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Re: AW: [InetBib] Klartext: Suppenküche Öffentliche Bibliothek



Liebe Frau Ziller,

schön, dass es inetbib gibt und der Dialog so doch noch weiter geht. Ihre 
Klarstellung muss ich leicht korrigieren:

Es ist richtig, dass der Börsenverein durch das Vorgehen der EU Kartellbehörde 
gezwungen ist gemeinsame Gespräche genau zu prüfen. Bibliotheken laufen hier 
keine Gefahr, für die ehrenamtlich engagierten Mitglieder von Verlagsseite 
sieht das anders aus. Gespräche, in denen es um die Vereinbarung gemeinsamer 
Standards, gemeinsamer Geschäftsmodelle und gemeinsamer Preismodelle geht, 
gelten in Brüssel als verwerflich. Beteiligte Unternehmen riskieren hohe 
Geldbußen. Das halte ich für absurd, sind es doch gerade gemeinsame Standards, 
Geschäftsmodelle und Preismodelle, die wir im noch neuen Feld der digitalen 
Medien dringend benötigen.

In den Gesprächen über Geschäftsmodelle für wissenschaftliche Bibliotheken 
hatten wir mit dem DBV gemeinsam ein Modellprojekt geplant, in dem sich Verlage 
mit den Bibliotheken auf ein Modell mit einheitlichen Standards, Verträgen und 
Preismodellen einlassen, um zu testen, ob wir die problematische Vielzahl an 
aktuell existierenden Modellen nicht für eine höhere Effizienz bereinigen 
können. Da genau dieses Ziel von der EU als verwerflich angesehen wird, musste 
das Projekt komplett fallen gelassen werden. Das hatte ich auch im Gespräch 
weitergegeben. Dass ich das Protokoll der Sitzung schuldig blieb ist direkte 
Folge der zu diesem Zeitpunkt ablaufenden  Aktenbeschlagnahmung durch die EU. 

Bei unserer zweiten Arbeitsgruppe liegt der Fall anders. Hier hatten wir die 
Arbeitsgruppe abgeblasen. Stattdessen haben wir vereinbart, dass ich ein Modell 
dem DBV vorstelle, das wir dann diskutieren, eine gemeinsame Lösung suchen und 
diese anschließend von Dienstleistern frei am Markt angeboten wird mit dem 
Ziel, dass sich möglichst viele Verlage daran beteiligen. Ich habe ein Modell 
ausgearbeitet und Teilen des DBV Vorstands vorgestellt. Nach einer DBV-internen 
Diskussion bekam ich dann die Antwort, dass man diese Gespräche von Seiten 
Ihres Vorstands nicht weiterführen wolle. Es kam also nicht einmal zu einer 
Diskussion über die Inhalte sondern der Dialog wurde an dieser Stelle beendet.

Letztlich ist das müßig. An der Grundsituation ändert das wenig: wir steuern 
auf einen Konflikt zu, für den wir aktuell keine Lösung haben. Das Modell der 
Divibib habe ich immer unterstützt. Ich werde aber auch nicht müde darauf 
hinzuweisen, dass es angesichts der aktuellen Entwicklung der E-Book 
Vermarktung, die sich auf kommerzielle Leihmodelle zubewegt, zu einem Punkt 
kommt, an dem ich von Verlagsseite für das Modell keine Zukunft sehe. Wir haben 
das alle in den USA beobachtet und in anderen Ländern läuft es auf den gleichen 
Konflikt zu.

Wie in inetbib schon ausgeführt gibt es zwei mögliche Reaktionen: die Suche 
nach einer tragfähigen Lösung, die die Interessen beider Seiten berücksichtigt. 
Oder die Hoffnung auf den Gesetzgeber und die Gerichte. Ich bemühe mich weiter 
um eine Kompromisslösung, ich sehe aber, dass der DBV sich auf dem gesetzlichen 
Weg mehr verspricht. Das halte ich für eine Verschwendung von Zeit und Geld, 
aber ich muss natürlich akzeptieren, wenn Sie das für vielversprechender halten.

Da es sich am Auftrag der Bibliotheken und ihrem Selbstverständnis festmacht: 
ich weiß wohl, dass HEUTE der Auftrag weit gefasst ist, wie Sie das aus den 
Bibliotheksgesetzen zitieren. Auch diese basieren aber auf einer Printwelt und 
berücksichtigen nicht die kommenden Situationen. Viele Gespräche zu diesem 
Thema in der letzten Zeit bestätigen meine Auffassung, dass ein Zwang zur 
Lizenzierung gegen den Willen der Rechteinhaber nicht durchsetzbar sein wird, 
insbesondere wenn Lending zu einer wesentlichen Verwertungsform für die Werke 
werden wird.

Ich wiederhole deshalb die Bitte, statt juristischer Gefechte hier auf das 
gemeinsame Gespräch zu setzen. Vielleicht bietet ja das vom DBV angekündigte 
Positionspapier zum Thema E-Book Ausleihe Ansätze dafür. Ich würde mich 
jedenfalls freuen.

Herzliche Grüße
Matthias Ulmer




Am 16.10.2012 um 18:09 schrieb Barbara Schleihagen 
<Schleihagen@xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx>:

Sehr geehrter Herr Ulmer, 

Ihre Bemerkungen im Börsenblatt und Ihre Statements hier auf inetbib haben 
beim dbv  Befremden ausgelöst. Damit auch die hier mitlesenden Kolleginnen 
und Kollegen sich eine Meinung bilden können, möchte ich einige Punkte 
klarstellen:

Der Vorstand des Deutschen Bibliotheksverbandes hat die Gespräche mit dem 
Börsenverein nicht abgebrochen. 

Richtig ist vielmehr, dass es sich genau umgekehrt verhält:  Am 27. April 
2012 teilte Herr Dr. Sprang, Justiziar des Börsenvereins,  per Email mir als 
Vorsitzender des dbv mit, dass er "den seit langem für den 15. Mai geplanten 
Gesprächstermin zwischen einer Delegation des dbv und Vertretern des 
Börsenvereins über E-Book-Leihmodelle ABSAGEN (sic)" müsse. 

Als Begründung schrieb er weiter :"Hintergrund ist, dass ein von Herrn Ulmer 
vorbereitetes Papier zu möglichen Geschäftsmodellen für das "E-Book-Lending", 
das die Teilnehmer auf Verlegerseite intern abstimmen wollten, im Hinblick 
auf die aktuell laufenden Kartellverfahren zu E-Book-Vertriebsmodellen Fragen 
hinsichtlich der kartellrechtlichen Zulässigkeit aufgeworfen hat. Wir haben 
das Dokument daraufhin unseren Kartellrechtsanwälten vorgelegt und von diesen 
gerade erfahren müssen, dass die in dem Dokument angedachten Möglichkeiten in 
der Tat zu einem erheblichen Teil aus kartellrechtlichen Gründen von uns 
nicht bzw. nicht ohne weiteres angeboten werden können. Daraufhin haben wir 
uns entschieden, uns zunächst intern eingehend kartellrechtlich beraten zu 
lassen, bis zu welchen Grenzen wir als Verband überhaupt mit dem Ziel der 
Vereinbarung branchenweiter Standards für E-Book-Leihmodelle in öffentlichen 
Bibliotheken mit dem dbv sprechen können bzw. wo man gegebenenfalls zunächst 
ein Angebotskartell genehmigen lassen müsste."

Daraufhin wurde im gegenseitigen Einvernehmen beschlossen, dass sich ein 
einzelner Verleger (Herr Ulmer)  und eine Bibliotheksdirektorin (Frau Lison, 
Bremen) sowie  ein Bibliotheksdirektor (Herr Dr. Schmid-Ruhe,  Mannheim) zu 
einer Beratung darüber treffen, welche Lizenzangebote dieser Verleger den 
beiden betreffenden Bibliotheken grundsätzlich machen könne. Nachdem

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