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AW: Wie effizient sind Diskussionslisten?



Liebe Inetbibler, Lieber Hr. Heinisch,

das ist ja eine drollige Überlegung die Sie da angestellt haben. Sicherlich
ist das Ergebnis bei der Anfrage nach der Größe des Internets kein gutes
Beispiel für die Effektivität einer Diskussionsliste. Ihrer Argumentation
kann ich trotzdem nicht folgen.
Sie haben schlicht vergessen die Beiträge zu erwähnen, die ein klares
Ergebnis geliefert haben. Aber noch ein wichtiges Merkmal einer
Diskussionsliste haben Sie übersehen - die Diskussion an sich. Ich sehe in
Inetbib ein Medium der Fachdiskussion, bei dem ich mitverfolgen kann, was
sich in meinem Beruf tut und wo ich mit meinem Wissensstand stehe. Es bietet
sich mir ein Blick über den Tellerrand, der z.B. bei mir als OPL sehr hoch
ist. Wenn mir die Beiträge aber nicht zusagen, kann ich Inetbib sehr gut
ignorieren.
Ihre Berechnungen möchte ich nicht weiter kommentieren, es fehlte mir
schlicht die Zeit sie nachzuvollziehen. Ich hoffe aber, dass Sie sie in
Ihrer Freizeit angestellt haben, einfach nur um in Ihrer Haltung konsequent
zu sein.

Ich wünsche Allen einen guten Wochenstart

Mit freundlichem Gruß

Oliver Weiner
Bibliothek der Kinderklinik Kiel

-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: owner-inetbib _at__ ub.uni-dortmund.de
[mailto:owner-inetbib _at__ ub.uni-dortmund.de]Im Auftrag von Christian
Heinisch, IB
Gesendet: Montag, 13. Januar 2003 10:18
An: Internet in Bibliotheken
Betreff: Wie effizient sind Diskussionslisten?


Am 9.1.03 wurde in INETBIB die folgende Frage gestellt: ?Kann mir jemand
sagen, wo ich aktuelle Zahlen oder Statistiken zur Größe des Internets (Zahl
der vorhandenen Seiten) finden kann? Oder hat jemand eine aktuelle Zahl
parat??

Diese Frage und ihre Beantwortung bietet sich an, um einmal die Frage nach
der Effizienz von Diskussionslisten zu stellen("schnelle und effiziente
Kommunikation zu ermöglichen, das ist auch heute noch das Ziel der
Diskussionsliste", http://www.inetbib.de). Ich bitte, den daraus
resultierenden langen Text zu entschuldigen.

Meine Ergebnisthese vorweg:

Diskussionslisten wie z.B. INETBIB erscheinen dem einzelnen Teilnehmer
vielleicht effizient, gesamtwirtschaftlich sind sie derzeit noch
ineffizient, resultieren in einer ziemlichen Zeitverschwendung und
rechtfertigen den betriebenen Aufwand nicht annähernd, weil den Teilnehmern
jede Vorstellung der Größe des Kommunikationsmediums und des Zeiteinsatzes
fehlt und sie noch keine entsprechenden kulturtechnischen Praktiken für die
effiziente Kommunikation in Diskussionslisten entwickelt haben (Hier
schließe ich mich ausdrücklich als Teilnehmer mit ein).

Die folgenden Schritte zeigen, wie dieses Ergebnis zustande kam:

----------

Auf die obige Frage wurden bis Sonntag, 12.1.03 17:30 Uhr insgesamt 10
Antworten geliefert.

1 mit Google-Zahl
1 mit Zusatzinfo zur Google-Zahl
2 Quatsch-Antworten
3 mit unkommentiertem Link und ohne Zahlenangabe
3 mit Link(s), Kommentar und mindestens einer Zahl

Zusammengefasste Antwort aus den Mails (ohne Berücksichtigung der Inhalte
hinter den Links):

Google gibt an, 3 Mrd Seiten indexiert zu haben, was etwa 25% der real
existierenden Seiten entsprechen dürfte. Damit dürfte die Gesamtanzahl der
Seiten derzeit bei ca. 12 Mrd Seiten liegen. Dies entspricht etwa der
Schätzung von Google-Mitbegründer S. Brin von 10 Mrd Seiten.

Allerdings kann Google nur die für Suchmaschinen sichtbaren Seiten erfassen.
Die Anzahl der für Suchmaschinen unzugänglichen Seiten des ?Invisible Web?
wurde Mitte 2000 auf 500 Mrd geschätzt. In diesem Zusammenhang ist ein Blick
auf die BrightPlanet-Studie zu empfehlen.

Aufgrund der Unsicherheiten in der Abschätzung der Anzahl der Seiten wird
alternativ die Anzahl der registrierten Domainnamen als Grundlage einer
Größenangabe für das Internet vorgeschlagen, diese betrug im Juli 2002 162
Mill. Domainnamen.

(Belegt werden diese Zahlen durch 5 weiterführende Links sowie 3
unkommentierte Links)

---------

Zwischenkalkulation 1:

Welcher Aufwand wurde von der Fragestellerin ausgelöst, um dieses Ergebnis
zu erhalten?

Annahmen:
Schreiben einer Mail = 5 Minuten
Lesen einer Mail = 30 Sekunden inkl. aller Folgezeitverluste (Ablenkung,
Wiederaufnahme der Arbeit, etc.), aber ohne Weiterverfolgung von Links.
Anzahl Mitglieder INETBIB = 4000 (vgl. http://www.inetbib.de)

Berechnung:
11 * 5 min zum Schreiben
11 * 4000*0,5 min zum Lesen

gesamt = 22.000 Min = 366 Std = 45 Tage gesellschaftlicher Arbeit.

Frage 1: Sind die Antworten den gesellschaftlichen Aufwand von 45
Arbeitstagen wert?

--------------

Zwischenkalkulation 2:

Jetzt wird zusätzlich die Weiterverfolgung der angegebenen Links
berücksichtigt, insgesamt 8 Links:

Annahmen:
10% der Teilnehmer klicken auf die angebotenen Links
pro Link werden 5 Minuten Zeit für das Lesen verbraucht.

Berechnung:
4000 * 10% * 8 Links * 5 Min = 16.000 Min = 266 Std = 33 Tage
gesellschaftlicher Arbeit

-----------

Gesamtergebnis:

Der ausgelöste Gesamtaufwand ausgehend von der Frage nach der Größe des
Internets liegt bei 78 Arbeitstagen, das ist mehr als ein Drittel der
durchschnittlichen Jahresarbeitszeit eines Arbeitnehmers.

Frage 2: Rechtfertigt das erarbeitete Ergebnis diesen Gesamtaufwand?

Der Gesamtaufwand entspricht dem Zeitaufwand eines (kostenlosen)
1-Tages-Seminars mit 78 Teilnehmern. Wären diese 78 Teilnehmer zufrieden,
wenn der Inhalt des 1-Tages-Seminars die oben vermittelte Zusammenfassung
und die 8 Links wären?

-----------

Zusatzberechnung:

4000 Teilnehmer, 10 Mails pro Tag (vgl. http://www.inetbib.de),
Annahme: "pro Tag" meint Arbeitstag, 220 Arbeitstage pro Jahr
=> 4000 * 10 * 220 * 0,5 = 42 Mannjahre

Das in einem Jahr erarbeitete Archiv von INETBIB kostet die Gesellschaft
demnach 42 Mannjahre.

Frage 3: Könnte eine Organisation mit 42 Mitarbeitern überleben, wenn ihr
Produkt die Schaffung, Bereitstellung und Verteilung der in dem Archiv eines
Jahres INETBIB enthaltenen Informationen ist?

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Einzelne getroffene Annahmen, die meinen Berechnungen zugrunde liegen, mögen
diskussionswürdig sein, das Gesamtergebnis einer ziemlichen
Zeitverschwendung durch die Art und Weise, wie wir heute mit
Diskussionslisten umgehen, wird aber auch durch andere Annahmen nicht
grundlegend verändert.

Ergebnisthese (Wiederholung von oben):

Diskussionslisten wie z.B. INETBIB erscheinen dem einzelnen Teilnehmer
vielleicht effizient, gesamtwirtschaftlich sind sie derzeit noch
ineffizient, resultieren in einer ziemlichen Zeitverschwendung  und
rechtfertigen den betriebenen Aufwand nicht annähernd, weil den Teilnehmern
jede Vorstellung der Größe des Kommunikationsmediums und des Zeiteinsatzes
fehlt und sie noch keine entsprechenden kulturtechnischen Praktiken für die
effiziente Kommunikation in Diskussionslisten entwickelt haben.

Viele Grüße, Christian Heinisch

Heinisch Informationsbewältigung e.Kfm.
http://www.informationsbewaeltigung.de




Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.