[Date Prev][Date Next][Thread Prev][Thread Next][Date Index][Thread Index]

AW: [InetBib] Klöster müssen spraren



Sehr geehrter Herr Dietz, liebe Liste,

ich bin nur insofern "vom Fach" als ich seit 10 Jahren eine katholische 
Hochschulbibliothek leite und diese demselben Bibliotheksverband angehört wie 
die UB Eichstätt (AKThB). Ich habe den Altöttinger Bestand in Eichstätt nicht 
gesehen, bin noch nicht präzise genug über die tatsächliche Sachlage informiert 
und werde mich hier nicht mit einer entschiedenen Meinung aus dem Fenster 
lehnen. Es ist Sache anderer Stellen, die Vorkommnisse dort aufzuklären.
Wenn sich aber "die vom Fach", außer den Eichstätter Kollegen, die sich qua 
Weisung des Universitätskanzlers zum Thema nicht äußern dürfen, bisher noch 
nicht zu Wort gemeldet haben, so vermutlich auch deshalb, weil sie sich eine 
Vorstellung von den tatsächlichen Vorkommnissen machen können und das Ausmaß 
der Aufregung nicht mehr verstehen. In meiner ja tatsächlich noch nicht sehr 
langen Amtszeit hat mir zwar noch niemand 400.000 Bücher vor die Tür gestellt, 
dennoch habe auch ich schon tonnenweise Bücher dem Container übergeben - 
Unmengen von für uns marginal interessanter Literatur, Zeitschriften die xmal 
bei uns und anderen Bibliotheken vorhanden sind etc. Halt alles, was so über 
Jahre bei uns an Resten von Nachlässen liegengeblieben ist. Ich habe noch 
keinen Kollegen getroffen, der bei dieser Ansammlung von Bücherbergen anders 
gehandelt hätte, wohl aber etliche, die vor den gleichen Problemen standen.

Dass wir es in der causa Eichstätt mit einem Medienhype zu tun haben, zeigt ein 
Vergleich mit den Verkaufsideen des Herrn Oettinger in der LB Karlsruhe. Dieser 
tatsächliche Skandal wird - gemessen am Grad der Aufmerksamkeit - mit den 
Eichstätter Vorkommnissen praktisch auf eine Stufe gestellt. Es mögen in 
Eichstätt Dinge vorgekommen sein, die nicht hinnehmbar sind. Wie gesagt: ich 
weiß das nicht und mag darüber nicht urteilen. Aber für die Wertung, die die 
Sache in der Öffentlichkeit bekommen hat, fehlt mir jedes Verständnis (mal ganz 
abgesehen von den vielen ekelhaften Vorverurteilung all derjenigen, die ganz 
genau Bescheid zu wissen meinen). Ich bekomme heute von Leuten 
Zeitungsausschnitte aus ihren Tageszeitungen über die schlimmen, schlimmen 
Wegwerfaktionen in Eichstätt zugesandt mit der entsetzten Anfrage an mich, wie 
so etwas möglich sei. Mit denselben Leuten saß ich noch vor ein paar Monaten an 
einem Tisch und mußte ihnen darlegen, warum der geplante Verkauf wertvoller 
Handschriften der LB Karlsruhe wirklich keine gute Idee war (so vorsichtig 
musste man über diesen Wahnsinn reden).

Dass die künftig verstärkt vorkommenden Auflösungen von kirchlichen Häusern, 
die kirchliche Bibliotheken vor große Probleme stellen werden (die katholischen 
wie die evangelischen), ist freilich ein ganz anderes Thema. Es wäre gut, wenn 
man die jetzt vorhandene Öffentlichkeit nutzte, um die Entscheidungsträger für 
diese Frage zu sensibilisieren. Das Interview von Herrn Bepler im DLF war ja 
schon mal ein Anfang an recht exponierter Stelle.

Beste Grüße

Philipp Gahn

*************************************************************
Dr. Philipp Gahn
Philosophisch-Theologische Hochschule
der Salesianer Don Boscos - Bibliothek
Don-Bosco-Strasse 1
Tel.:++49/+8857/88205         
D-83671 Benediktbeuern                   Fax: ++49/+8857/88249
gahn.pth@xxxxxxx                         www.pth-bibliothek.de 
**************************************************************

Und ich nehm einfach gleich diesen Thread (dt. mail-faden) um 
ein weiteres puzzle-stück in der sache beizusteuern, zu der 
sich hier wie schon mal angemerkt kaum ein BIB-mensch äußert, 
der vom Fach ist. warum eigentlich?


ZEIT online, dpa, 7.3.2007
Rettet die Bücher!

Weil Klöster und Orden sparen müssen, verkaufen sie ihre 
kulturhistorisch wertvollen Büchersammlungen. So manches 
Exemplar landet bei E-Bay. 
http://www.zeit.de/campus/online/2007/10/bibliotheken-sparzwan
g

Die Katholische Universität (KU) Euchstätt-Ingolstadt warf kürzlich sogar über 
100.000 wertvolle Bücher in den Müll. Sie gehörten zu einem Bestand von etwa 
420.000 Bänden, welche der KU vor Jahren von der Zentralbibliothek der 
Kapuziner in Altötting überlassen worden waren. Die Eichstätter Bibliothekare 
sortierten aus - offenbar jedoch ohne die nötige Sorgfalt, denn unter den 
vernichteten Büchern waren viele von hohem kulturhistorischen Wert. 
Mittlerweile beschäftigt der Fall sogar die Ingolstädter Staatsanwaltschaft.




Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.