[Date Prev][Date Next][Thread Prev][Thread Next][Date Index][Thread Index]

Re: [InetBib] E-Mail -> Soziale Netzwerke ?



Jürgen Fenn schrieb:

Im Augenblick wird damit noch gespielt, es ist etwas Neues, und man
probiert aus, was geht und wie das kommt.

Ja klar, es ist alles eine große Spielwiese, aber man muß nicht
unbedingt mitspielen. Ich persönlich spiele bei den meisten Sachen so
weit mit, bis ich die Regeln verstehe, aber dann stellt sich in der
Regel ziemlich schnell sich heraus, daß es doch immer wieder das alte
Spiel ist. ?Mami, schau mal, was ich kann!?

So ist der Mensch. Gleichzeitig mit dem Abbau realer Beziehungen
werden virtuelle Beziehungen aufgebaut, die noch weniger befriedigen.
Wie war es doch damals im Dorf so schön. Jeder kannte jeden, man kam
unvermeidlich und zwanglos ins Gespräch, jeder wußte alles, jeder
fühlte sich wohl, angenommen und aufgehoben. Aber hat das Dorf jemals
irgendetwas Bedeutendes hervorgebracht?

Da lobe ich mir die Bücher. Über Bücher kann man Kontakt zu Menschen
bekommen, die etwas zu sagen hatten. Daß diese nun wiederum, egal zu
welcher Zeit, ihrerseits entsetzlich isoliert waren, ist bekannt. Weil
das so war, fielen diese Leute auf und konnten über große Distanzen
Kontakt aufnehmen - so stelle ich mir das jedenfalls vor.

Heute kann jeder mit jedem (die technischen Voraussetzungen seien
erfüllt) Kontakt aufnehmen, aber die meisten haben nichts zu sagen.
Man schaue sich nur die vielgerühmten Hervorbringungen der Musik- und
Videokultur an: Re-Mixes. Brewster Kahle beispielsweise geilt sich
ganz konform zum derzeitigen Hype an der Möglichkeit der Montage auf,
als würde dadurch irgendetwas Substantielles geschaffen werden können.
Witzig - ja, manchmal. Bedeutend - nein.

Die Möglichkeiten der Maschine sind phantastisch und es ist
verständlich, daß man alles ausprobiert und dabei die entsprechende
Begeisterung entwickelt. Es sind aber doch nur formale Übungen, mehr
nicht. Die Inhalte sind davon völlig unabhängig und müssen erst noch
geschaffen werden. Die Leute, die mit der Technik herumspielen, sind
höchstwahrscheinlich nicht in der Lage, Inhalte zu schaffen. Es sind
aber die Inhalte, die überleben werden, nicht die Technik. Die Technik
ist trivial und banal und vorübergehend.

Insofern kann man sich, sobald man das Prinzip verstanden hat, wieder
ernsthaften Dingen zuwenden und auf die nächste Welle warten. Sie
kommt ganz bestimmt.

Für mich war an diesem Aufsatz interessant, daß der Niedergang von AOL
zu einem Paradigma geworden ist, das man ohne weiteres und ohne
Widerspruch auf Unternehmen anwenden kann, die heute ganz oben auf der
Welle schwimmen. Es ist nicht nur nicht unwahrscheinlich, sondern
vermutlich so gut wie sicher, daß Google, Facebook usw. in ein paar
Jahren Geschichte sein werden. Von den anderen müssen wir nicht
sprechen.

Genau mit dieser Aussicht hört der Artikel auf - irgendeinen Fehler
werden die Chefs schon machen, allein weil sie übermütig werden. Um
solche Fehler zu vermeiden, Trends zu erkennen, Ideen zu bekommen
trifft man sich auf Konferenzen und liest solche Berichte und
Kommentare.

Werner Popken



Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.