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Re: Informatiker entwickeln Bibliothek der Zukunft



Liebe Leser der Liste,

zu dem Beitrag von Hrn. Kaestner:

> From: "Kaestner, Dr. Juergen" <j.Kaestner _at__ ltg.hessen.de>
> Date: Thu, 1 Aug 2002 16:04:42 +0200
> [...]
> Grundsätzlich liegt dem Ansatz doch ein Denkfehler zugrunde. Eine Bibliothek
> erwirbt ein Buch, wenn sie davon ausgeht, dass ihr Benutzerkreis dieses Buch
> benötigt. Dies schließt in der Regel die Vermutung ein, dass die einmalige
> Anschaffung des Buches zu einer mehrfachen oder gar häufigen Benutzung des
> Buches führt.
> ...  Absurd
> wird es geradezu, wenn man die Möglichkeit bedenkt, das nach diesem Einzigen
> wiederum ein zweiter und nach einiger Zeit ein dritter "Selbsterwerber" auf
> Kosten der Bibliothek kommt

Lassen Sie uns dieses Szenario in einer digitalen Bibliothek weiter
denken: Der Bibliothekar beobachtet dieses Nutzerverhalten in seinem
Statistik-Tool und entscheidet sich nun, da offenbar eine größere
Nachfrage besteht, eine andere Lizenzform dieses Titels zu
beschaffen. Z. B. eine Gleitlizenz, die genau das umsetzt, was Sie
sich wünschen, nämlich eine dauerhafte und weiterverwertbare
Zugriffsmöglichkeit für genau einen Nutzer zu einem gegebenen
Zeitpunkt oder eben eine Pauschallizenz, die eine nur durch die
Gruppengröße limitierte Benutzung gestattet.

Der entscheidende Unterschied zu Ihrer Vorstellung: Die erste Lizenz
wird nicht auf Grund einer  V e r m u t u n g  erworben sondern auf
Grund eines tatsächlichen  B e d a r f s .

> Allerdings - wie
> es scheint - eine Buchhandlung ohne Kunden, denn ansonsten würden die
> "Selbsterwerber" ja tatsächlich selbst erwerben - allerdings auf eigene
> Kosten.

Im Moment haben wir etwa 600 registrierte Nutzer und darüber hinaus
anonyme Zugriffe, die nicht auf Personen abgebildet werden können.
Darunter sind auch die Leser der Leipziger FH-Bibliothek, die über
einen zugewiesenen Bibliotheksetat verfügen und in der dargestellten
Weise Einzellizenzen selbst erwerben oder Gleit- und Pauschallizenzen
der Bibliothek nutzen können. Für uns interessant ist, dass das
Bibliotheksgeld nur sehr zögernd in Anspruch genommen wird, während
Gleit- und Campuslizenzen stark nachgefragt sind.
___

Zu Hrn. Grafs Beitrag:

> From: Klaus Graf <graf _at__ uni-koblenz.de>
> Date: Thu, 01 Aug 2002 16:24:12 +0200
> [...]
> Die gaengige Diskussion ueber E-Produkte (aber auch das klassische
> Urheberrecht) verkennt, dass es zur Eigenart wissenschaftlichen
> Arbeitens gehoert, fuer einen einzigen Beitrag eine Vielzahl
> verschiedener Quellen heranzuziehen, die mit vertretbaren Kosten nur
> in Bibliotheken eingesehen werden koennen - schon die SUBITO-Tarife
> sind, wenn Sie denn privat aufgebracht werden muessen - zu hoch, wenn
> denn eine Vielzahl von Aufsaetzen erforderlich ist.

Hier liegt ein Missverständnis vor mit dem Ansatz von eVerlage. Um
digitale Bücher refinanzieren zu können bedarf es - zumindest in der
Anfangsphase einer starken Nachfrage. Sie lässt sich in einer
Forschungsbibliothek einfach schlechter umsetzen als in einer
Studienbibliothek. Die Angebote von eVerlage orientieren daher auf
große Studiengänge in naturwissenschaftlichen und technischen
Studienfächern und dort vor allem auf das Grundstudium und versteht
sich als Ergänzung zu den etablierten Angeboten der Hochschulbiblio-
theken.
___

Zu Hrn. Umstaetters Beitrag:

> From: Walther Umstaetter <h0228kdm _at__ rz.hu-berlin.de>
> Date: Fri, 02 Aug 2002 00:08:42 +0200
> [...]
> Es ist nichts dagegen einzuwenden, wenn Verlage, Fachinformationszentren und
> Informatiker Projektgelder bekommen um etwas zukunftstraechtiges zu entwickeln.
> Es ist noch erfreulicher, wenn dieses Geld dazu fuehrt, dass das deutsche
> Bibliothekswesen weiterentwickelt wird. Dann sollte man aber die archivarische,
> oekonomische und synoptische Funktion der Digitalen Bibliothek nicht verkennen,
> und den internationalen Stand der Bibliothekswissenschaft.

Wir merken sehr wohl, dass hier die vollmundige Überschrift der
Pressemitteilung 'Bibliothek der Zukunft' sehr wörtlich genommen
wird, während wir in eVerlage gemäß dem Schwerpunkt 5 des Global Info
Programms und überein- stimmend mit den Zielen der beteiligten
Bibliotheken vor allem die ökonomischen Fragen betrachtet haben.
eVerlage ist ja auch ein Projekt von Bibliotheken  u n d  Verlagen
und daher haben wir versucht, einen Interessensausgleich zwischen den
Beteiligten zu finden.

So ist die Erprobung von zeitlich befristeten Lizenzen das Anliegen
der Verlage gewesen: Bei einem Einzellizenzpreis von 10% des
Ladenpreises für die Dauer von einem halben Jahr hätte man nach 5
Jahren permanenter Nutzung das Buch einmal bezahlt aber immer Zugriff
auf die neueste Ausgabe.

> Eine wissenschaftliche Bibliothek muss versuchen
> Zugang zum gesamten Wissen der Welt zu schaffen, nur so ist Wissenschaft im
> internationalen Wettbewerb ueberhaupt moeglich. Das heisst nicht, dass auch
> alles gebraucht wird,
> bzw. das nicht gebrauchte auch noch bezahlt werden muss. Entscheidend ist aber,
> dass die Verlage erkennen muessen, dass nur ein Hundertstel dessen was sie
> anbieten fuer die/den einzelne/n Wissenschaftler/in wirklich lesenswert ist.

So wie wir die Themen in der InetBib-Liste verstehen, diskutieren Sie
die Literaturversorgung der Wissenschaft in der
Informationsgesellschaft als eine Frage der Daseinsvorsorge. Sie
unterstellen damit, dass Marktmechanismen in diesem Prozess keine
Rolle spielen dürfen. Eine solche Meinung zu vertreten, ist
natuerlich legitim und sollte vor allem auf der politischen Bühne
ausgetragen werden.

Die Vorstellungen des BMBF im Rahmen von Global Info und damit im
eVerlage-Projekt waren von einem anderen Ziel geprägt. Es ging darum,
Technologien zu erproben, die die bekannten Marktmechanismen im
Internet und in der digitalen Bibliothek erfolgreich weiterwirken
lassen. Also lagen die Schwerpunkte auf Angebotsformen, Abrechnungs-
verfahren und Zahlungssystemen in digitalen Bibliotheken.

Wir haben uns sehr gefreut, dass Sie in dieser Liste so aktiv und
unbeschwert das Thema mit uns diskutiert haben und würden die Debatte
gern weiter fortsetzen. Leider treten die hier Beteiligten von
eVerlage in den nächsten Tagen ihren Urlaub an, so dass mindestens
eine Diskussionspause entsteht.

Wir laden Sie gerne ein, mit uns in Leipzig persönlich weiter zu
debattieren: Am 26. und 27. September werden auf den Leipziger
Informatik Tagen unter der Überschrift 'Marktplatz Internet' - von
eLearning bis ePayment auch die Ergebnisse des eVerlage-Projekts
präsentiert und die Projektbeteiligten sind persönlich anwesend.

Informationen dazu finden sie unter

  http://www.dfki.de/LIT-2002/LIT2002.swf


Mit freundlichen Gruessen,
das eVerlage-Team:

* Klaus Bastian (HTWK Leipzig, www.htwk-leipzig.de)
* Frank Oldenettel (OFFIS Oldenburg, www.offis.de)
* Michael Schwantner (FIZ Karlsruhe, www.FIZ-Karlsruhe.de)
* Florian Wagenpfeil (FAST Muenchen, www.fast.de)


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 Dr. Michael Schwantner             msch _at__ fiz-karlsruhe.de
 FIZ Karlsruhe (STN International)  http://www.fiz-karlsruhe.de
 Online Service - Entwicklung
 P.O. Box 2465                      Tel  : +49-7247-808260
 D-76012 Karlsruhe                  Fax  : +49-7247-808133
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