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AW: Deep Links - Presserklärung des BGH



Nachstehend der Text der Presseerklärung des BGH zu der gestrigen
Entscheidung. Sie finden Sie auch auf der Website des BGH
(www.bundesgerichtshof.de). Bitte beachten Sie, dass der Senat zwar seine
Entscheidung in den Grundzügen verkündet und in der Presseerklärung einige
Motivationen mitteilt. Die Prozeßordnung läßt dem Gericht aber eine
mehrwöchige Frist, innerhalb derer der ausführliche Text der Entscheidung
abzufassen ist. Erst danach wird die Entscheidung endgültig geschrieben,
korrigiert, unterschrieben sowie den Parteien zugestellt, denen diese
Information als erste zusteht. Erst danach werden sie diese Entscheidung
kostenlos auf der Website des BGH finden können. Die Entscheidungen des hier
tätigen I. Zivilsenats schöpfen den zeitlich zulässigen Rahmen oft voll aus.

Ob die von Michael Jost Beschriebene Vorgehensweise zur Indexierung zutrifft
und damit auch seine daran anküpfenden Fragestellung, kann ich nicht
beurteilen. Bei dem hier entschiedenen Fall waren die Seiten des klagenden
Verlages aber allgemein öffentlich zugänglich, daher ist die Entscheidung
nicht ohne weiteres übertragbar auf Fälle, in denen nicht öffentlich
zugängliche Seiten indexiert werden.

Dietrich Pannier


Pressestelle des Bundesgerichtshofs
Pressemitteilung Nr. 96/2003



Internet-Suchdienst für Presseartikel nicht rechtswidrig


Der u.a. für das Urheber- und Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des
Bundesgerichtshofs hatte über eine Unterlassungsklage gegen die Betreiber
des Internet-Suchdienstes "Paperboy" zu entscheiden. Der Suchdienst wertet
eine Vielzahl von Websites (Internetauftritten), vor allem von
Zeitungsartikeln, auf tagesaktuelle Informationen aus. Auf Anfrage erhalten
Internetnutzer kostenlos Auflistungen der Veröffentlichungen, die ihren
Suchworten entsprechen, in die auch Stichworte, Satzteile und einzelne Sätze
aus den Veröffentlichungen aufgenommen sind. Die erste Zeile enthält jeweils
die Quelle in Form eines Hyperlinks (elektronischen Verweises), mit dessen
Hilfe die Veröffentlichung unmittelbar abgerufen werden kann. Das Anklicken
des Hyperlinks führt nicht auf die Startseite (Homepage) des
Internetauftritts des Informationsanbieters, sondern unmittelbar auf die
("tieferliegende") Webseite mit der Veröffentlichung (sog. Deep-Link). Der
Nutzer wird so an den Werbeeintragungen auf der Startseite vorbeigeleitet.
Die Beklagten bieten an, dem Nutzer täglich alle tagesaktuellen
Veröffentlichungen zu seinen Suchworten per E-Mail zu übermitteln.

Die Klägerin verlegt die Presseerzeugnisse "Handelsblatt" und "DM". Einzelne
Artikel daraus macht sie auch im Internet auf ihren Websites öffentlich
zugänglich. Sie ist der Ansicht, "Paperboy" verletze durch die Einbeziehung
ihrer Websites in seine Suche ihre urheberrechtlichen Befugnisse an den
Artikeln und ihre Rechte an den Datenbanken, in denen die Artikel für den
Internetzugriff gespeichert seien. Das Suchdienstangebot sei zudem
wettbewerbswidrig.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat sie,
soweit sie Gegenstand des Revisionsverfahrens geworden ist, abgewiesen. Die
Revision gegen das Berufungsurteil hatte keinen Erfolg.

Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs verletzt der Suchdienst der Beklagten
keine Rechte der Klägerin. Mit den Hyperlinks, die den unmittelbaren Aufruf
von Artikeln ermöglichten, nähmen die Beklagten keine Nutzungshandlungen
vor, die den Urheberberechtigten oder den Herstellern der von ihrem
Suchdienst abgefragten Datenbanken vorbehalten seien. Die Beklagten
handelten auch nicht deshalb rechtswidrig, weil sie es Nutzern von
"Paperboy" durch Deep-Links ermöglichten, unmittelbar den Volltext von
Artikeln aus "Handelsblatt" und "DM" abzurufen und zu vervielfältigen. Ein
Berechtigter, der ein urheberrechtlich geschütztes Werk ohne technische
Schutzmaßnahmen im Internet öffentlich zugänglich mache, ermögliche dadurch
bereits selbst die Nutzungen, die ein Abrufender vornehmen könne. Es sei
seine Entscheidung, ob er das Werk trotz der Möglichkeit, daß nach dem Abruf
auch rechtswidrige Nutzungen vorgenommen würden, weiter zum Abruf
bereithalte. Auch ohne Hyperlink könne ein Nutzer unmittelbar auf eine im
Internet öffentlich zugängliche Datei zugreifen, wenn ihm deren URL (Uniform
Resource Locator), die Bezeichnung ihres Fundorts im World Wide Web, genannt
werde. Ein Hyperlink verbinde mit einem solchen Hinweis auf die Datei, zu
der die Verknüpfung gesetzt werde, lediglich eine technische Erleichterung
für ihren Abruf. Er ersetze die sonst vorzunehmende Eingabe der URL im
Adreßfeld des Webbrowsers und das Betätigen der Eingabetaste. Ob das Setzen
eines Hyperlinks in der Form eines Deep-Links urheberrechtlich unzulässig
sei, wenn der Linksetzende dazu technische Sperren umgehe, könne
offenbleiben, weil die Klägerin nicht dargelegt habe, daß sie technische
Schutzmaßnahmen gegen den unmittelbaren Zu­griff auf "tieferliegende"
Webseiten ihrer Internetauftritte anwende.

Die Beklagten handelten auch nicht wettbewerbswidrig, wenn es ihr Suchdienst
durch Hyperlinks ermögliche, unmittelbar auf Artikel zuzugreifen, die im
Rahmen der Internetauftritte von "Handelsblatt" und "DM" öffentlich
zugänglich seien. Dadurch würden die Leistungen der Klägerin nicht unlauter
ausgebeutet. Der Suchdienst biete der Allgemeinheit einen erheblichen
Zusatznutzen, indem er eine Vielzahl von Informationsquellen erschließe. Die
Herkunft der nachgewiesenen Artikel werde nicht verschleiert. Es sei auch
nicht unlauter, wenn die Nutzer durch Deep-Links an den Startseiten der
Internetauftritte der Klägerin vorbeigeführt würden. Auch wenn der Klägerin
dadurch Einnahmen für die Werbung auf den Startseiten entgingen, könne sie
nicht verlangen, daß nur der umständliche Weg über die Startseiten gegangen
werde und die Möglichkeiten der Hyperlinktechnik ungenutzt blieben.

Wenn die Klägerin das Internet für ihre Angebote nutze, müsse sie auch die
Beschränkungen in Kauf nehmen, die sich aus dem Allgemeininteresse an der
Funktionsfähigkeit des Internets für die Durchsetzung ihrer Interessen
ergäben. Ohne die Inanspruchnahme von Suchdiensten und deren Einsatz von
Hyperlinks (gerade in der Form von Deep-Links) sei die sinnvolle Nutzung der
unübersehbaren Informationsfülle im World Wide Web praktisch ausgeschlossen.
Die Tätigkeit von Suchdiensten und deren Einsatz von Hyperlinks müsse
deshalb grundsätzlich jedenfalls dann hingenommen werden, wenn diese
lediglich den Abruf vom Berechtigten öffentlich zugänglicher
Informationsangebote ohne Umgehung technischer Schutzmaßnahmen
erleichterten.

Urteil vom 17. Juli 2003 - I ZR 259/00
Karlsruhe, den 18. Juli 2003



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