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Re: [InetBib] [Inetbib] Re Newsletter Börsenverein (Posting von Christian Sprang, Justiziar des Börsenvereins)



Die Liste will ja sicher nicht zu einer Privatveranstaltung des Justiziars des Börsenvereins degenerieren (zumal dieser seine eigenen Kommunikationsmittel, z.B. den Newsletter zum Urheberrecht, mit Verweis auf dieses von einer öffentlichen Nutzung abschottet), aber die Aussagen bieten doch einen willkommenen Anlass, etwas richtig zu stellen, hier eine vielleicht auch in Bibliothekskreisen verbreitete falsche Einschätzung von Creative Commons.

Abgesehen davon, dass es merkwürdig anmutet, dass Verlage offenbar Wissenschaftler ermutigen mit CC-Lizenzen zu publizieren (so der 2. Absatz in dem unten zitierten Mailfragment von Herrn Sprang), wo doch CC (laut Absatz 1) ein Gegenmodell zur Konzeption des Urheberrechts sein soll - tatsächlich liegt Herr Sprang auch hier wieder einmal gänzlich falsch.

Der weltweite Erfolg von CC beruht tatsächlich nicht zuletzt darauf, dass die CC-Lizenz im Rahmen des jeweils geltenden nationalen Urheber-/Copyright-Gesetzes entwickelt wurde und in diesem Territorium auch gültig ist, so auch seit 2004 in Deutschland. Das kann jeder leicht nachlesen. Wer z.B. http://creativecommons.org/licenses/by-nc-sa/2.0/de/ anklickt, kommt zu einer auf den Endnutzer zugeschnittenen Erklärung der Lizenz (common deed genannt), die bei dem angegebenen Link besagt: a) Pflicht der Namensnennung, also der Referenzierung auf den Autor, b) das Untersagen einer kommerziellen Nutzung und c) das Recht der Weitergabe und Modifikation. Der Autor könnte natürlich auch explizit die kommerzielle Nutzung erlauben oder die Modifikation untersagen. Immer erlaubt ist es, ganz in Übereinstimmung mit Open Access die freie (also auch kostenlose) Nutzung. Ist das nicht gegeben, ist es keine CC-Lizenz. Im Common deed ist auch vermerkt: "Die gesetzlichen Schranken des Urheberrechts bleiben hiervon unberührt."

Wer dann auf dem common deed noch den Link Lizenzvertrag anklickt, kommt zu dem sogenannten "legal code", wo ausführlich (und für Laien nicht ganz leicht nachvollziehbar) der hier in Deutschland zugrundeliegende juristische Sachverhalt dargestellt wird. Dort heißt es zu Beginn: "DAS URHEBERRECHTLICH GESCHÜTZTE WERK ODER DER SONSTIGE SCHUTZGEGENSTAND (WIE UNTEN BESCHRIEBEN) WIRD UNTER DEN BEDINGUNGEN DIESER CREATIVE COMMONS PUBLIC LICENSE („CCPL“ ODER „LIZENZVERTRAG“) ZUR VERFÜGUNG GESTELLT. DER SCHUTZGEGENSTAND IST DURCH DAS URHEBERRECHT UND/ODER EINSCHLÄGIGE GESETZE GESCHÜTZT. Allerdings heisst es dann auch unter Ziffer 2: "2. Schranken des Urheberrechts. Diese Lizenz lässt sämtliche Befugnisse unberührt, die sich aus den Schranken des Urheberrechts,aus dem Erschöpfungsgrundsatz oder anderen Beschränkungen der Ausschließlichkeitsrechte des Rechtsinhabers ergeben."

An der für Deutschland gültigen CC-Lizenz-Formulierung hat u.a. der in Deutschland durch seinen UrhR-Kommentar bekannte und renommierte Prof. Dreier mitgewirkt, dem selbst Sie, Herr Sprang, wohl kaum unterstellen wollen, dass er als Urheberrechtsprofessor "Gegenmodelle zu der Konzeption des Urheberrechts als Eigentums- und Ausschließlichkeitsrecht" entwickeln will.

Ihr Vorwurf ist umso grotesker, als gerade aus dem alternativen zivilgesellschaftlichen Umkreis, z.B. von Richard Stallman, aber auch aus der Incommunicado-Gruppe, CC der Vorwurf gemacht, immanent in dem von diesen in der Tat als obsolet bezeichneten Copyright (allgemeiner: innerhalb der IPR-Regelungen) zu bleiben, so dass Richard Stallman zum großen Kummer von Lawrence Lessig, dem "Vater" von Creative Commons, sich jüngst von CC distanziert hat, jedenfalls nicht mehr alles von CC unterstützen will..

Also höchst ärgerlich, dass ausgerechnet ein Jurist erneut unter dem Prädikat "Fakt" eindeutige Falschaussagen in die Welt setzt. CC will gerade das Autorenrecht stärken, indem die Urheber, wie wir es genannt haben, eine Teil ihrer informationellen Autonomie zurückgewinnen können, *vgl. z.B,. Rainer Kuhlen; Jochen Brüning: Creative Commons. Ein Stück Autonomie in der Wissenschaft zurückgewinnen * In: Bekavac, Bernard; Herget, Josef; Rittberger, Marc (Hrsg.): Information zwischen Kultur und Marktwirtschaft. Proceedings des 9. Internationalen Symposiums für Informationswissenschaft (ISI 2004), Chur, 6 - 8.Oktober 2004. Konstanz: UVK-Verlagsgesellschaft mbH, 2004. S. 459 – 462 (http://www.informationswissenschaft.org/download/cc-isi04-art26.pdf)

Aber auch den Nutzern will CC Rechtssicherheit geben, wenn jemand z.B. im WWW einen Text oder eine Grafik verwenden will. Sind diese mit CC gekennzeichnet, was für jeden Urheber ein Kinderspiel zu tun ist (trotzdem Hilfe unter: .http://www.inf-wiss.uni-konstanz.de/cc/projektbeschreibung_final09.htm), das ist die Sache juristisch/urheberrechtskonform einwandfrei und eindeutig geregelt.

Lieber Herr Sprang, Sie zu korrektem Verhalten bewegen zu wollen, ist sicherlich vergebene Liebesmüh, das wissen wir seit Ihren öffentlichen Inzenierungen damals beim Ersten Korb - insofern ist es auch verschwendete Zeit, auf Ihre Auslassungen weiter zu reagieren. Aber willkommen war doch der Anlass, auch hier über die Liste Vorurteile über CC mit "Fakten" richtigzustellen. Und der Effekt ist ja auch nicht schlecht, dass jedermann klar sehen kann, dass es den Lobbyvertretern aus dem Umfeld des Börsenvereins gar nicht um ein faires Urheberrecht geht, sondern um die Verteidigung von Privilegien der Ausbeutung von Autoren, welches vom ebenfalls renommierten Urheberrechtsprofessor Hoeren (Münster) als Enteignung bezeichnet wird. Insofern kann CC durchaus ein Gegenmodell sein, aber keines gegen das Urheberecht.

Aber vorsichtig wird man dabei sein müssen, ist doch offenbar schon die "Beschäftigung" mit CC (sich also darüber informieren) nach Herrn Sprang ein Beweis oder zumindest Hinweis darauf, dass man gegen Autorenrechte gerichtet ist. Es ist schlicht zum Verzeifeln, aber zum Glück gibt Verlage, die das anders sehen, und ich möchte auch bezweifeln, dass die hier vom Justiziar geäußerten Behauptungen und aufgebauten Feindbilder vom Börsenverein ingsesamt getragen werden.

RK

**



Dr. Christian Sprang schrieb:
... Fakt ist, dass Creative Commons-Lizenzen ein
Konzept sind, das als Gegenmodell zu der Konzeption des Urheberrechts als
Eigentums- und Ausschließlichkeitsrecht entwickelt wurde. Wenn sich das sog.
Urheberrechtsbündnis mit Creative Commons (statt mit Urheberrechten)
beschäftigt, zeigt dies erneut, dass es eben gerade gegen das durch
EU-Informationsrichtlinie und Art. 14 Grundgesetz geschützte Autorenrecht
gerichtet ist.
Wie Sie wissen, haben Verlage und Börsenverein Wissenschaftler, die open
access oder mit creative commons-Lizenzen publizieren wollen, schon immer
ermutigt, dies zu tun.



Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.