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Re: [InetBib] Abgeleitete Textformate/ TDM-Schranke (§ 60d UrhG)



Lieber Herr Hartwig, liebe Kollegen,

schafft man sich das in Rede stehende Problem nicht erst dadurch, dass 
plötzlich alles ein Forschungsdatum sein kann.

Nein.

Einen literarischen Text zu einem Forschungsdatum zu erklären, ist absurd.

Ein literarischer Text ist auch ein Forschungsdatum: Literatur in einer PDF-Datei z.B.

Forschung ist doch nun in der Tat meistens digital, nicht wahr, so auch die textbasierte Forschung in den Literaturwissenschaften (Textsammlungen von lit. Texten, Sachtexten od. wenn wir uns mit Handschriften beschäftigen). Es geht hier um die verworrenen Fragen beim Urheberrecht. Im Forschungsdatenmanagement sind diese Themen essentiell im Kontext von nachhaltiger Forschung und wissenschaftlicher Integrität (Kultur der Redlichkeit).

TDM-Schranke (§ 60d UrhG)

Ich sehe es primär so wie es Herr Hartmann schreibt

1.) Daten sind urheberrechtsfrei (!)

2.) "Das TDM selbst ist in der Regel keine urheberrechtsrelevante
Handlung" (!)

Hier ging es um das TDM.
Sonst wäre jeweils eine Einzelfallbetrachtung notwendig.

Wohl kann ich aber mit oder aus Daten ein Werk schaffen, das seinerseits einen 
Urheberrechtsschutz genießt.

Ja.

Einen literarischen Text zu einem Forschungsdatum zu erklären, ist absurd.
Digitaler Wandel?

Herzliche Grüße,
Annette Strauch


Am 10.11.2020 um 16:54 schrieb Falk Hartwig via InetBib:
Lieber Herr Brettschneider, Kolleginnen und Kollegen,

schafft man sich das in Rede stehende Problem nicht erst dadurch, dass plötzlich alles ein Forschungsdatum sein 
kann. Einen literarischen Text zu einem Forschungsdatum zu erklären, ist absurd. Ein Forschungsgegenstand war er 
schon immer und ist er auch weiterhin. Ein Text kann eine Schöpfungshöhe aufweisen, die einen 
Urheberrechtsschutz rechtfertigt. Erhobene, gemessene, erstellte oder aggregierte Daten haben keine 
Schöpfungshöhe. Wohl kann ich aber mit oder aus Daten ein Werk schaffen, das seinerseits einen 
Urheberrechtsschutz genießt. Einen Sack voll Sand nennen wir doch auch einen Sack voll Sand und nicht Sandkorn 
oder einen Sack Sandkörner.

Beste Grüße, Falk Hartwig


-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: Peter Brettschneider via InetBib [mailto:inetbib@xxxxxxxxxx]
Gesendet: Dienstag, 10. November 2020 16:09
An: inetbib@xxxxxxxxxx
Betreff: Re: [InetBib] Abgeleitete Textformate/ TDM-Schranke (§ 60d UrhG)

Lieber Herr Röpke,

vielen Dank für den spannenden Beitrag den Sie und Ihre Mitstreiterinnen und Mitstreiter verfasst haben! 
Gerade weil das Recht der aus wissenschaftlicher Perspektive gewünschten Nutzung urheberrechtlich 
geschützter Daten Grenzen setzt und auch nach der anstehenden Urheberrechtsänderung im Sommer 2021 
weiter setzen wird, finde ich den von Ihnen verfolgten technischen Lösungsansatz außerordentlich 
interessant.

Lieber Herr Hartmann,

ich begrüße und teile Ihr Eintreten für ein wissenschaftsfreundliches Urheberrecht. Gleichwohl 
habe ich mit Ihrer Aussage "Daten sind urheberrechtsfrei" - zumindest in dieser Pauschalität - 
meine Probleme.
Wenn diese zutreffen würde, dann wäre § 60d UrhG weitgehend überflüssig.
Er wäre höchstens noch als Schranke der Rechte an Datenbanken notwendig.
Trotzdem haben Sie unzweifelhaft recht, sofern man eine Datendefinition zugrunde legt, 
die auf Bits und Bytes abzielt. Wenn man als Forschungsdatum hingegen z.B. den Text eines 
Literaten, den Zeitungsbeitrag eines Journalisten oder die Satellitenaufnahme eines 
Astronomen versteht, wird schnell deutlich, dass Forschungsdaten im Einzelfall sehr wohl 
urheberrechtlichen Schutz genießen können. Anders
ausgedrückt: Ob Daten urheberrechtsfrei sind, muss leider für jedes Forschungsvorhaben gesondert 
geprüft werden. In manchen Fälle ist dies einfach zu bejahen, in anderen hingegen mit erheblichem 
Aufwand verbunden (z.B. wenn Gemeinfreiheit eingetreten sein könnte und dafür das Todesdatum von 
Urhebern zu ermitteln ist).

Ich verstehe aber Ihre Intention und danke Ihnen dafür, dass Sie daran 
erinnern, dass man den urheberrechtlichen Schutz von Forschungsdaten nicht einfach 
pauschal unterstellen sollte.

Mit besten Grüßen

Peter Brettschneider


Am 10.11.2020 um 11:34 schrieb Thomas Hartmann via InetBib:
Guten Morgen Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrter Herr Röpke,

besten Dank für den Hinweis auf diesen Artikel, in dem detaillierter
TDM, dessen urheberrechtlichen Einzelheiten und eher politische
Einordnungen vorgestellt werden. Über den angesprochenen Ausweg,
Datencorpora eher segmentiert bzw. sequentiell zu nutzen, und damit
eventuelle vereinzelte Urheberrechtsbarrieren technologisch zu
umgehen, haben wir auch schon nachgedacht; generell erscheint es
natürlich nicht wünschenswert, einzelne Methoden oder Tools in einem
Innovationsfeld wie TDM speziell bzw. "nur" vorauseilend wegen
eventueller Urheberrechtsunklarheiten zu empfehlen.

Ich möchte dazu aufrufen, sich zuerst nur zwei Grundprinzipien des
Urheber- und Immaterialgüterrechts zu vergegenwärtigen:

1.) Daten sind urheberrechtsfrei (!)

2.) "Das TDM selbst ist in der Regel keine urheberrechtsrelevante
Handlung" (!), Quelle: Artikel

Wenn wir dann noch berücksichtigen, dass die dem TDM zugrunde
liegenden Daten- und Textcorpora von unseren öffentlichen
Einrichtungen regelmäßig umfassend eingekauft werden, sollten wir
nicht unreflektiert urheberrechtlich schmale Argumente v.a. der
Rechteinhaber annehmen, die ihren Ursprung vor vielen Jahrzehnten
haben. Die in dem Artikel näher besprochenen Bestimmungen bringen
Komplexität und Unsicherheit für die Anwender/innen mit sich, welche
die Nutzung von TDM behindern kann (denken Sie nur an andere
"Vorbilder" wie Zweitveröffentlichungsrechte, elektronische Leseplätze).

Das ist keine Kritik speziell an dem Artikel, in dem die Autoren/innen
immerhin stellenweise - wenn auch vorsichtig - konstatieren, dass die
Sache "schief" liege. Grundlegender positioniert sich (generell zum
Urheberrecht) das vor wenigen Tagen von einer interdisziplinären
Forschergruppe veröffentlichte "Urheberrecht 2030– Memorandum zur
Zukunft des kreativen Ökosystems in Europa", siehe
https://eu2020-bmjv-intellectual-property.de/storage/documents/Copyrig
ht_2030_de.pdf

Viele Grüße, Thomas Hartmann (FIZ Karlsruhe)


Am 09.11.2020 um 21:58 schrieb Röpke, Jörg via InetBib:
Liebe Kolleginnen und Kollegen,

hiermit möchte ich Sie auf den Artikel "Abgeleitete Textformate: Text
und Data Mining mit urheberrechtlich geschützten Textbeständen",
erschienen in der "Zeitschrift für digitale Geisteswissenschaften"
(ZfdG), aufmerksam machen.

http://dx.doi.org/10.17175/2020_006

Das "Text und Data Mining" (TDM) mit urheberrechtlich geschützten
Texten unterliegt trotz der TDM-Schranke (§ 60d UrhG) weiterhin
Einschränkungen, die u. a. die Speicherung, Veröffentlichung und
Nachnutzung der entstehenden Korpora betreffen und das volle
Potenzial des TDM in den Digital Humanities ungenutzt lassen. Als
Lösung werden "abgeleitete Textformate" vorgeschlagen: Hier werden
urheberrechtlich geschützte Textbestände so transformiert, dass alle
wesentlichen urheberrechtlich relevanten Merkmale entfernt werden,
verschiedene einschlägige Methoden des TDM aber weiterhin zum Einsatz
kommen können. Bibliotheken und Archiven kommt hierbei eine zentrale
Rolle bei der Etablierung abgeleiteter Textformate zu, weil sie
rechtmäßigen Zugang zu umfangreichen urheberrechtlich geschützten
Textbeständen haben.

Grüße

Jörg Röpke
------------------------------------
Abteilungsleiter EDV und Digitale Medien Fachreferent
Informatikwissenschaften u. Mathematik

Universität Trier
Universitätsbibliothek
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54296 Trier
Fon:       +49 (0)651 201-2487
Fax:       +49 (0)651 201-3977

--
Annette Strauch, M.A.
Forschungsdatenmanagement (FDM)
Research Data Management (RDM)

https://www.uni-hildesheim.de/forschungsdaten/

Love your data!

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Beratungen nach Vereinbarung im FDM-Raum (BigBlueButton; die Stühle stehen 
schon bereit ;) !) - https://bbb.uni-hildesheim.de/b/ann-34u-ft7
Consultations by appointment in the RDM room (BigBlueButton; the chairs are 
already there ;)! - https://bbb.uni-hildesheim.de/b/ann-34u-ft7


Look after your research data and research software now!
Look after it all the way through to the archiving of valuable results in order 
to permit further research built on that existing data.
We give support, training, tools, guidance and infrastructure.


Strauch, A. (2020). Universitätsbibliotheken heute. Partner im 
Forschungsdatenmanagement in der Praxis, ABI Technik, 40(2), 177-186. doi: 
https://doi.org/10.1515/abitech-2020-2008

https://www.b-i-t-online.de/heft/2020-01-fachbeitrag-strauch


Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.