[Date Prev][Date Next][Thread Prev][Thread Next][Date Index][Thread Index]

Re: [InetBib] Zusammenführung mehrerer (kultureller) Einrichtungen



Bezüglich Herrn Bissels nicht unberechtigtem Pessimismus ist noch zu sagen:

Vielen Bibliotheken geht es im Moment ähnlich wie den Verlagen im
Printmedienbereich, wenn sie es nicht schaffen in der Digitalen Welt Fuß
zu fassen, wird es sicher finster.

Dass die Digitale Bibliothek die einzige wirklich Chance für die
Bibliothekare von heute ist, dürfte seit Jahrzehnten klar sein. Da helfen
auch keine Aktivitäten als Alten-, Freizeit-, Kinder-, Sozialbetreuung
etc. Im Gegenteil, solche Aktivitäten (insbesondere mit freiwilligen
Helfern) mindern nur die Anerkennung der Bibliothekare als qualifizierte
Informationsspezialisten bzw. Knowledge Manager. Darum gab es auch schon
die Diskussion über die Qualifizierung der Bibliothekare „Developing a
culture of evidence based practice within the library and information
profession: the impact of library science education.” Lehrbuch des
Bibliotheksmanagements Fußnote 8.

Wenn es stimmt, was in diesem Lehrbuch steht: „Dabei hat es insbesondere
nach den PISA-Studien der OECD ab 2000 einen Wandel in der Zielsetzung der
Öffentlichen Bibliotheken gegeben, die von der Bibliothek als Ort der
Freizeitgestaltung zur Bibliothek als Lese- und Studienförderung hin
sichtbar wurde.“ Dann kann auch diese  Lese- und Studienförderung nur auf
der Basis der Digitalen Bibliothek mit Blended Learning etc. realisiert
werden.

Wie auch im Verlagswesen wächst das Interesse an den Tablet PCs bzw.
Slates und es gilt, „Durch die Zunahme an mobilen Geräten wie Smartphones,
PDAs oder iPADs hat sich ein Interesse für die M-Library entwickelt“ S.
124.

Aus meiner Sicht gilt auch weiterhin: „Hier werden also oft Klischees und
Stimmungen, wie die Bibliothek für gemütliche Mußestunden, für
Freizeitvergnügen oder Musikgenuss bis hin zum fröhlichen Kinderspielplatz
mit Rutsche und Kissen genutzt. Auch wenn eigentlich nichts dagegen
einzuwenden wäre, Bibliotheken auf diesem Wege attraktiv zu machen, so hat
diese Vorstellung bei Laien und Politikern ohne Zweifel schon so manche
Öffentliche Bibliothek die Existenz gekostet. Wenn Kommunen und Städte
sparen müssen, gehört Unterhaltung und Freizeitgestaltung nicht zu ihrem
Kernbereich, zumindest nicht nach Ansicht der Steuerzahler.“ S. 150

Mit freundlichen Grüßen

Walther Umstätter

Hallo Frau Fülle und Frau Stamm,

ein kleiner Nachtrag aus britischer Sicht:

Nicht nur die zur Blair-Zeit geschaffenen wenigen "Idea Stores" bieten
Dienstleistungen über das in Deutschland für Bibliotheken Übliche an.
Öffentliche Büchereien sind hier immer auch Anlaufstelle der Lokalbehörde,
bis hin zum Verkauf von Müllsäcken, und gleichzeitig eine Art
Gemeindezentren, in denen Krabbelgruppen und Häkelnachmittage stattfinden.
Solche Angebote sind aber großenteils aus der Not geboren: Je mehr
professionelle Stellen abgebaut und die Entwicklung des Medienbestands
vernachlässigt wurde, desto größere Mühe geben sich Freiwillige,
Bibliotheken wenigstens mit anderen Aktivitäten zu beleben, um damit die
Schließung hinauszuzögern. Etwa 20% der Büchereien haben seit April
letzten Jahres geschlossen oder sind von der Schließung bedroht; bis 2020
könnte Großbritannien frei von öffentlichen Büchereien sein, warnte
vorgestern die Local Government Association.

Neben Schließungen bzw. Übertragung der Verantwortung an gemeinnützige
Verbände ziehen vor allem Bezirke mit konservativer Mehrheit die
Übertragung der Betriebsführung an Privatunternehmen in Betracht - wobei
einige international tätige Outsourcing-Firmen nach Medienberichten über
Lohndumping etc. sich mittlerweile zurückgezogen haben...

Dazu kommt, daß Unibibliotheken generell nur Uniangehörigen (mit ein paar
reziproken Arrangements) zugänglich sind. Freischaffende Intellektuelle
wie Autoren und Journalisten weichen auf die private London Library aus
(Jahresmitgliedschaft GBP 445).

Die rasante Schrumpfung von Bibliotheksangeboten passiert unter dem
Zeitdruck drastischer Budgetkürzungen und auf weitgehend unkoordinierte
Weise, ohne andere Einsparungsmöglichkeiten (Konsortien,
Zusammenlegungen...) überhaupt zu untersuchen.

Jedenfalls ist Großbritannien derzeit kein angenehmes Pflaster für
Bibliothekare...

MfG

Gerhard Bissels
Consulting Librarian
Tel. +44 (0)2034320614
SIP 1297201
Email gerhard.bissels@xxxxxxxxxxxx
Web library.coop

Library Co-op LLP
Company registered in England and Wales no. OC366378



On 28 Jun 2012, at 16:40, elena.stamm@xxxxxxxxxxxxxxxxxxxx wrote:

Hallo Frau Fülle,

in britischen Bibliotheken allgemein findet man die Zusammenlegung von
(Teilen von) Stadt-Archiven und Bibliotheken (z.B. Millennium Library,
Norwich), teilweise in einem Gebäude, teilweise unter einer
Gesamtleitung
(z.B. Idea Stores).

Die Zusammenführung von Erwachsenenbildung, Bibliothek und Kulturraum
findet man bei den Idea Stores und den Discovery Centres in Hampshire.
Beide Projekte wurden vor der Finanzkrise begonnen, es werden jedoch
weiterhin neue Zweigstellen errichtet. Wichtig dabei ist die Einsparung
von professionellem Personal, welches nur in einer Verwaltungszentral zu
finden ist, die selber keine Bibliothek darstellt. Dadurch gibt es
erhebliche Kosteneinsparungen. Die Discovery Centres Bsingstoke und
Gosport wurden beide während der Krise errichtet und haben deshalb eine
gänzlich andere Ausstattung.

MfG
Elena Stamm

elena.stamm@xxxxxxxxxxxxxxxxxxxx

--
http://www.inetbib.de


--
http://www.inetbib.de



-- 
http://www.inetbib.de

Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.