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Re: Uni Heidelberg: Oh, was finde ich denn da?



Geneigte Leserin,
geneigter Leser!

Leider schrammten fast alle Mails zu obigem Topic mehr oder weniger am Kern
des Problems vorbei. Deshalb sehe ich mich trotz der hohen Luftfeuchtigkeit
genötigt, einige klärende Worte juristischer Art an die erlauchte Leserschaft
zu richten.

Es geht hier nämlich um das Urhberrecht, genauer gesagt um den neuen, am
13.9.2003 in Kraft getretenen § 19a UrhG. Der bestimmt:
"Das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung ist das Recht, das Werk
drahtgebunden oder drahtlos der Öffentlichkeit in einer Weise zugänglich zu
machen, dass es Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer
Wahl zugänglich ist."

Auf Normaldeutsch heißt das: jede Person hat das Recht, zu bestimmen, ob ihre
Werke über das Internet angeboten werden oder nicht. Dieses Recht steht dem
Autor genauso zu wie das Veröffentlichungsrecht, das Verbreitungsrecht usw. Es
bedeutet auch, daß die Person über jeden (!) Akt der Zugänglichmachung zu
entscheiden hat. Genauso wie der Abdruck eines Textes in einer Zeitschrift
nicht automatisch bedeutet, daß der Text in anderen Zeitschriften ohne
Zustimmung des Autors nachgedruckt werden darf. Es spielt rechtlich keine
Rolle, ob das Werk bereits anderweitig veröffentlicht wurde oder nicht.
Enscheidend ist allein, ob der Autor der spezifischen Zugänglichmachung über
das Internet zugestimmt hat. Das bedeutet, daß eine Bibliothek für jedes
einzelne Element aus fremder Feder auf ihrer Webseite die Zustimmung des
Autors benötigt, egal ob es sich um Texte, Bilder, Musik o.ä. handelt.

Mit dem Zitatrecht gemäß § 51 UrhG hat das überhaupt nichts zu tun, wie der
Gesetzestext klar erkennen läßt:
"Zulässig ist die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe,
wenn in einem durch den Zweck gebotenen Umfang
1.  einzelne Werke nach dem Erscheinen in ein selbständiges wissenschaftliches
Werk zur Erläuterung des Inhalts aufgenommen werden,
2.  Stellen eines Werkes nach der Veröffentlichung in einem selbständigen
Sprachwerk angeführt werden,
3.  einzelne Stellen eines erschienenen Werkes der Musik in einem
selbständigen Werk der Musik angeführt werden."

Im vorliegenden Fall ist ein ganzes Werk ohne Zustimmung des Autors übers
Internet verbreitet worden (und wird es noch). Damit sind die Rechte des
Autors aus dem Urheberrechtsgesetz verletzt. Ob er jetzt rechtliche Ansprüche
geltend macht oder nicht, steht in seinem Belieben. Selbst Befürworter von
Open Access und den entsprechenden urheberrechtlichen Lizenzen sollten
konstatieren, daß der Autor insoweit noch keine Meinung geäußert hat. Deshalb
hat jedermann/frau seine Urheberrechte zu respektieren!

Leider hat es sich noch nicht überall herumgesprochen, daß auch für Webseiten
das Urheberrecht zu beachten ist. Deshalb widerhole ich meine schon oft
geäußerten Warnung: Bibliotheken sollten sich nicht dem Vorwurf aussetzen,
bestehendes Recht zu verletzen.

Heidelberg läßt grüßen!

Harald Müller

Max Planck Institute for Comparative Public Law
and International Law / Library
Im Neuenheimer Feld 535; D-69120 Heidelberg
Phone: +49 6221 482 219; Fax: +49 6221 482 593
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