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Re: [InetBib] Herr Ulmer, sein Brief, der Artikel im Börsenblatt und der Heidelberger Appell



Zur Sicht der Buchhaendler duerfte auch das, was heute im Tagesspiegel unter dem falschen
Teaser "Die Buchmacher" steht:
http://www.tagesspiegel.de/magazin/wissen/geschichte/Buchhandel-E-Book;art15504,2766230
interessant sein.
Ob die dortige Vorhersage:
"Etwa 4000 Mitglieder im Börsenverein des deutschen Buchhandels gibt es noch in Deutschland, was ungefähr der Zahl an unabhängigen Buchhändlern entspricht. Nach der Prognose von Manfred Keiper, Inhaber der „Anderen Buchhandlung“ in Rostock, wird sich die Zahl in den kommenden fünf Jahren halbieren."
stimmt, wird sich fuer den Boersenverein bald zeigen.

Ansonsten geht es aus meiner Sicht in http://www.boersenblatt.net/314659/ um die Notwendigkeit klarerer und allgemein akzeptierbarer "fair use" Grenzen und ihrer Kontrolle, auch in Deutschland.

Die Kopien, die ich von Buechern oder Zeitschriftenaufsaetzen mache (ueber Kopierer oder den eigenen Drucker), brauche ich, weil es nicht erlaubt ist, in Biblioteksbuechern herumzustreichen, und ich gehe davon aus, dass das den meisten Bibliotheksbenutzern ebenso geht, sonst waeren mehr Texte der Bibliotheken markiert.

Dass der Buchhandel diese Buecher anstelle der Kopien gern in toto verkaufen wuerde ist klar. Aber es ist schon heute ein grosses Problem, was man mit den zahllosen vollgemahlten privaten Buechern macht, wenn die Besitzer sterben. Sie sind weitgehend wertlos. In den Bibliotheken kennt man doch seit Jahrzehnten die Hinterbliebenen, die die Buecher ihrer Verstorbenen gern verkaufen, verschenken oder stiften moechten. Dieses Kulturgut will nur niemand - abgesehen von einigen der Angebote in eBay oder Amazon,
dann sollten die Exemplare aber auch moeglichst unbenutzt sein.

MfG

W. Umstaetter




On Apr 3, 2009, at 6:41 PM, Matthias Ulmer wrote:

Sehr geehrte Frau Finke,

vielen Dank für die Antworten zu Punkt 1 und 2. Ich halte beide Fragen aktuell für nicht beantwortbar, auch wenn ich den Austausch von Argumenten dazu schätze. Aber der Fokussierung wegen würde ich mich gerne ausschließlich auf den Börsenblatt-Artikel beziehen, da er der aktuellste ist. Die beiden anderen Dokumente können ja später folgen, wenn das hier einen Sinn ergibt.



Ihr Artikel im Börsenblatt, http://www.boersenblatt.net/314659/
Im Zusatz zum Titel schreiben Sie immerhin vom "Geschäft der Verlage" und nicht von"das Urheberrecht".

Der Untertitel wie auch der Titel sind Erfindungen der Redaktion. Mein Artikel sollte "Die letzte Auflage" heißen. Ein Teaser war nicht vorgesehen.

Satz 1 überträgt das im dritten Satz vorgeworfene Fehlverhalten einer Bibliothek gleich auf ganz Deutschland.
Das kann nicht korrekt sein.

Der zweite Satz ist für die Mechanik von 1 und 3 wichtig. Wenn der Fall Darmstadt als allgemeines Modell für alle Bibliotheken vom DBV gedacht und geplant ist, dann gilt Satz 1. So ist´s gemeint. Ich stehe dazu.

Im 2. Satz, unterstellen Sie der Leitung des Deutschen Bibliotheksverbandes, dass sie gesetzwidriges Handeln "der Bibliotheken" trägt. Das tut sie sicher nicht. Und es handeln nicht "die Bibliotheken" gesetzwidrig, sondern möglicherweise eine, die Sie dann in Satz Nr. 3 nennen.

Es gibt immerhin zwei Fälle, Würzburg und Darmstadt. Und diese sind uns zufällig bekannt geworden. Ich weiß nicht, wie viele es noch gibt und es gibt auch keine Aussage von Seiten des DBV dazu. Und es wurde in Darmstadt offen gesagt, dass man sich an die Empfehlungen des DBV halte. Und es gibt die Stellungnahme des DBV zum Fall Würzburg. Also auch hier wieder: WENN das Vorgehen in Würzburg und Darmstadt rechtswidrig sind, DANN trägt der DBV ein gesetzwidriges Handeln, weil er hinter beiden Fällen steht und die Bibliotheken unterstützt. (Was ich verständlich und sinnvoll finde, wenn man die Frage klären will). Also auch hier gibt es nichts zu korrigieren, wenn die Rechtswidrigkeit festgestellt werden sollte. (Andernfalls natürlich schon, wie bereits gesagt.)

Im und 4. und 5. Satz verallgemeinern Sie gleich wieder: "Wille der Bibliothekare" und "So fördert man ..."

Zum WIllen: da Würzburg an diesem Punkt sofort einen Rückzieher machte und den Download verhinderte, Darmstadt aber auf mehrfache Rückfrage explizit nicht, sondern ihn weiter zulässt, halte ich meine Aussage nicht für falsch. Erklärter Wille "der Bibliothekare", da lasse ich die Aussage von Herrn Müller aus dem DBV für alle Bibliothekare stehen. Das halte ich nicht für unangemessen, weil ich bis heute noch von keinem Bibliothekar öffentlich gehört habe, dass er sich davon distanziert. Ich habe leider wenig Anlass, meine Verallgemeinerung zurückzunehmen, sogern ich das würde.

So fördert man Wissenschaft und Lehre in Deutschland: das ist Sarkasmus. Muss wohl auch nicht korrigiert werden.

Im 2. Absatz geht es um § 52b, der genau eingrenzt, welche Werke eine Bibliothek digitalisiert in ihren Räumlichkeiten an elektronischen Leseplätzen anbieten darf, nämlich "soweit dem keine vertraglichen Regelungen entgegenstehen". Entsprechend ist die Empfehlung des DBV: http://www.bibliotheksverband.de/stellungnahmen/DBV_Info_UrhGRev_060707.pdf . So ist auch Herrn Prof. Müllers Kommentar aus Satz 2 Ihres Artikels zu verstehen. Teile eines Werkes - auch des digitalisierten - zu kopieren ist mit Einschränkungen erlaubt nach UrhG § 53,1-5. Die Verbreitung dieser Kopien ist nicht erlaubt (UrhG 53,6) - damit machen sich die Personen strafbar, die diese Kopien im Internet frei zur Verfügung stellen, nicht aber die Bibliothek.


Das ist wieder die oben genannte Frage 1, ob das Handeln in Darmstadt vom Gesetz gedeckt ist. Ich bin überzeugt: nein. Sie sind überzeugt: ja. Patt, Warten auf den Schiedsrichter.

In Absatz 6 unterstellen Sie dieser (?) Bibliothek und ihrem möglicherweise gesetzwidrigen Verhalten, dass sie Fakten schaffen möchte, bevor dem Gesetz Recht verschafft wird. Das dürfen Sie natürlich, aber eine Tatsache, sprich korrekt, ist es damit nicht.

Ob es eine Tatsache ist, kann ja ich so wenig behaupten wie Sie das Gegenteil. Es ist meine Vermutung. Denn es wird auf Zeit gespielt und wenn es darum geht, eine Frage zu klären, bei der man sich unsicher ist, dann könnte man ja - um weiteren Schaden abzuwenden - die Vervielfältigung zunächst einstellen, bis das geklärt ist. Das wird aber nicht getan.

Für uns stellt sich das als eine traurige Parallele zum Vorgehen von Google dar, zur Auslegung des Fair use, einer schnellen Umsetzung um Fakten zu schaffen, einer Hinhaltestrategie beim Verfahren. Auch bei Google denkt kein Mensch darüber nach, das nach Beendigung eines fairen Gerichtsverfahrens zurückzudrehen, sondern man fordert die Verleger auf, sich eben damit zu arrangieren. Ich sehe hier die Parallele, dass wir jetzt über Monate auf ein Verfahren warten, und bis dahin zig Bibliotheken hunderte von Titeln so anbieten wie in Darmstadt. Und dann können wir uns eine Currywurst davon kaufen, wenn das Gericht uns Recht gibt. Es gibt leider keine Zusage von Bibliotheksseite, dass man die Zeit der Rechtsunsicherheit nicht so nutzen wird, sondern im Gegenteil Anzeichen dafür.


Ich wünsche mir, dass ich Ihre Fragen beantworten konnte.
Und wenn es denn unterschiedliche Auslegungsmöglichkeiten eines Gesetzes gibt, muss eine Lösung gefunden werden, die für alle Beteiligten zufriedenstellend ist. Dafür sind Dialoge nötig. Bitte ohne verallgemeinernde Vorwürfe und Schuldzuweisungen, und bitte mit korrekten Darstellungen.


Ich hoffe, SIe können nachvollziehen, warum ich die Darstellung für korrekt halte. Eine gewisse Verallgemeinerung und journalistische Zuspitzung ist natürlich im Text, das gebe ich natürlich zu. Aber ich finde sie für die Bedeutung dieser Sache nicht unangemessen.


Mit freundlichen Grüßen
Matthias Ulmer





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