiningen und bekannt als Herausgeber
der
ältesten Lehnbücher der Grafen von Henneberg) verfasster Beitrag mit dem
Titel: "Gütliche Einigung zwischen dem Freistaat Thüringen und dem
Herzogshaus
Sachsen-Meiningen", der mir erst jetzt bekannt geworden ist. Hier wird
über die
am 30.01.2001 offiziell beendeten Verhandlungen zwischen Freistaat und
ehemaligem Herzoghaus berichtet. Unter anderem heißt es:

"Verhandlungegegenstand waren
1. die Archivalien der privaten Vermögensverwaltung des Herzogshauses
(Hofmarschallamt, Hofbauamt, Hofjagdamt, Hofverwaltung,
Hofbauverwaltung, Intendanz
des herzoglichen Hoftheaters, Pensionsanstalt der Mitglieder des
Hoftheaters, Herzogliche Öffentliche Bibliothek, Münzkabinett), zumeist
nach 1945 ins
Staatsarchiv gelangt; eine erste Abgabe unter Vorbehalt des Eigentums
war
allerdings schon in den 1920er Jahren erfolgt
2. die Aktenüberlieferung des Amtes Heldburg, aus archivarischer Sicht
ohne
Zweifel staatliche Überlieferung der unteren Verwaltungsebene, die sich
noch
am Entstehungsort befand, als die Veste Heldburg im Dezember 1918
vertraglich
mit allem Inventar dem Herzogshaus zugesprochen wurde. [...] Die Akten
befanden sich seit 1948 im Staatsarchiv Meiningen.
3. die im Staatsarchiv vorhandenen Bücher der bis 1945 bestehenden
Herzoglichen Öffentlichen und privaten Bibliothek. Die Masse der Bücher
war Anfang
1946 von der Besatzungsmacht abtransportiert worden. Da dies nicht
überraschend
erfolgte, waren durch Personen, die Zugang zur Bibliothek hatten, in den
Monaten vor dem Abtransport kleine Mengen Bücher beiseite geschafft und
so
gerettet worden. Im Ergebnis verfügen neben dem Staatsarchiv auch andere
Einrichtungen in Meiningen über Bücher dieser Provenienz.
Die zur Diskussion stehenden Akten beziehen sich demnach zum größten
Teil
auf die Verwaltung des Privatvermögens des herzoglichen Hauses, das in
Sachsen-Meiningen erst 1871 vom Staatsvermögen getrennt worden war.
[...]
Die Akten, die im Zusammenhang mit der Verwaltung des Hoftheaters
entstanden
sind, machen denn auch den wertvollsten Teil der vom Vertrag betroffenen
Archivalien aus. [...] Für die Stadt Meiningen, die bis heute vom Ruhm
ihres
Theaters lebt, und für die Region wäre der Verlust dieser Akten ein
Alptraum
gewesen. Durch den Vertrag wird der Verbleib der Akten [= im STA
Meiningen,
A.P.] auf Dauer gesichert. [...]
Für das Bibliotheksgut wurden unterschiedliche Regelungen getroffen: die
Bücher, die seit Jahrzehnten in die Dienstbibliothek des Staatsarchivs
integriert sind, bleiben dort. Abgegeben werden einige wertvolle
Einzelstücke,
darunter die um 1400 im Bodenseeraum entstandene Handschrift
"Wittenwilers Ring",
sowie weitere Handschriften und gedruckte Bücher unterschiedlichen
Inhalts, die
nicht in das Spektrum der Dienstbibliothek des Staatsarchivs passen und
die
daher bereits Ende der 1940er Jahre separat aufgestellt (und nie
benutzt)
worden waren.
Die Durchsetzung des vom Freistaat Thüringen von Anfang an verfolgten
Grundsatzes: was in Thüringen entstanden ist, bleibt hier, was eher
zufällig ins
Land gekommen ist, kann abgegeben werden, macht diese Gütliche Einigung
beispielhaft. Staatssekretär Dr. Aretz [= Thüringer Min. f.
Wissenschaft, Forschung
und Kunst, A.P.] kündigte an, daß die z. T. bereits seit längerem
laufenden
Verhandlungen mit anderen vormals regierenden Häusern in diesem Sinne
fortgesetzt und möglichst bald zu einem positiven Abschluß gebracht
werden sollen."

Soweit auszugsweise die Mitteilung von Johannes Mötsch.

Der Beitrag lässt zunächst einmal aufhorchen; es stehen offenbar weitere
"Gütliche Einigungen" in Thüringen an. 
Für mich lässt die Mitteilung zwischen den Zeilen auch klar werden, in
welcher schwachen Position das Land ist, wenn es keinen wirklichen
öffentlichen
Druck aus der Gesellschaft heraus gibt, der deutlich macht, dass
Kulturgüter
der Allgemeinheit zugänglich bleiben müssen und nicht in privaten
Fürstenschatullen verschwinden dürfen, um am Ende vielleicht marode
blaublütige
Familienkassen sanieren zu helfen. Das Land, aufgefordert, sich
möglichst
außergerichtlich zu einigen, kann, wenn es als Verhandlungspartner
auftritt, dieses
öffentliche Interesse dann kaum selbst mobilisieren, ohne sich dem
Vorwurf
auszusetzen, die Rechtsverhandlungen durch "Außendruck" unbillig
beeinflussen zu
wollen. Selbst wenn auch ich mir ein offensiveres Selbstverständnis und
Auftreten
der Thüringer Staatsregierung gewünscht hätte (und noch wünsche):
Gefordert
ist hier m. E. genauso die "aufgeklärte, gebildete Zivilgesellschaft",
zumindest in Gestalt der Universitäten, außeruniversitären
wissenschaftlichen
Einrichtungen und Netzwerke wie bspw. MPI und DFG, die sich ganz massiv
in solche
sich anbahnenden Kuhhändel einschalten und durch Lobbyismus auf allen
Ebenen
Einfluss nehmen müssen. Und man darf natürlich nicht erst aufmerksam
werden,
wenn die Kulturgüter schon in den Auktionskatalogen auftauchen. 
Der Artikel macht auch deutlich, dass die Haltung des Landes sich
offenbar
ganz oder überwiegend an den Empfehlungen der Archivverwaltung
orientierte.
Aus Sicht des Staatsarchivs Meiningen stellt die Eingung tatsächlich
einen
Erfolg dar. Katastrophal ist das Ergebnis dagegen in Bezug auf die
Bestimmungen
für jenen Teil der kulturellen "Verhandlungsmasse", der gemeinhin
bibliothekarisch betreutes handschriftliches Sammlungsgut darstellt.
Hier sind offenbar
die zuständigen nachgeordneten wissenschaftlichen Fachbehörden nicht
ausreichend aktiv geworden oder verfügen trotz titularischen Auftrags
wie z. B.
"Landesbibliothek" etc. gar nicht über die Möglichkeiten zu einer
wirklich
landesweiten Betreuung und Inspektion des in ihrem Zuständigkeitsbereich
lagernden,
teilweise verstreuten handschriftlichen Sammlungs- und historischen
Bibliotheksgutes. Ein entsprechendes Votum aus
bibliothekswissenschaftlicher Sicht an
das Ministerium hätte vermutlich die Verhandlungsposition des Landes
ebenfalls
beeinflusst. 

Mit freundlichen Grüßen an alle Listen-Teilnehmer,


Andreas Petter (Köln/Uni Halle)


> Am 5.9.2001 schrieb ich in INETBIB:
> 
> http://www.ub.uni-dortmund.de/Listenarchive/INETBIB/200109/20010905.html#
> 0
> 
> > Der Vorschau
> > 
> > http://www.reiss-sohn.de/
> > 
> > ist zu entnehmen:

[...]


Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.