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Re: Zeitschriften und Urheberrecht



On Wed, 28 Apr 2004 21:11:10 +0200 (CEST)
 Lars Aronsson <lars@xxxxxxxxxxx> wrote:
> 
> Digizeitschriften (und auch JSTOR) enthält sowohl
> Urheberrechtsfreie
> (1850) als -geschützte (1950) Jahrgänge.  Rechte für die
> spätere sind
> mit den Verlagen verhandelt.  Nutzerinstitutionen
> bezahlen (ab 2005)
> für Subskription und ich vermute daß die Verlage etwas
> davon bekommen.
> 
> Hier entsteht ein große Anzahl von Fragen.
> 
> Besitzen die Verlage allein wirklich die Rechte, und
> können diese
> verkaufen / verleien?  Hat der einzelne Artikelverfasser
> nichts zu
> sagen?
> 
> Wo geht die Grenze zwischen urheberrechtlich geschützten
> und freien
> Zeitschriften, also zwischen was man verhandeln muß bzw.
> nicht muß?
> Ist es (wie für Monographien) 70 Jahre nach dem Todesjahr
> des
> Verfassers jedes Artikels, oder 70 Jahre nach dem
> Erscheinungsjahr
> jedes Jahrganges? Eine Nachforschung der Identität,
> Todesjahr und
> Erben jedes Artikelverfassers ist vermutlich für viele
> Zeitschrifte
> praktisch unmöglich.

Keine Rechtsberatung, lediglich eine Meinung:
 
Nein, diese Fragen sind noch nicht diskutiert worden, denn
DigiZeitschriften ist nicht daran interessiert, transparent
und offen sich solchen Fragen zu stellen. Man will hier an
dem Teufelspakt, den man zum Schaden einer reichen Public
Domain geschlossen hat, unter allen Umstaenden festhalten
und urheberrechtliche Probleme unter der Decke halten.

Ich habe mich schon des oefteren kritisch ueber
DigiZeitschriften geaeussert und wiederhole meine Kritik
gern nochmals: Ich finde es eine grandiose Heuchelei, wenn
Goettingen und andere Bibliotheken Open Access
Deklarationen unterzeichnen, aber bei DigiZeitschriften
fuer laengst gemeinfreie Beitraege abkassieren. Es gibt
also keine "moving wall" in dem Sinn, dass irgendwann nicht
mehr geschuetzte Zeitschriften kostenfrei zugaenglich sind.

Natuerlich ist es nach derzeit gueltigem deutschen
Urheberrecht klar rechtswidrig, was DigiZeitschriften
praktiziert. Die Urheberrechtsnovelle hat am § 31 IV UrhG
nichts geaendert, der es ausschliesst, dass Rechte an
unbekannten Nutzungsarten uebertragen werden koennen. Die
VG Wort und die meisten Urheberrechtler sehen im Internet
eine bekannte Nutzungsart erst seit 1995. Daraus folgt,
dass die Digitalisierung eines frueheren
Zeitschriftenartikels fuer DigiZeitschriften nur mit
Zustimmung des Autors rechtmaessig ist.

Da es aber bekanntermassen unmoeglich ist, alle diese
Autoren zu fragen, tut man so, als ob die Rechte bei den
Verlagen laegen.

Wenn man in der Zeitschrift ein Sammelwerk nach § 4 UrhG
sieht, so ist der Herausgeber der Zeitschrift (oft, aber
nicht immer der Verleger) Inhaber der Rechte am Sammelwerk
(nicht an den einzelnen Beitraegen) 70 Jahre nach seinem
Tod. Es ist in jedem Fall zu klaeren, ob die Rechte wirksam
dem Verlag vom Herausgeber uebertragen wurden, aber auch da
kommt die unbekannte Nutzungsart ins Spiel: die Rechte
wuerden dann bei dem Herausgeber oder seinen Erben liegen.

Bei der Digitalisierung eines Zeitschriftenjahrgangs muss
man also alle Autoren bzw. deren Erben 70 Jahre nach ihrem
Tod UND den Herausgeber bzw. seine Erben um Zustimmung
bitten. Das ist natuerlich absolut unpraktikabel und wenn
es sich um Privatleute handelt, die mal alte Bilder
digitalisieren wollen, sind die in URECHT versammelten
Rechtsanwaelte und Fotolobbyvertreter die ersten, die
Haltet den Dieb rufen und vom Diebstahl geistigen Eigentums
toenen:

http://jurix.jura.uni-sb.de/pipermail/urecht/Week-of-Mon-20040308.txt

Aber im Fall von DigiZeitschriften ist ja der maechtige
Boersenverein und die VG Wort mit im Boot mit den
Bibliotheken und Verlegern, und so bin ich gespannt, wie
DigiZeitschriften reagieren wird, wenn ich als Autor (noch
sind keine Texte von mir digitalisiert) mich ruehre und
Open Access fuer meine Beitraege verlange .... Ob man dann
wie etwa die FR, die umstandslos auf eine harmlose Anfrage
von mir einen Artikel einfach vom lizenzpflichtigen Angebot
nahm, als ich mich nach der Rechteuebertragung erkundigte
(einfach nur erkundigte! nicht drohte!), die Texte einfach
loescht? Ob das gegen irgendwelche Rechte von mir
verstoesst? Im Fall von kostenpflichtigen
US-Verlagsangeboten ist dokumentiert, dass Artikel entfernt
wurden, wenn der Autor nur nach der Massgabe von Open
Access mit der Online-Bereitstellung einverstanden war.

In der Dissertation von Frau Beger findet sich die
vernuenftige Faustregel, dass man bei vor 1900 erschienenen
Zeitschriften davon ausgehen koenne, dass diese gemeinfrei
seien. (Natuerlich kann auch dann der Fall eintreten, dass
ein Autor noch nicht 70 Jahre tot ist, aber es ist sehr
unwahrscheinlich, dass ein Erbe das merkt, wobei uebrigens
nach deutschem Recht einer Nutzung ALLE Erben - Enkel,
Urenkel - zustimmen muessen, wenn das Urheberrecht nicht
testamentarisch besonders vererbt wurde!). Auch hier liest
man ohne Wenn und Aber, dass bei vor 1995 erschienenen
Werken das Recht zur Digitalisierung beim Autor liegt (S.
50):

http://www.ub.uni-dortmund.de/listen/inetbib/msg22097.html

Klaus Graf

   


Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.