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Re: [InetBib] ZDF macht Bibliothek dicht



Das ist ein alter Trick, man zitiert falsch und weist nach, dass die falsche Aussage falsch ist. So machen Sie aus "weniger Neuerwerbung" schlicht "keine Neuerwerbungen", was an dieser Stelle natürlich unsinnig wäre.

Sie schreiben: "Es gibt nicht "das" Ergebnis und "die" Wahrheit", was ich natürlich auch nirgends behauptet habe, und Sie meinen vermutlich nur ein unumstößliches Ergebnis bzw. "die absolute Wahrheit". Das gibt es natürlich in keiner Wissenschaft (weder Natur- noch Geisteswissenschaft) sonst hätte Popper wohl kaum auf seine Theorie der Falsifikation kommen können.

Dass man insbesondere in Bibliotheksbüchern keine Anmerkungen, Unterstreichungen etc. machen darf ist klar. Insofern sind ja gerade Papierkopien dazu notwendig um mit einem Text (gleichgültig ob Natur- oder Geisteswissenschaften) wirklich zu arbeiten, gleichgültig ob sie von digitalen oder gedruckten Quellen stammen. Wenn Sie bei einer solchen Kopie den Autor, den Titel oder das Jahr aufzuschreiben vergessen, ist der Fehler eindeutig, so dass das eigentlich mit dem Buch nichts zu tun hat.

Auf die Idee, dass man für Textvergleiche auch parallel mehrere Bildschirme braucht, kam man bei text comparison auch schon vor etlichen Jahren. Ohnehin sollte man wohl nicht vergessen, dass sich Apple schon sehr Frühzeitig auf die Erzeugung von Publikationen in Verlagshäusern spezialisiert hat, so dass beispielsweise eine Tageszeitung lange nur auf dem Bildschirm der Redaktion existiert, bevor sie der Redakteur erstmals gedruckt vor sich sieht. Das gilt für ein philosophisches Buch nicht weniger. Insofern wäre es absurd, wenn man da behauptete, man können geitseswissenschaftliche Texte nur auf Papier richtig lesen. Das ist bei alten Texten nur insofern anders, weil wir dort zwischen dem Buch als historischem Objekt und seinem Inhalt (da sich nur der digitalisieren lässt) unterscheiden müssen.

Der steigende Papierverbrauch hat mit all dem wenig zu tun, sondern damit, dass immer mehr Wissenschaftler in der Welt zum Arbeiten solche Papierkopien brauchen. Während sich die Weltbevölkerung nur etwa alle 50 Jahre verdoppelt, verdoppeln sich die Wissenschaftler alle 20 Jahre. Weshalb schon De Solla Price fragte, wann alle Menschen Wissenschaftler sein werden. Eine gut Frage ;-) Dass man darum versucht, den Papierverbrauch zu senken, indem man Anmerkungen, Unterstreichungen, Verlinkungen etc. z.B. auf e-Texten ermöglicht, dürfte sehr hilfreich werden.

Sie haben völlig Recht, www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/suchmaschinenriese-google-verbraucht-so-viel-strom-wie-eine-grossstadt-a-785217.html ist Lesenswert. Denn 1. macht es deutlich, dass die 0,3 Wattstunden bei Google fast vernachlässigbar gegen das sind, was das gesamte Internet inklusive ihres eigenen Rechners verbraucht, 2. dass Google noch weit mehr spart. So wurde schon vor rund vierzig Jahren, als die ersten Bibliografien digitalisiert waren untersucht, dass eine Online Recherche von etwa ein oder zwei Stunden, die Handsuche von drei Arbeitstagen in der gedruckten Bibliografie ersetzt. Da dürfte schon der CO2 Ausstoß des menschlichen Körpers größer sein, als der Anteil der Maschinen ;-)

Apropos Standpunkt: Objektive Betrachtungen zeichnen sich dadurch aus, dass der einzelne Standpunkt immer unwichtiger wird, weil die Objektivität erfordert, dass man ein Problem von mehreren Standpunkten aus betrachtet. Das heißt natürlich noch nicht, dass es eine absolute Objektivität gibt.

MfG

Walther Umstätter




Am 25.11.2012 00:33, schrieb Mathis Christian Holzbach:
Nun, ich stelle fest, dass wir wirklich unterschiedliche Standpunkte
vertreten. Bei der Textorientierung sind elektronische Quellen besser,
keine Frage! Und diese Quelle nutze ich auch, wie TLG u.ä.. Ihre
Äußerung, dass man keine Neuerwerbungen bräuchte, wenn
geisteswissenschaftliche Bücher eine längere Halbwertszeit haben
würden, kann eindeutig die Denkmentalität eines Naturwissenschaftlers
nicht verleugnen. Es gibt nicht "das" Ergebnis und "die" Wahrheit in
der Geisteswissenschaft. Ältere Ergebnisse sind weiterhin wichtig. Da
ich in einer Medizinerfamilie aufgewachsen bin und mein Vater in der
Forschung tätig war, kann ich schon diesen Umgang mit Informationen
und Bibliotheken einschätzen und ihn auch abgrenzen. Ob nun diese
Unterscheidung (Geistes- Naturwissenschaft ) eine angloamerikanische
Problematik darstellt, weiß ich nicht.

Der Begriff "Metadaten" habe ich verwendet, ok. Dann sage ich
einfach: Katalogdaten. Noch einmal der Fall: ich drucke nur gewisse
Abschnitte eines Buches aus und vergesse den Autor, den Titel und das
Jahr aufzuschreiben, damit ich diese Quelle zitieren kann. Dann ist
doch ein Buch doch besser und sogar beständiger! Außerdem muss man mit
dem Text arbeiten und auch mehrere Texte nebeneinanderlegen können.
Auf dem Bildschirm wird das schnell unübersichtlich. Auch bräuchte man
wohl mehrere ipads oder e-Reader etc. Das wäre doch wirklich ein
Verhältnisblödsinn. Und jetzt mit einem e-Reader elektronische
Unterstreichungen zu machen, ist doch wirklich unbequem- jedenfalls
für mich. (Ich wurde damit nicht glücklich, wie viele meiner Kollegen
auch).  Kurzum, die Datenbanken haben ihren Sinn in der
Textuntersuchung, lösen m.E. aber nicht das Buch ab. Aber selbst wenn
es nur elektronische Bücher geben würde, würde der Papierverbrauch
noch mehr steigen.

Der Stromverbrauch einer Datenbank und einer Suchanfrage muss
tatsächlich höher liegen als die Lampenbeleuchtung. Jedenfalls allein
"eine Anfrage bei der Suchmaschine Google kostet vier Watt Strom pro
Stunde oder zwei Gramm CO2 Ausstoß, wie Forscher aus den USA errechnet
haben: "Das entspricht dem Stromverbrauch einer Energiesparlampe, die
eine Stunde lang brennt", sagt Siegfried Behrendt vom Institut für
Zukunftsstudien und Technologiebewertung in Berlin" (Zitat aus:

http://www.stern.de/digital/online/stromverbrauch-wie-viel-energie-kostet-eine-google-suche-634098.html;
außerdem Lesenswert:

http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/suchmaschinenriese-google-verbraucht-so-viel-strom-wie-eine-grossstadt-a-785217.html)

Ihnen einen schönen Sonntag!

Mathis Holzbach




Am 24.11.2012 um 23:48 schrieb h0228kdm:

Dass ein gedrucktes Buch "jedenfalls zum lesen und forschen immer besser als eine elektronische Quelle" ist, da teile ich nun Ihre Meinung wiederum nicht ganz. Sicher liest man einen gedruckten Text besser auf Papier als am Bildschirm, aber gezielte Textpassagen, Worte oder Wiederholungen lassen sich nun mal, insbesondere in umfangreichen Texten, in einer Textsuche rascher ermitteln und analysieren. Ich weiß nicht ob Sie schon mal Textanalysesysteme gesehen haben, aber die sind für Sprachwissenschaftler meist interessanter als für Naturwissenschaftler, und auf Papier nicht möglich.

Der Hinweis auf die anderen Maßstäbe bei den Geisteswissenschaften ist mir nicht neu. Am interessantesten fand ich immer den, dass die Halbwertszeit nur bei den Naturwissenschaften 5 Jahre betrage. Wenn die bei den Geisteswissenschaften wirklich höher läge, brauchten die aber weniger Neuerwerbung in den Bibliotheken, weil sie ja immernoch die alten Bücher lesen können. Das ist aber eindeutig nicht der Fall.

Ich finde es in der deutschen Sprache sehr viel richtiger, bei Natur-, Sozial- und Geisteswissenschaft von Wissenschaft zu sprechen und nicht die Unterscheidung von Science, Social Science und Arts and Humanities zu machen. Insofern sind auch die Two Cultures von C.P. Snow eine eher angloamerikanische, denn deutsche Problematik. Sicherlich sind die Geisteswissenschaften noch immer stärker narrativ geprägt, als die mathematisch dominierten Naturwisssenschaften, aber Biologie und auch Bibliothekswissenschaft sind noch recht stark geisteswissenschaftlich (um nicht zu sagen beschreibende Wissenschaften). Nicht zufällig ist die Informations- und Bibliothekswissenschaft an der HU-Berlin in der Geisteswissenschaft angesiedelt. Dass sie als Nationalökonomie des Geistes, besser bei der Wirtschaftsinformatik beheimatet wäre, sei nur am Rande erwähnt.

Dass beim Ankauf von privaten Bibliotheken auch wertvolle Bücher dabei sein können, steht außer Frage, aber sie sind eher selten, und ich habe Bibliotheksdirektoren kennen gelernt, die mir immer wieder die Schwierigkeiten schilderten, Witwen zu erklären, dass die von ihrem Mann zusammengekaufte Bibliothek leider weitaus weniger Wert ist, als sie hofften. Ich war einst in einer neu gegründeten Bibliothek, wie die UB-Ulm, wo der Aufkauf von Gelehrtenbibliotheken durchaus interessant war, um überhaupt einen Grundstock aufzubauen. Das erschöpfte sich aber trotzdem bald, weil die Dubletten rasch zunahmen. Sogar bei Schenkungen sind die anfallenden Personalkosten oft höher als der Gewinn.

Das mit dem "Unsinn" und den "Metadaten" scheint mir übrigens ein Eigentor, denn die Metadaten im Bibliothekswesen sind eine Errungenschaft von XML und entstammen gerade der digitalen Welt. Erst danach wurden Metadaten ein Modewort, das dann für etlichen Unsinn verwendet wurde.

Was den Strom anbelangt, so wäre es u.a. wirklich interessant zu überprüfen, was in einer Bibliothek mehr Strom kostet, ein Buch unter einer Deckenbeleuchtung, den zahlreichen Leselampen oder der Stromversorgung des iPad. Ich weiß nicht, ob Sie schon mal gesehen haben welche Stromrechnungen große Bibliotheken haben, und die kommen nicht alle vom Rechenzentrum. Ganz abgesehen davon, dass Sie das vermutlich auch nicht gleich ausschalten wollen, denn bei denen ist so eine "Datenbank" meist nur ein kleiner Teil im Gesamtgeschehen.

MfG

Walther Umstätter



Am 24.11.2012 21:14, schrieb Mathis Christian Holzbach:
Ich teile Ihre Meinung nicht ganz! Das Verschwinden von FTD und
möglicherweise nun auch die Frankfurter Rundschau ist eher auf
Managementfehler zurückzuführen. Sie dürfen auch nicht vergessen, dass auch einige Datenbankprojekte nicht erfolgreich waren. Ein Buch ist jedenfalls zum lesen und forschen immer besser als eine elektronische
Quelle (für die Geisteswissenschaft gesprochen). Auch kann ein
Digitalisat eines historischen Buches wohl kaum das Original ersetzen.
Und sie dürfen nicht den Fehler machen, nur die Natur- bzw.
Informationswissenschaft im Auge zu haben. Für die Geisteswissenschaft gelten andere Maßstäbe. Es braucht da schon ein paar Jährchen bis so Buch "verramscht" wird. Dass Buchpreise nichts mit dem Inhalt zu tun
haben, stimmt auffallend;-)!  Auch gehöre ich zu denen, die
Bibliotheksbestände geerbt haben. Die Bücher sind nicht wertlos. Denn da sind ein paar Originaldrucke dabei, die schon einiges auf dem Markt
kosten würden. Ferner gibt es Bücher, die nur schwerlich in
Bibliotheksverzeichnis gefunden werden können und schon gar nicht in
einer Datenbank. Datenbanken erfüllen ihren Zweck zur ersten
Orientierung. Arbeiten kann man nur mit dem Buch oder mit dem
Ausdruck! Oder ist es der Sinn der vermeintlichen neuen Zeit, dass man nun alle Bücher wieder ausdruckt und dann selbst zusammenheftet, dann
im schlimmsten Fall nicht weiß, woher man dies hat (z.B. wenn man
vergessen hat, die Metadaten aufzuschreiben). Das ist doch Unsinn. Und
außerdem wissen Sie wie viel Strom so eine Datenbank schluckt? Wird
der Strom nicht teurer?  ;-)

Mathis Holzbach


Am 24.11.2012 um 20:39 schrieb h0228kdm:

Ich habe eben mal kurz nachgeschaut, bei eBay kostet die Brockhaus Enzyklopädie, komplettes Lexikon 17. Auflage (1966-1981) mit 21 Bänden und Goldschnitt gerade 180 €. An anderer Stelle 99 € (wobei die Selbstabholung fast teurer sein könnte ;-). Das ist nicht viel, wenn man bedenkt, wie viele Menschen sich noch die Letzten Auflagen geleistet haben, mit der Hoffnung, dass es jeweils die letzte gedruckte Auflage ist, die dann im Laufe der Zeit im Wert steigen wird. Bis gedruckte Bücher so alt werden, dass die meisten Exemplare verloren gegangen sind und sie wieder im Preis steigen, dauert es recht lange. Der Wertverlust von Publikationen dagegen ist recht rasch und fördert ihr Verschwinden. Das sieht man schon daran, dass etliche Verlage damit einverstanden sind, ihre Produkte nach einem halben Jahr zu Open Access zu machen. Auch bei Paperbacks muss das Geld im ersten Halbjahr verdient werden, danach wird meist verramscht oder der Rest mit dem Caterpillar zusammengeschoben und entsorgt. Verlage denken da mit sehr spitzem Stift, wenn mir diese Metapher hier erlaubt ist.

Das etliche kleine Spezialbibliotheken in nächster Zeit dicht machen, wenn immer mehr Zeitungen, Zeitschriften und gedruckte Bücher verschwinden (Frankfurter Rundschau, Financial Times Deutschland, ...) kann hier niemanden überraschen, wenn wir seit über einem Jahrzehnt über die Digitale Bibliothek diskutieren. Im Prinzip begann es doch schon vor über dreißig Jahren, dass die One Person Libraries immer mehr zu Online Literaturdokumentationen mutierten, dafür gab es speziell die Ausbildung der Dokumentare.

Die ZDF Bibliothek dürfte nur sehr begrenzt mit "Stralsund" vergleichbar sein, auch wenn es natürlich interessant ist davon zu hören, und zu verfolgen, wie es da weiter geht. Insbesondere, wenn die Druckhäuser nun in immer größere finnzielle Schwierigkeiten kommen. Die Kampagnen der BILD-Zeitung, bis hin zum Sturz eines Bundespräsidenten waren ja erst der Anfang der damit verbudenen Charakterlosigkeit. Beim Existenzverlust werden Menschen verständlicherweise sehr erfinderisch. Darum müssen auch Bibliothekare ihre Existenz immer mehr in der Digitalen Bibliothek und der Nationalökonomie des Geistes suchen. Auch wenn einige Menschen glauben, dass ihr Weltbild zerstört wird, wenn sie kein Zeitungspapier, sondern einen iPad für die Tagesneuheiten brauchen.

Wie wertlos gerade gedruckte Bücher schon nach kurzer Zeit sind, wissen insbesondere Bibliothekare, die z.B. von Witwen die Bibliothek des verstorbenen Ehemanns angeboten bekommen, außerdem kann man ja in den Firmen nachfragen, die gebrauchte Bücher aufkaufen. So bekäme ich für "Zwischen Informationsflut und Wissenswachstum: Bibliotheken als Bildungs- und Machtfaktor der modernen Gesellschaft" z.Z. noch 1,58€. Insofern muss man den Wert von Bibliotheken sehr viel differenzierter betrachten. Buchpreise haben mit ihrem Inhalt bekanntlich nichts zu tun ;-)

MfG

Walther Umstätter

P.S. Wie man sieht habe ich meine Unterschrift diesmal nicht vergessen - entschuldigung.


Am 24.11.2012 19:09, schrieb Mathis Christian Holzbach:
ZDF Bibliothek macht Bibliothek dicht und wirft Bücher weg!
"Stralsund" geht also weiter!



http://www.rhein-zeitung.de/regionales_artikel,-Nachschlagewerke-im-Altpapier-ZDF-macht-seine-Bibliothek-dicht-_arid,494339.html

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